„Es muß was Schöns seyn um die Tugend“ IX
g. | Mittwoch, 18. April 2012, 06:52 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
Erklärung beyder hie für gemalter Teutscher Tugenden
J.F.
Standthafft vnd Treu, vnd Treu vnd Standschafft,
Die machen eyn Recht Teutsch verwandschafft:
Beständige Treuhertzigkeyt
Vnd Treuhertzig Beständigkeyt,
Wann die kommen zur Eynigkeyt,
So widerstehen sie allem Leyd;
Daher vnfer Vorfahren frei
Durch Redliche Standhaffte Treu
Schützten jr Freiheyt, Land vnd Leut,
Ja weiterten jhr Land auch weit,
Wie Lewen thäten sie bestan,
Wann sie eyn Feind thät greiffen an,
Vnd wann sie dann warn angegriffen,
Die Glegenheyt sie nicht verschlieffen,
Sonder dem Feind sie starck nachsetzten,
Auff daß sie jre Schart außwetzten,
Gleich wie eyn Adler starck nachziehet
Eym Raub, der jm mit list entfliehet.
Ja wie eyn Hund seins Herren Gut,
Darauff er ligt vnd hälts inn Hut,
Wider Frembde Treulich verwacht,
Also hatten sie auch inn acht
(Johann Baptist Fischart, genannt Mentzer)
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„Es muß was Schöns seyn um die Tugend“ VI
g. | Montag, 16. April 2012, 06:54 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
Ob die Jugend mit der Tugend schwesterlich verknüpfet sey? Diese Frage fiel mir eben an dem Neuen Jahre bey, welches Hofrath Juchens Kind, Jungfrau Jungfrau Magdalene, (da der Neid auch selber spricht: niemand tadelt diese Schöne.) mit vergnügten Augen siehet, und des Festes Jubel hält. Hat in diesen schlechten Zeilen vorgelegt und dargestellt.
1734.
Hochgeehrtes Frauenzimmer!
Diese Frage fällt mir bey:
Ob die Jugend mit der Tugend schwesterlich verbunden sey?
Eingermaßen lehrt die Zeit, daß sie Beyde keine Schwestern,
Denn die Jugend sucht ja oft auf der Tugend Glanz zu lästern.
Wo die Jahre denen Rosen und Narcissen ähnlich blühn,
Da muß oftermahls die Tugend in dem Streit den kürzern ziehn.
Jene Jungfer steht und liegt täglich wohlgebrüst am Fenster,
Und durchhechelt und verhöhnt alle lebende Gespenster.
(Sidonia Hedwig Zäunemann)
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„Es muß was Schöns seyn um die Tugend“ V
g. | Dienstag, 10. April 2012, 06:41 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
An die Tugend
Tugend, Licht im Erdenthale,
Funke Gottes, leuchte mir!
Deine Glorie umstrale
Meine Pfade für und für!
Lehre mich die Wahrheit trennen
Von des Irthums Schattenbild;
Lehre mich die Freude kennen,
Die aus deinem Frieden quillt!
Von der Gottheit Sonnenthrone
Kamst du mild zu uns herab,
Auf dem Haupt die Stralenkrone,
In der Hand den Herrscherstab.
Jedes Laster, niedrer Seelen
Flieht vor deinem reinen Blick
Zu den ewig finstern Höhlen
Der Avernos-Nacht zurück!
Du veredelst die Empfindung,
Du erhöhst der Liebe Glück,
Deine sichern Pfade führen
Den Verirrten bald zurück;
Selig, wem an deinem Busen
Heil'ger Freundschaft Blume blüht, ...
(Elise Sommer)
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„Es muß was Schöns seyn um die Tugend“ IV
g. | Montag, 2. April 2012, 06:41 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
Uebung in den drei christlichen Tugenden
Ich glaube, daß die Kirch' allein
Der Seelen hat zu walten,
Daß nur in ihrem lichten Schrein
Der Wahrheit Gut enthalten.
Ich glaube, daß die Priester, die
Sie an den Feind verraten,
Von Gott verworfen dort und hie
Als schnöde Apostaten.
Ich glaube, daß ein Sakrament,
Von solcher Hand bescheret,
Wie Glut des Höllenpfuhles brennt,
In Fluch den Segen kehret.
Ich glaub', daß es ein heil'ger Krieg
In dem wir jetzo streiten,
Und daß uns auf dem Weg zum Sieg
Voran die Engel schreiten.
Ich hoffe, daß der Tag nicht fern,
Der alles Unheil wendet!
Der Tag, an dem die Hand des Herrn
Das große Werk vollendet.
Ich hoffe, daß das Königskind,
Jetzt zu Paris gefangen,
(Betty Paoli)
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„Es muß was Schöns seyn um die Tugend“ III
g. | Dienstag, 27. März 2012, 06:51 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
Uber die unverletzliche Tugend
Das Vnglück endlich kan an Tugend mich nicht irren.
Es mundert sie vielmehr / bläst ihre Funken auf /
und bringt des Muhtes Hängst in dapffern Helden-Lauff.
wann es mir Tugend mehrt / so kan ich nichts verliehren.
Wann auf das äusserst auch die Sachen sich verwirren /
Saturnus / Mars / Mercur / selbst fallen über Hauff:
So spring' ich unverzagt mit freyen Füssen drauf.
Ihr Widerstand muß mir mein Siegs-Pracht erst recht zieren.
Bleibt GOtt allein mein Trost; so sey der Erden Trutz /
und allem Vngelück / mich wenigst zu verletzen!
weil sie die Fersen sticht / beginnt mich zu ergötzen
die Himmlisch Nectar Brust: und schweb in seinem Schutz.
muß ich schon alle Lust und Erden-Glück aufgeben.
so bleibt mir Tugend doch noch länger als mein Leben.
( Catharina Regina von Greiffenberg : Geistliche Sonnette, Lieder und Gedichte)
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„Es muß was Schöns seyn um die Tugend“ II
g. | Montag, 5. März 2012, 05:06 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
Ziffel meint:
„Ich habe mir gelegentlich ein paar Tugenden angeschafft, für den Privatgebrauch, nichts Hervorragendes oder Teures, alles zum Verschleiß.“
(B. Brecht Flüchtlingsgespräche Werkausgabe ES Bd. 14, S. 1422)
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„Es muß was Schöns seyn um die Tugend“
g. | Donnerstag, 1. März 2012, 05:53 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
Hauptmann auf einem Stuhl, Woyzeck rasirt ihn.
HAUPTMANN. Langsam, Woyzeck, langsam; ein's nach dem andern. Er macht mir ganz schwindlich. Was soll ich dann mit den zehn Minuten anfangen, die Er heut zu früh fertig wird? Woyzeck, bedenk' Er, Er hat noch seine schöne dreißig Jahr zu leben, dreißig Jahr! macht 360 Monate, und Tage, Stunden, Minuten! Was will Er denn mit der ungeheuren Zeit all anfangen? Theil Er sich ein, Woyzeck.
WOYZECK. Ja wohl, Herr Hauptmann.
HAUPTMANN. Es wird mir ganz angst um die Welt, wenn ich an die Ewigkeit denke. Beschäftigung, Woyzeck, Beschäftigung! ewig das ist ewig, das ist ewig, das siehst du ein; nun ist es aber wieder nicht ewig und das ist ein Augenblick, ja, ein Augenblick – Woyzeck, es schaudert mich, wenn ich denk, daß sich die Welt in einem Tag herumdreht, was n'e Zeitverschwendung, wo soll das hinaus? Woyzeck, ich kann kein Mühlrad mehr sehn, oder ich werd' melancholisch.
WOYZECK. Ja wohl, Herr Hauptmann.
HAUPTMANN. Woyzeck Er sieht immer so verhetzt aus. Ein guter Mensch thut das nicht, ein guter Mensch, der sein gutes Gewissen hat. – Red' Er doch was Woyzeck. Was ist heut für Wetter?
WOYZECK. Schlimm, Herr Hauptmann, schlimm; Wind.
HAUPTMANN. Ich spür's schon, s' ist so was Geschwindes draußen; so ein Wind macht mir den Effect wie eine Maus. Pfiffig. Ich glaub' wir haben so was aus Süd-Nord.
WOYZECK. Ja wohl, Herr Hauptmann.
HAUPTMANN. Ha! ha! ha! Süd-Nord! Ha! Ha! Ha! O Er ist dumm, ganz abscheulich dumm. Gerührt. Woyzeck, Er ist ein guter Mensch, ein guter Mensch – aber Mit Würde. Woyzeck, Er hat keine Moral! Moral das ist wenn man moralisch ist, versteht Er. Es ist ein gutes Wort. Er hat ein Kind, ohne den Segen der Kirche, wie unser hochehrwürdiger Herr Garnisonsprediger sagt, ohne den Segen der Kirche, es ist nicht von mir.
WOYZECK. Herr Hauptmann, der liebe Gott wird den armen Wurm nicht drum ansehn, ob das Amen drüber gesagt ist, eh' er gemacht wurde. Der Herr sprach: Lasset die Kindlein zu mir kommen.
HAUPTMANN. Was sagt Er da? Was ist das für n'e kuriose Antwort? Er macht mich ganz confus mit seiner Antwort. Wenn ich sag: Er, so mein ich Ihn, Ihn.
WOYZECK. Wir arme Leut. Sehn Sie, Herr Haupt mann, Geld, Geld. Wer kein Geld hat. Da setz eimal einer seinsgleichen auf die Moral in die Welt. Man hat auch sein Fleisch und Blut. Unseins ist doch einmal unseelig in der und der andern Welt, ich glaub' wenn wir in Himmel kämen so müßten wir donnern helfen.
HAUPTMANN. Woyzeck Er hat keine Tugend, Er ist kein tugendhafter Mensch. Fleisch und Blut? Wenn ich am Fenster lieg, wenn's geregnet hat und den weißen Strümpfen so nachsehe wie sie über die Gassen springen, – verdammt Woyzeck, – da kommt mir die Liebe. Ich hab auch Fleisch und Blut. Aber Woyzeck, die Tugend, die Tugend! Wie sollte ich dann die Zeit herumbringen? ich sag' mir immer: Du bist ein tugendhafter Mensch, Gerührt. ein guter Mensch, ein guter Mensch.
WOYZECK. Ja Herr Hauptmann, die Tugend! ich hab's noch nicht so aus. Sehn Sie, wir gemeine Leut, das hat keine Tugend, es kommt einem nur so die Natur, aber wenn ich ein Herr wär und hätt ein Hut und eine Uhr und eine anglaise und könnt vornehm reden, ich wollt schon tugendhaft seyn. Es muß was Schöns seyn um die Tugend, Herr Hauptmann. Aber ich bin ein armer Kerl.
HAUPTMANN. Gut Woyzeck. Du bist ein guter Mensch, ein guter Mensch. Aber du denkst zuviel, das zehrt, du siehst immer so verhetzt aus. Der Diskurs hat mich ganz angegriffen. Geh' jezt und renn nicht so; langsam hübsch langsam die Straße hinunter.
( Georg Büchner: Woyzeck (1836)[H4, Szene 5])
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Aus aktuellem Anlass
g. | Montag, 20. Februar 2012, 05:30 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
„Tönt ein Lied aus leeren Fenstern.
Trägt’s der Wind von Wand zu Wand,
um dort klagend zu gespenstern:
»Bimbesland, Bimbesland!«“
(Robert Gernhardt Berliner Zehner)
Bei uns, liebe Griechen, ist alles anders.
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Naslöcher XVII
g. | Mittwoch, 15. Februar 2012, 05:38 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
„Damit ging er auf den Turm, aber der leichtfertige Isidoro hatte das Seil mit Menschenkot überschmieren lassen, davon der Gaukler in seiner Herabkunft dermaßen gestunken, daß das Frauenzimmer die Naslöcher mit den Servetten verstopfen mußten, darüber sich Isidoro und Ludwig fast krank gelachet.“
(Johann Beer: Teutsche Winter-Nächt)
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Naslöcher XVI
g. | Mittwoch, 1. Februar 2012, 05:45 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
„Rinaldo RinaldiniSie können das Lied auch nach der folgenden Melodie singen und über die Entstehung und Überlieferung der schauerlichen Moritat von des Schneiders Höllenfahrt können Sie sich hier näher informieren.
Es wollt ein Schneider wandern,
Am Montag in der Fruh,
Begegnet ihm der Teufel,
Hat weder Strümpf noch Schuh':
He, he, du Schneiderg'sell,
Du mußt mit mir in die Höll,
Du mußt uns Teufel kleiden,
Es gehe wie es wöll.
Sobald der Schneider in die Höll kam,
Nahm er seinen Ehlenstab,
Er schlug den Teuflen Buckel voll,
Die Hölle auf und ab:
He, he, du Schneidergesell,
Mußt wieder aus der Höll,
Wir brauchen nicht zu messen;
Es gehe wie es wöll.
Nachdem er all gemessen hat,
Nahm er seine lange Scheer
Und stuzt den Teuflen d' Schwänzlein ab
Sie hüpfen hin und her.
He, he du Schneiderg'sell,
Pack dich nur aus der Höll,
Wir brauchen nicht das Stuzen,
Es gehe wie es wöll.
Da zog er's Bügeleisen raus,
Und warf es in das Feuer,
Er streicht den Teuflen die Falten aus,
Sie schrieen ungeheuer:
He, he du Schneiderg'sell,
Geh du nur aus der Höll,
Wir brauchen nicht zu bügeln,
Es gehe wie es wöll.
Er nahm den Pfriemen aus dem Sack,
Und stach sie in die Köpf,
Er sagt, halt still, ich bin schon da,
So sezt man bei uns Knöpf:
He, he, du Schneiderg'sell,
Geh einmal aus der Höll,
Wir brauchen nicht zu kleiden,
Es geh nun wie es wöll.
Drauf nahm er Nadl und Fingerhut,
Und fängt zu stechen an,
Er flickt den Teufeln die Naslöcher zu.
So eng er immer kan:
He, he, du Schneidergesell,
Pack dich nur aus der Höll,
Wir können nimmer riechen,
Es geh nun wie es wöll.
Darauf fängt er zu schneiden an,
Das Ding hat ziemlich brennt,
Er hat den Teuflen mit Gewalt
Die Ohrlappen aufgetrennt:
He, he, du Schneiderg'sell,
Marschir nur aus der Höll,
Sonst brauchen wir den Bader,
Es geh nun wie es wöll.
Nach diesem kam der Lucifer,
Und sagt: es ist ein Graus,
Kein Teufel hat kein Schwänzerl mehr,
Jagt ihn zur Höll hinaus:
He, he, du Schneiderg'sell,
Pack dich nur aus der Höll,
Wir brauchen keine Kleider,
Es geh nun wie es wöll.
Nachdem er nun hat aufgepackt,
Da war ihm erst recht wohl,
Er hüpft und springet unverzagt,
Lacht sich den Buckel voll,
Ging eilends aus der Höll,
Und blieb ein Schneiderg'sell;
Drum holt der Teufel kein Schneider mehr,
Er stehl so viel er wöll.“
(Clemens Brentano/Achim von Arnim: Des Knaben Wunderhorn)
Seinerzeit, 1976, in Wyhl, wurde das Lied wieder aufgegriffen.
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