Pereant die Liberalen
g. | Dienstag, 24. August 2010, 06:59 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
Pereant die Liberalen,
die nur reden, die nur prahlen,
nur mit Worten stets bezahlen,
aber arm an Taten sind:
Die bald hier-, bald dorthin sehen,
bald nach rechts, nach links sich drehen,
wie die Fahne vor dem Wind:
Pereant die Liberalen!
Pereant die Liberalen,
jene blassen, jene fahlen,
die in Zeitung und Journalen
philosophisch sich ergehn:
Aber bei des Bettlers Schmerzen,
weisheitsvoll, mit kaltem Herzen,
ungerührt vorübergehn:
Pereant die Liberalen!
Pereant die Liberalen,
die bei schwelgerischen Mahlen,
bei gefüllten Festpokalen,
Turm der Freiheit sich genannt,
und die doch um einen Titel,
Zensor werden oder Büttel
oder gar Denunziant:
Pereant die Liberalen!
(Robert Prutz 1845)
per|e|ant* ‹lat.; "sie mögen zugrunde gehen!", 3. Pers. Plur. Präs. Konj. von perire›
Sie sehen, der Westeralismus ist schon sehr alt.
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Das Ende einer Liebe
g. | Donnerstag, 19. August 2010, 07:22 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
„Geh zum Fegefeuer mit deinen Predigten, Wahnwitziger! rief die schöne Akante mit dem jachzornigsten Tone und warf den erstaunten, halb sinnlosen Belphegor nach zween wohlabgezielten Stößen mit dem rechten Fuße zur Thüre hinaus.“
(Johann Karl Wezel: Belphegor oder Die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne) S. 13, Frankfurt/Main, Zweitausendeins, 1982.
Manche halten diesen Satz für den schönsten Romananfang aller Zeiten.
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Was reif in diesen Zeilen steht
g. | Dienstag, 17. August 2010, 07:04 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
Clemens Brentano war laut Arno Schmidt (Schmidt Bücher Menschen 2, S. 24) einer der großen Vier der „Romantik“. Man mag ihm recht geben:
Was reif in diesen Zeilen steht,
Was lächelnd winkt und sinnend fleht,
Das soll kein Kind betrüben,
Die Einfalt hat es ausgesäet,
Die Schwermuth hat hindurchgeweht,
Die Sehnsucht hat's getrieben;
Und ist das Feld einst abgemäht,
Die Armuth durch die Stoppeln geht,
Sucht Aehren, die geblieben,
Sucht Lieb, die für sie untergeht,
Sucht Lieb, die mit ihr aufersteht,
Sucht Lieb, die sie kann lieben,
Und hat sie einsam und verschmäht
Die Nacht durch dankend in Gebet
Die Körner ausgerieben,
Liest sie, als früh der Hahn gekräht,
Was Lieb erhielt, was Leid verweht,
Ans Feldkreuz angeschrieben,
O Stern und Blume, Geist und Kleid,
Lieb, Leid und Zeit und Ewigkeit!
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Barthold Heinrich Brockes: Die Nachtigall, und derselben Wett-Streit gegen einander
g. | Donnerstag, 12. August 2010, 07:14 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
Brockes (* 22. September 1680; † 16. Januar 1747)ist vielen verleidet, weil sie im Deutschunterricht damit gequält wurden. Dabei muss man eigentlich nur seine Lobpreisungen Gottes weglassen und schon kommt wunderschöne Naturlyrik zum Vorschein:
Im Frühling rührte mir das Innerste der Seelen
Der Büsche Königinn, die holde Nachtigall,
Die, aus so enger Brust, und mit so kleiner Kälen,
Die größten Wälder füllt, durch ihren Wunder-Schall.
Derselben Fertigkeit, die Kunst, der Fleiß, die Stärcke,
Veränderung und Ton sind lauter Wunder-Wercke
Der wirckenden Natur, die solchen starcken Klang
In ein Paar Federchen, die kaum zu sehen, sencket,
Und einen das Gehör bezaubernden Gesang
In solche dünne Haut und zarten Schnabel schrencket.
Ihr Hälschen ist am Ton so unerschöpflich reich,
Daß sie tief, hoch, gelind' und starck auf einmahl singet.
Die kleine Gurgel lockt, schnarrt, zischt und pfeift zugleich,
Daß sie, wie Quellen, rauscht, wie helle Glocken, klinget.
Sie zwitschert, stimmt und schläg't mit solcher Anmuht an,
Mit solchem nach der Kunst gekräuselten Geschwirre;
Daß man darob erstaunt, und nicht begreiffen kann,
Ob sie nicht seuftzend lach', ob sie nicht lachend girre.
Ihr Stimmchen ziehet sich in einer holen Länge
Von unten in die Höh, fällt, steigt aufs neu' empor,
Und schweb't nach Maaß' und Zeit; bald drenget eine Menge
Verschied'ner Tön' aus ihr, als wie ein Strom, hervor,
Zuweilen seuftzet sie, und winselt, daß man meynet,
Sie werde sterben; aber bald
Erhebet sie, mit feuriger Gewalt,
Den reinen Ton aufs neu. Dann eben scheinet,
Es woll' ihr lieblich-scharfes Singen,
Als wie ein Pfeil, uns in die Seele dringen.
Zwitschern, seuftzen, lachen, singen,
Girren, stöhnen, gurgeln, klingen,
Locken, schmeicheln, pfeifen, zucken,
Flöthen, schlagen, zischen, glucken
Ist der holden Nachtigall
Wunderbar gemischter Schall.
Es scheint so gar der Nam' allein
Ein Inbegriff der Frühlings-Lust zu seyn.
Wenn etwa jemand spricht: es sang die Nachtigall;
Kann fast des blossen Wortes Schall
So viel zu wircken taugen,
Daß in der meisten Hörer Augen
Sich ein geheim Vergnügen zeiget.
Sie dreht und dehnt den Schall, zerreisst und füg't ihn wieder;
Singt sanft, singt ungestüm, bald grob, bald klar und hell.
Kein Pfeil verfliegt so rasch, kein Blitz verstreicht so schnell,
Die Winde können nicht so streng' im Stürmen wehen,
Als ihre schmeichelnde verwunderliche Lieder,
Mit wirbelndem Geräusch, sich ändern, sich verdrehen.
Ein rollend Glucken quillt aus ihrer holen Brust;
Ein murmelnd Flöthen lab't der stillen Hörer Hertzen.
Doch dieß verdoppelt noch und mehrt die frohe Lust,
Wenn etwan ihrer zwo zugleich zusammen schertzen.
Die singt, wann jene ruft; wann diese lockt, singt jene,
Mit solch- anmuthigem bezaubernden Getöne;
Daß diese wiederum, aus Misgunst, als ergrimmt,
In einem andern Ton die schlancke Zunge stimmt.
Die andre horcht indeß, und lauscht, voll Unvergnügen,
Ja fängt, zu ihres Feind's und Gegen-Sängers Hohn,
Um, durch noch künstlichern Gesang, ihn zu besiegen,
Von neuem wieder an, in solchem scharfen Ton,
Mit solchem feurigen empfindlich-hellem Klang,
Mit so gewaltigem oft wiederhol'tem Schlagen,
Daß, so durchdringenden und heftigen Gesang,
Das menschliche Gehör kaum mächtig zu ertragen.
(Barthold Heinrich Brockes: Irdisches Vergnügen in Gott, Hamburg bey Christian Herold 1738)
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Indien kann warten
g. | Montag, 9. August 2010, 07:38 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
Einer der unspektakulärsten Romane, die ich kenne ist Magnus Mills’ „Indien kann warten“. Er beginnt mit einem Dialog:
„Ich dachte, ich erwische Sie besser noch, bevor Sie aufbrechen“, sagte er. „Ich nehme mal an, Sie fahren heute noch ab, oder?“Unser Held hat es nicht eilig.
„Hatte ich nicht vor“, antwortete ich.
„Viele fahren Montag morgen ab.“
„Ach, ich dachte eigentlich, ich hänge noch eine Woche dran. Das Wetter sieht doch ganz gut aus.“
„Also bleiben Sie noch?“
„Wenn Ihnen das recht ist.“
„Natürlich ist es mir recht“, sagte er. „Sie können gerne so lange bleiben, wie Sie möchten.“ (S. 7)
„Sie machen wohl Urlaub hier?“ fragte er.Die Plaudereien mit dem Zeltplatzbesitzer im englischen Lake District haben seltsame Konsequenzen:
„Eigentlich nicht“, sagte ich. „Oder doch, irgendwie.“
Er lächelte wieder. „Also was?“
„Na ja, im Moment hänge ich so dazwischen. Ich habe den ganzen Sommer über gearbeitet, um Geld zu sparen, damit ich im Winter in den Osten fahren kann.“
„Sie meinen an die Ostküste?“
„Oh nein“, sagte ich. „Ich meine Ausland. In die Türkei, nach Persien und dann über den Landweg nach Indien. Sie wissen schon.“
„Das Tor müßte gestrichen werden.“Eigentlich hatte er das Angebot nur aus Langeweile gemacht, dass der Zeltplatzbesitzer ihn gleich einspannen würde, damit hatte er nicht gerechnet. Nach und nach plaudern auch andere Dorfbewohner mit ihm und spannen ihn für kleinere Arbeiten ein...
Ich warf einen Blick auf das geöffnete Tor neben uns. Es bestand aus rotgetrichenen Stahlrohren und war an massiven Betonpfosten befestigt.
„Es ist schon gestrichen“, bemerkte ich.
„Falsche Farbe“, sagte er. „Es muß grün werden.“
„Ach so“, sagte ich. „Ich könnte es Ihnen streichen, wenn Sie möchten.“
„Wieviel würden Sie dafür haben wollen?“
„Die Bezahlung ist mir egal.“
„Aber Sie werden doch nicht umsonst arbeiten wollen?“
„Ich mache Ihnen einen Vorschlag“, sagte ich. „Sie erlassen mir dafür den Rest meiner Platzmiete, und wir sind quitt.“
„Sind Sie sicher?“
„Ja, bestimmt. Dann habe ich wenigstens eine Beschäftigung. Ich mag Anstreichen ganz gerne.“
„Um so besser“, sagte Mr. Parker. „Gut, wenn Sie fertig sind, kommen Sie doch am besten hoch zum Haus und ich suche Ihnen die Farbe und so weiter raus.“
( Magnus Mills: Indien kann warten S. 17)
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Kartoffellied IV
g. | Donnerstag, 5. August 2010, 07:39 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
Kartoffellied
Herbei, herbei zu meinem Sang!
Hans, Jörgel, Michel, Stoffel!
Und singt mit mir das Ehrenlied
Dem Stifter der Kartoffel.
Franz Drake hieß der brave Mann,
Der vor zweihundert Jahren
Von England nach Amerika
Als Kapitän gefahren.
Europa sollte diesem Mann
Auf allen seinen Auen,
Wo es nur je Kartoffeln pflanzt,
Ein goldnes Denkmal bauen.
Salat davon, gut angemacht,
Mit Feldsalat durchschossen,
Der wird mit großem Appetit
Von Jedermann genossen.
Gebrätelt schmecken sie auch gut,
In saurer Brüh' nicht minder,
Erdbirnenknöpfe essen gern
Die Eltern und die Kinder.
Hat Jemand sich die Haut verbrannt
Und hilft kein Feuersegen,
So darf er auf die Wunde nur
Kartoffelschabsig legen.
Und welche Wohlthat sind sie uns
Das Vieh damit zu mästen!
Und wie viel Sorten gibt's! Jedoch
Die gutsten sind die besten.
etc. etc.
Ein allgemeines Lob verdient
Der würdige Franz Drake
Vom Fürsten bis zum Bauersmann
Ob seinem Wohlgeschmacke.
(Ludwig Eichrodt)
1863 schrieb Eichrodt übrigens für den Lahrer »Hinkenden Boten«.
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Kartoffellied III
g. | Dienstag, 3. August 2010, 06:50 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
Das Lied von der verunglückten Kartoffel
Zur Nacht auf ihrem Lager lag
Eine arme, kranke Kartoffel.
Sie hob sich matt empor und sprach,
Sie sprach zu dem armen Stoffel:
»O Stoffel, unglücklicher Mann,
Ich fühl's, daß ich sterben werde!
Schon kommt der Tod, der schlimme, heran
Und rafft mich von der Erde.
Zwar frag ich nach mir selber nicht,
Nicht will ich mich bedauern.
Doch wenn ich schaue dein bleich Gesicht,
Da muß ich trauern und trauern.
Dir blüht kein Wein und Weizen nicht,
Hast weder Ochs noch Rinder,
O Stoffel, bist ein armer Wicht,
Du hast nur hungrige Kinder.
Was wird aus deinen Kindern nun,
Die fröhlich waren noch gestern,
Wenn ich bald werde im Grabe ruhn
Mit all meinen lieblichen Schwestern?
Sie starben in Ober- und Niederland,
Sie starben mit Weh und Gewinsel,
Sie starben an Englands weißem Strand
Und auf der smaragdenen Insel.
Sie starben, und ach, ich folg ihnen nach!
So sprach die kranke Kartoffel.
Sie schwieg, und das Herz, das Herz ihr brach –
Aufschluchzte der arme Stoffel
Und weinte die Nacht mit Weib und Kind,
Und der Hunger, der wollte nicht weichen.
Dumpf brauste der kalte Novemberwind
In den prächtigen deutschen Eichen.
(Georg Weerth)
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“I would prefer not to”
g. | Freitag, 30. Juli 2010, 07:19 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
Ist einer jener Sätze, die man sich für das eigene Leben tunlichst merken sollte.
“It was on the third day, I think, of his being with me, and before any necessity had arisen for having his own writing examined, that, being much hurried to complete a small affair I had in hand, I abruptly called to Bartleby. In my haste and natural expectancy of instant compliance, I sat with my head bent over the original on my desk, and my right hand sideways, and somewhat nervously extended with the copy, so that immediately upon emerging from his retreat, Bartleby might snatch it and proceed to business without the least delay.
In this very attitude did I sit when I called to him, rapidly stating what it was I wanted him to do—namely, to examine a small paper with me. Imagine my surprise, nay, my consternation, when without moving from his privacy, Bartleby in a singularly mild, firm voice, replied, “I would prefer not to.”
I sat awhile in perfect silence, rallying my stunned faculties. Immediately it occurred to me that my ears had deceived me, or Bartleby had entirely misunderstood my meaning. I repeated my request in the clearest tone I could assume. But in quite as clear a one came the previous reply, “I would prefer not to.”
“Prefer not to,” echoed I, rising in high excitement, and crossing the room with a stride. “What do you mean? Are you moon-struck? I want you to help me compare this sheet here—take it,” and I thrust it towards him.
“I would prefer not to,” said he.
(Herman Melville: Bartleby)
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Kartoffellied II
g. | Mittwoch, 28. Juli 2010, 07:52 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
Die Kartoffelernte
Kindlein, sammelt mit Gesang
Der Kartoffeln Überschwang!
Ob wir voll bis oben schütten
Alle Mulden, Körb' und Bütten;
Noch ist immer kein Vergang!
Wo man nur den Bulten hebt,
Schaut, wie voll es lebt und webt!
O die schöngekerbten Knollen,
Weiß und rot, und dick geschwollen!
Immer mehr, je mehr man gräbt!
Nicht umsonst in bunter Schau
Blüht' es rötlich, weiß und blau!
Ward gejätet, ward gehäufet:
Kindlein, Gottes Segen reifet!
Rief ich oft, und traf's genau!
Einst vom Himmel schaute Gott
Auf der Armen bittre Not:
Nahe ging's ihm; und was that er
Uns zum Trost, der gute Vater?
Regnet' er uns Mannabrot?
Nein, ein Mann ward ausgesandt,
Der die neue Welt erfand!
Reiche nennen's Land des Goldes:
Doch der Arme nennt's sein holdes
Nährendes Kartoffelland!
Nur ein Knöllchen eingesteckt,
Und mit Erde zugedeckt!
Unten treibt dann Gott sein Wesen!
Kaum sind Hände gnug zum Lesen,
Wie es unten wühlt und heckt!
Was ist nun für Sorge noch?
Klar im irdnen Napf und hoch,
Dampft Kartoffelschmaus für alle!
Unsre Milchkuh auch im Stalle
Nimmt ihr Teil, und brummt am Trog!
Aber, Kindlein, hört! ihr sollt
Nicht verschmähn das liebe Gold!
Habt ihr Gold, ihr könnt bei Haufen
Schöne Saatkartoffeln kaufen,
Grad' aus Holland, wenn ihr wollt!
(Johann Heinrich Voß 30. November 1794)
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Kartoffellied I
g. | Montag, 26. Juli 2010, 07:24 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
Kartoffellied
Pasteten hin, Pasteten her,
was kümmern uns Pasteten?
Die Kumme hier ist auch nicht leer
und schmeckt so gut als bonne chere
von Fröschen und von Kröten.
Und viel Pastet und Leckerbrot
verdirbt nur Blut und Magen.
Die Köche kochen lauter Not,
sie kochen uns viel eher tot;
Ihr Herren, laßt Euch sagen!
Schön rötlich die Kartoffeln sind
und weiß wie Alabaster!
Sie däun sich lieblich und geschwind
und sind für Mann und Frau und Kind
ein rechtes Magenpflaster.
(Matthias Claudius)
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