Kommst du ans Ende der Welt, bist du kurz vor Bielefeld.
g. | Dienstag, 19. Juli 2011, 06:42 | Themenbereich: 'Begegnungen'
Mein Personalsachbearbeiter grüßt mich freundlich:
„Schönen Feierabend.“
„Danke, gleichfalls. Na, auf dem Weg nach Stralsund?“ (Er hatte sich vor ein paar Jahren ein Häuschen im Speckgürtel von Berlin gekauft. Mir wäre es ja zu weit, jeden Morgen und jeden Abend über eine Stunde mit der Regionalbahn.)
„Stralsund? Ne, ne, falsche Richtung, ich wohne im Westen.“
„Na o.k. dann Richtung Hannover.“
Er lacht. Wir unterhalten uns ein wenig über Fahrzeiten und das Wohnen im Grünen, über Großstadt und das Leben in Neubausiedlungen im Speckgürtel:
„Gibt es außer Trappen und Kartoffeln noch etwas anderes in deinem Dorf?“
„Kann man beides essen. Ich will mir ja Hühner anschaffen, wenn ich in Rente gehe und etwas Landwirtschaft betreiben.“
Ich habe es ja nicht so mit dem Gärtnern, um unseren Balkon muss sich meine Frau kümmern und auch eine Lebensperspektive in einem Dorf oder genauer gesagt, in einer Ansiedlung um einen Dorfrest herum, wie sie in den Ortschaften um Berlin herum seit der Wiedervereinigung entstanden sind, finde ich wenig attraktiv. Mit 80% Stadtflüchtlingen in einem Restgemeinwesen von gewachsener Dorfgemeinschaft, das misstrauisch auf die Zugezogenen blickt? Da könnte man gleich in eine Gated Community in den Prenzlauer Berg ziehen. Ach wissense Ne, ne, ne!
„Schönen Feierabend.“
„Danke, gleichfalls. Na, auf dem Weg nach Stralsund?“ (Er hatte sich vor ein paar Jahren ein Häuschen im Speckgürtel von Berlin gekauft. Mir wäre es ja zu weit, jeden Morgen und jeden Abend über eine Stunde mit der Regionalbahn.)
„Stralsund? Ne, ne, falsche Richtung, ich wohne im Westen.“
„Na o.k. dann Richtung Hannover.“
Er lacht. Wir unterhalten uns ein wenig über Fahrzeiten und das Wohnen im Grünen, über Großstadt und das Leben in Neubausiedlungen im Speckgürtel:
„Gibt es außer Trappen und Kartoffeln noch etwas anderes in deinem Dorf?“
„Kann man beides essen. Ich will mir ja Hühner anschaffen, wenn ich in Rente gehe und etwas Landwirtschaft betreiben.“
Ich habe es ja nicht so mit dem Gärtnern, um unseren Balkon muss sich meine Frau kümmern und auch eine Lebensperspektive in einem Dorf oder genauer gesagt, in einer Ansiedlung um einen Dorfrest herum, wie sie in den Ortschaften um Berlin herum seit der Wiedervereinigung entstanden sind, finde ich wenig attraktiv. Mit 80% Stadtflüchtlingen in einem Restgemeinwesen von gewachsener Dorfgemeinschaft, das misstrauisch auf die Zugezogenen blickt? Da könnte man gleich in eine Gated Community in den Prenzlauer Berg ziehen. Ach wissense Ne, ne, ne!
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Tja!
g. | Donnerstag, 14. Juli 2011, 07:08 | Themenbereich: 'Begegnungen'
Ein Herr, etwa in meinem Alter, setzt sich in der Bahn neben mich. Er kaut angewidert auf dem roten Fladen eines bekannten Bahnhofsausstatters herum.
Ich so: „Schmeckt nicht?“
Er so: „Schmeckt Scheiße!“
Ich so: „Also ...“
„Das anderen Zeug, was es gab, ist auch nicht besser.“
„Also ich, ...“
„Zu Hause hab ich nix.“
Ich sehe ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.
„Da müsst ich an die Tanke und da gibt es auch nur Dreck zu fressen.“
Ich so: „Tja!“
Ich so: „Schmeckt nicht?“
Er so: „Schmeckt Scheiße!“
Ich so: „Also ...“
„Das anderen Zeug, was es gab, ist auch nicht besser.“
„Also ich, ...“
„Zu Hause hab ich nix.“
Ich sehe ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.
„Da müsst ich an die Tanke und da gibt es auch nur Dreck zu fressen.“
Ich so: „Tja!“
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Krasse Krawatte
g. | Donnerstag, 23. Juni 2011, 06:20 | Themenbereich: 'Begegnungen'
Eine junge Frau, Anfang 20, mit signalgelben Haaren (also nicht blond, Honigfarben oder Zitronengelb. Im Zug, etwas später, sah ich dann einen Ingenieur der DB, der einen Schutzhelm in der gleichen Farbe trug.) schneidet mir den Weg ab und versucht mich als Spender für ihre Hilfsorganisation zu schanghaien. In meinen Gedanken wappne ich mich schon mit dem Satz: ‚An Organisationen, die mir Drückerkolonnen auf den Hals hetzen, spende ich grundsätzlich nichts.“
Sie bleibt vor mir stehen und ruft verzückt:
„Krasse Krawatte, Mann!“
So krass finde ich sie nun doch nicht.
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Sturmesbrausen, Regen
g. | Mittwoch, 11. Mai 2011, 06:18 | Themenbereich: 'Begegnungen'
Ein unbeampelter Fußgängerüberweg und eine alte Dame mit Rollator, die forsch die vierspurige Hauptverkehrsstraße überquert. ‚Gutes Auge, Junge Frau‘ dachte ich noch bevor sie einige Meter weiter in einem Hauseingang verschwand.
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Mutter und Kind vor einem Imbiss:
g. | Donnerstag, 28. April 2011, 07:18 | Themenbereich: 'Begegnungen'
„Dschörrmain, kommst du sofort her!“Warum geben die Leute ihren Kindern französischen Vornamen und sprechen sie dann englisch aus? Na sei’s drum. Was sagten Sie gerade?
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Im Gehen lesen
g. | Dienstag, 19. April 2011, 06:26 | Themenbereich: 'Begegnungen'
Die zwölfjährige Nachbartochter blockiert das Treppenhaus, weil sie so langsam geht und gehen muss, dass sie die Zeilen beim Lesen nicht verliert. Ein Schuft wer das unterbricht und versucht zu überholen.
Als ich in dem Alter war, habe ich meine Abenteuerromane auch gelegentlich auf dem Nachhauseweg versucht zu lesen. Irgendwann stellt man dann fest, dass das auch mit sehr großer Übung nicht klappt. Entweder fällt man auf die Fresse oder man braucht Stunden, um nach Hause zu kommen. Die doppelte Konzentration führt leider auch dazu, dass man die Handlung nicht behalten kann und dann auf der Couch die entsprechenden Abschnitte doch nochmals lesen muss. Mit anderen Worten: Auch wenn man es nicht erwarten kann, wie es weiter geht, bleibt einem nichts anderes übrig als das Buch zusammen zu klappen und erst zu Hause weiter zu lesen. Eine Scheiße aber auch.
Als ich in dem Alter war, habe ich meine Abenteuerromane auch gelegentlich auf dem Nachhauseweg versucht zu lesen. Irgendwann stellt man dann fest, dass das auch mit sehr großer Übung nicht klappt. Entweder fällt man auf die Fresse oder man braucht Stunden, um nach Hause zu kommen. Die doppelte Konzentration führt leider auch dazu, dass man die Handlung nicht behalten kann und dann auf der Couch die entsprechenden Abschnitte doch nochmals lesen muss. Mit anderen Worten: Auch wenn man es nicht erwarten kann, wie es weiter geht, bleibt einem nichts anderes übrig als das Buch zusammen zu klappen und erst zu Hause weiter zu lesen. Eine Scheiße aber auch.
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„Macht es mir nicht zu schwer!“
g. | Donnerstag, 14. April 2011, 10:22 | Themenbereich: 'Begegnungen'
Den Sinn des Lebens zu ergründen ist wahrlich nicht leicht. Auf die Frage woher wir kommen mag die Biologie oder die Geschichte noch eine Antwort parat haben, wohin wir gehen ist da schon schwieriger zu beantworten: wahrscheinlich läuft es auf mehr Tja als weiß nicht hinaus.
Die Frage wohin wir gehen sollen beantworten viele Leute mit vielen sehr bestimmten und sehr unterschiedlichen Vorstellungen.
Vor einigen Tagen traf ich eine Kollegin von übern Flur im Aufzug und wie das so nach der Arbeit auf dem Weg zur Bahn ist, plauderten wir übers Abendessen.
Sie hatte Gäste am Abend und wollte Hackfleischbällchen auf spanische Art, also Albondigas, kochen.
Wir tauschten Zubereitungsarten aus und plötzlich brach es aus ihr heraus:
„Mein Mann isst ja keine Säugetiere mehr.“
„Aha und warum? Ich mein, warum sollte man Fische oder Vögel essen, aber keine Säugetiere?“
„So genau weiß ich das auch nicht. Es ist wohl so eine Art Kompromiss. Er isst Fleischwirklich gerne, will es aber eigentlich nicht.“
„Oh je, ich bin ja in der glücklichen Lage, dass meine Herzallerliebste so ziemlich alles isst. Also: Alles was schmeckt. Wenn ich das Abendessen anbrennen lasse, natürlich nicht.“
„Schon klar. Du kochst jeden Abend?“
„Ja.“
Wir unterhielten uns noch ein wenig über Eventkocher und Kocher für den täglichen Hunger und welche Hausarbeiten man lieber und welche man weniger gerne erledigt.
„Meine Tochter stopft glücklicherweise alles in sich hinein. Das würde mir gerade noch fehlen, dass sie Vegetarierin wird. Gedroht hat sie ja schon damit. Ich habe dann zu den beiden gesagt: Macht es mir nicht zu schwer. Ich kann nicht jeden Abend Unterschiedliches für die Familie kochen, da werde ich ja verrückt bei!“
Ja, da würde ich auch verrückt bei.
Die Frage wohin wir gehen sollen beantworten viele Leute mit vielen sehr bestimmten und sehr unterschiedlichen Vorstellungen.
Vor einigen Tagen traf ich eine Kollegin von übern Flur im Aufzug und wie das so nach der Arbeit auf dem Weg zur Bahn ist, plauderten wir übers Abendessen.
Sie hatte Gäste am Abend und wollte Hackfleischbällchen auf spanische Art, also Albondigas, kochen.
Wir tauschten Zubereitungsarten aus und plötzlich brach es aus ihr heraus:
„Mein Mann isst ja keine Säugetiere mehr.“
„Aha und warum? Ich mein, warum sollte man Fische oder Vögel essen, aber keine Säugetiere?“
„So genau weiß ich das auch nicht. Es ist wohl so eine Art Kompromiss. Er isst Fleischwirklich gerne, will es aber eigentlich nicht.“
„Oh je, ich bin ja in der glücklichen Lage, dass meine Herzallerliebste so ziemlich alles isst. Also: Alles was schmeckt. Wenn ich das Abendessen anbrennen lasse, natürlich nicht.“
„Schon klar. Du kochst jeden Abend?“
„Ja.“
Wir unterhielten uns noch ein wenig über Eventkocher und Kocher für den täglichen Hunger und welche Hausarbeiten man lieber und welche man weniger gerne erledigt.
„Meine Tochter stopft glücklicherweise alles in sich hinein. Das würde mir gerade noch fehlen, dass sie Vegetarierin wird. Gedroht hat sie ja schon damit. Ich habe dann zu den beiden gesagt: Macht es mir nicht zu schwer. Ich kann nicht jeden Abend Unterschiedliches für die Familie kochen, da werde ich ja verrückt bei!“
Ja, da würde ich auch verrückt bei.
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... am Nebentisch
g. | Freitag, 8. April 2011, 06:46 | Themenbereich: 'Begegnungen'
Einer der Herren hatte wohl ein Nachbarschaftsfest auf der Privatstraße, aber mit öffentlichem Wegerecht, zwischen seinem und dem Nachbargrundstück organisieren wollen. Ein anderer Nachbar war früher Kommunalbeamter und wollte aus alter Verbundenheit mit seiner Profession bei der Ordnungsbehörde eine Genehmigung einholen, Recht muss schließlich Recht bleiben.
Das war ein großer Fehler.
Schon das erste Telefonat mit der Gemeinde wurde zum Desaster. Auf die Frage, wie sie denn die Straße absperren wollen, sagte er in aller Unschuld:
„Wir stellen einen Stuhl hin.“ Die Dame vom Amt wurde aufgeregt und befahl im unmissverständlich, dass nur eine ordnungsgemäße Sicherung für die Straße in Frage käme, auch ein einfaches Absperrband sei nicht ausreichend.
„Aber außer uns fährt dort doch niemand!“ und eine Sackgasse wäre es obendrein.
Wie es denn mit Parkplätzen stünde.
Parkplätze? Aber nein, aber nein, es kämmen doch nur die Nachbarn und die zu Fuß. Warum sollte man auch zum Nachbarschaftsfest mit dem Auto anreißen?
Und wie den die Verkehrsführung während der fraglichen Zeit geregelt sei?
„Verkehr? Welcher Verkehr?“
Je nun, man einigte sich, dass eine Lageskizze mit allen wesentlichen Angaben beim Amt eingereicht werden müsse, innerhalb von 14 Tagen würde dann ein Bescheid ergehen.
So geschah es und schon innerhalb einer Woche war der Ablehnungsbescheid im Briefkasten.
Dem Antrag könne nicht stattgegeben werden, da ein „anhörungsfähiger Beschilderungsplan“ fehle. Gegen diesen Bescheid ist innerhalb einer Frist von … Widerspruch möglich, werde auch der Widerspruch abgelehnt, stünde der Rechtsweg offen, Adresse des zuständigen Verwaltungsgerichts, beiliegend ein Gebührenbescheid über 100 Euro.
Tosendes Gelächter am Nebentisch.
„So kann es gehen, wenn man sich ordnungsgemäß verhält.“
„Die machen mich wahnsinnig.“
„Am schönsten fand ich den „nicht anhörungsfähiger Beschilderungsplan“, was ist den das?“
„Ach was weiß ich? Vielleicht legen die das dem Gemeinderat vor?“
„Ich kannte mal jemand, der war für „nicht genehmigungsbedürftige Lärmemissionen“ zuständig. Da braucht man auch eine Zeit, bis man das verstanden hat.“
Brüllendes Gelächter dazwischen. Leider habe ich nicht alles verstanden, vor allem nicht, wie es sich weiter entwickelt hat, aber die Herren hatten offensichtlich viel Spaß.
Das war ein großer Fehler.
Schon das erste Telefonat mit der Gemeinde wurde zum Desaster. Auf die Frage, wie sie denn die Straße absperren wollen, sagte er in aller Unschuld:
„Wir stellen einen Stuhl hin.“ Die Dame vom Amt wurde aufgeregt und befahl im unmissverständlich, dass nur eine ordnungsgemäße Sicherung für die Straße in Frage käme, auch ein einfaches Absperrband sei nicht ausreichend.
„Aber außer uns fährt dort doch niemand!“ und eine Sackgasse wäre es obendrein.
Wie es denn mit Parkplätzen stünde.
Parkplätze? Aber nein, aber nein, es kämmen doch nur die Nachbarn und die zu Fuß. Warum sollte man auch zum Nachbarschaftsfest mit dem Auto anreißen?
Und wie den die Verkehrsführung während der fraglichen Zeit geregelt sei?
„Verkehr? Welcher Verkehr?“
Je nun, man einigte sich, dass eine Lageskizze mit allen wesentlichen Angaben beim Amt eingereicht werden müsse, innerhalb von 14 Tagen würde dann ein Bescheid ergehen.
So geschah es und schon innerhalb einer Woche war der Ablehnungsbescheid im Briefkasten.
Dem Antrag könne nicht stattgegeben werden, da ein „anhörungsfähiger Beschilderungsplan“ fehle. Gegen diesen Bescheid ist innerhalb einer Frist von … Widerspruch möglich, werde auch der Widerspruch abgelehnt, stünde der Rechtsweg offen, Adresse des zuständigen Verwaltungsgerichts, beiliegend ein Gebührenbescheid über 100 Euro.
Tosendes Gelächter am Nebentisch.
„So kann es gehen, wenn man sich ordnungsgemäß verhält.“
„Die machen mich wahnsinnig.“
„Am schönsten fand ich den „nicht anhörungsfähiger Beschilderungsplan“, was ist den das?“
„Ach was weiß ich? Vielleicht legen die das dem Gemeinderat vor?“
„Ich kannte mal jemand, der war für „nicht genehmigungsbedürftige Lärmemissionen“ zuständig. Da braucht man auch eine Zeit, bis man das verstanden hat.“
Brüllendes Gelächter dazwischen. Leider habe ich nicht alles verstanden, vor allem nicht, wie es sich weiter entwickelt hat, aber die Herren hatten offensichtlich viel Spaß.
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Der H., die Schule und der Buddhismus
g. | Dienstag, 29. März 2011, 08:25 | Themenbereich: 'Begegnungen'
Nicht dass Sie denken, die Erzählung von Jean Stubenzweig hätte etwas mit meiner Erinnerung hier zu tun hat, sie war nur der Anlass, dass mir der H. wieder ins Gedächtnis gerutscht ist.
Also der H. oder nein, beginnen wir an einer anderen Stelle.
Drogen, genauer nicht handelsübliche Drogen, waren nie so mein Ding. Selbst als Schüler war mir klar, dass das seine Grenzen haben muss. Diese notwendig einzuhaltenden Grenzen waren dem einen oder anderen Mitschüler leider egal. So experimentierten sie mit Bilsenkraut und Peyote und irgendeinem Stimulans für Rinder aus den USA, dessen Name ich vergessen habe. Mit anderen Worten, es gab eine gewisse Lässigkeit beim Drogenkonsum.
Der H. nun, experimentierte nicht, sondern nahm was er kriegen konnte: Mescalin, Heroin, Grass, Lysergsäure und was es sonst noch anregendes auf der Welt gibt. Nur Bier und Wein, das ließ er sein. Das ist ihm nicht bekommen.
Er roch in der großen Pause anstatt seine Stullen zu essen lieber an einer Rose, inhalierte ihren Duft tief in seine Lungen, um das Eingesogene dann stößchenweise wieder von sich zu geben. Wenn jemand an ihm vorbeiging, tat er kund:
„Das ist schön. Es macht mich glücklich.“ Wenn man dann am Brot kauend gegenkündete: „Joh, Rosen sind schon toll.“ erzählte er einem seine Erfahrungen mit dem Buddhismus. Entspannt seien sie, die Buddhisten, im Hier und Jetzt lebend und nicht so sehr aufs Geld aus wie hier die Leute. Sie strebten nach Einheit mit dem Kosmos und er habe sich jetzt ebenfalls auf den Weg gemacht diese Einheit zu erfahren. „Hmm!“ versuchten einige ihm zuzustimmen und sich mit ihrem Käsebrot auf eine andere Ecke des Schulhofes zu verdrücken. Der H. war ja eigentlich nett, aber eben auch anstrengend und besonders anstrengend war er, wenn er seine buddhistische Stunde hatte.
Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob er vor seinen Drogenexzessen anders war, mir ist nur in Erinnerung, dass wir ihn davon abhalten wollten alles in beliebiger Kombination auszuprobieren. Wir hatten zwar Carlos Castaneda gelesen, mochten aber den ganzen Thesen von der Bewusstseinserweiterung und den neuen Erfahrungen und Rhabarber und Kram nicht folgen. Nun ja, die Meisten wollten das nicht. H. ließ sich davon immer mehr in den Bann ziehen und da wir es ihm ausreden wollten, suchte er sich andere Freunde. In der Schule traf man sich natürlich noch, der Kontakt zu ihm brach jedoch nach und nach ab. Eines Tages stellten wir fest, dass er nur noch in seiner eigenen Welt lebte. Er hatte seinen Pfad des Wissens beschritten.
Die Lehrer an unserer Schule bekamen nach einigen Monaten auch mit, dass H. seltsam und verschlossen wirkte, aber da für sie viele ihrer Schüler seltsam und verschlossen wirkten, ignorierten sie ihn zunächst und als er immer auffälliger wurde, machten sie ihm Druck.
Er wurde öfter als andere im Unterricht dran genommen und fing sich selbstverständlich einen Vermerk im Klassenbuch ein. Bei Klassenarbeiten fehlte er meist, so dass sie über die Benotung keinen Druck auf ihn ausüben konnten. Noten waren ihm egal. Versetzung war ihm egal. Dass er in zwei Jahren dann von der Schule musste war ihm klar und es war ihm egal. So konnten sie ihm nichts anhaben. Er war bedürfnislos und frei. Das machte viele unserer Lehrer rasend.
Sie konnten ihn nur im Unterricht zwiebeln.
Ich erinnere mich an einen Morgen. H. kam ohne Tasche, denn auf die Wahrung des Anscheins hatte er seit einiger Zeit verzichtet. Er setzte sich an seinen Platz in der Mitte des Klassenraums und träumte in die Welt.
Der Unterricht begann. Ich glaube es war Englisch und wir sollten Konversation üben, wahrscheinlich irgend sowas wie „What did you do after Dinner?“ oder Holidays oder was weiß ich. Der Englischlehrer hatte es sich anscheinend vorher sehr schön ausgemalt und fing die Befragung in der Reihe, in der H. saß, an. Einer nach dem Anderen leierte genervt seinen Sermon herunter. Wir ahnten was kommen würde. Dann war H. an der Reihe:
„Now it’s your turn!“
H. reagierte nicht. Der Lehrer wiederholte seine Aufforderung. H. träumte im Klassenraum herum und hatte nichts mitbekommen. Der Lehrer brüllte los. H. schreckte zusammen und murmelte verstört:
„Was wollen Sie den von mir, ich will doch hier nur sitzen. Ich hab‘ doch nix schlimmes gemacht?“
Die Brüllerei ging weiter, der Direktor wurde geholt und H. für den Tag vom Unterricht suspendiert. Es war ihm egal. Er setzte sich einfach auf den Rasen vor der Schule und wartete bis der Unterricht zu Ende war. Dann ging er wie jeden Tag nach Hause.
Also der H. oder nein, beginnen wir an einer anderen Stelle.
Drogen, genauer nicht handelsübliche Drogen, waren nie so mein Ding. Selbst als Schüler war mir klar, dass das seine Grenzen haben muss. Diese notwendig einzuhaltenden Grenzen waren dem einen oder anderen Mitschüler leider egal. So experimentierten sie mit Bilsenkraut und Peyote und irgendeinem Stimulans für Rinder aus den USA, dessen Name ich vergessen habe. Mit anderen Worten, es gab eine gewisse Lässigkeit beim Drogenkonsum.
Der H. nun, experimentierte nicht, sondern nahm was er kriegen konnte: Mescalin, Heroin, Grass, Lysergsäure und was es sonst noch anregendes auf der Welt gibt. Nur Bier und Wein, das ließ er sein. Das ist ihm nicht bekommen.
Er roch in der großen Pause anstatt seine Stullen zu essen lieber an einer Rose, inhalierte ihren Duft tief in seine Lungen, um das Eingesogene dann stößchenweise wieder von sich zu geben. Wenn jemand an ihm vorbeiging, tat er kund:
„Das ist schön. Es macht mich glücklich.“ Wenn man dann am Brot kauend gegenkündete: „Joh, Rosen sind schon toll.“ erzählte er einem seine Erfahrungen mit dem Buddhismus. Entspannt seien sie, die Buddhisten, im Hier und Jetzt lebend und nicht so sehr aufs Geld aus wie hier die Leute. Sie strebten nach Einheit mit dem Kosmos und er habe sich jetzt ebenfalls auf den Weg gemacht diese Einheit zu erfahren. „Hmm!“ versuchten einige ihm zuzustimmen und sich mit ihrem Käsebrot auf eine andere Ecke des Schulhofes zu verdrücken. Der H. war ja eigentlich nett, aber eben auch anstrengend und besonders anstrengend war er, wenn er seine buddhistische Stunde hatte.
Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob er vor seinen Drogenexzessen anders war, mir ist nur in Erinnerung, dass wir ihn davon abhalten wollten alles in beliebiger Kombination auszuprobieren. Wir hatten zwar Carlos Castaneda gelesen, mochten aber den ganzen Thesen von der Bewusstseinserweiterung und den neuen Erfahrungen und Rhabarber und Kram nicht folgen. Nun ja, die Meisten wollten das nicht. H. ließ sich davon immer mehr in den Bann ziehen und da wir es ihm ausreden wollten, suchte er sich andere Freunde. In der Schule traf man sich natürlich noch, der Kontakt zu ihm brach jedoch nach und nach ab. Eines Tages stellten wir fest, dass er nur noch in seiner eigenen Welt lebte. Er hatte seinen Pfad des Wissens beschritten.
Die Lehrer an unserer Schule bekamen nach einigen Monaten auch mit, dass H. seltsam und verschlossen wirkte, aber da für sie viele ihrer Schüler seltsam und verschlossen wirkten, ignorierten sie ihn zunächst und als er immer auffälliger wurde, machten sie ihm Druck.
Er wurde öfter als andere im Unterricht dran genommen und fing sich selbstverständlich einen Vermerk im Klassenbuch ein. Bei Klassenarbeiten fehlte er meist, so dass sie über die Benotung keinen Druck auf ihn ausüben konnten. Noten waren ihm egal. Versetzung war ihm egal. Dass er in zwei Jahren dann von der Schule musste war ihm klar und es war ihm egal. So konnten sie ihm nichts anhaben. Er war bedürfnislos und frei. Das machte viele unserer Lehrer rasend.
Sie konnten ihn nur im Unterricht zwiebeln.
Ich erinnere mich an einen Morgen. H. kam ohne Tasche, denn auf die Wahrung des Anscheins hatte er seit einiger Zeit verzichtet. Er setzte sich an seinen Platz in der Mitte des Klassenraums und träumte in die Welt.
Der Unterricht begann. Ich glaube es war Englisch und wir sollten Konversation üben, wahrscheinlich irgend sowas wie „What did you do after Dinner?“ oder Holidays oder was weiß ich. Der Englischlehrer hatte es sich anscheinend vorher sehr schön ausgemalt und fing die Befragung in der Reihe, in der H. saß, an. Einer nach dem Anderen leierte genervt seinen Sermon herunter. Wir ahnten was kommen würde. Dann war H. an der Reihe:
„Now it’s your turn!“
H. reagierte nicht. Der Lehrer wiederholte seine Aufforderung. H. träumte im Klassenraum herum und hatte nichts mitbekommen. Der Lehrer brüllte los. H. schreckte zusammen und murmelte verstört:
„Was wollen Sie den von mir, ich will doch hier nur sitzen. Ich hab‘ doch nix schlimmes gemacht?“
Die Brüllerei ging weiter, der Direktor wurde geholt und H. für den Tag vom Unterricht suspendiert. Es war ihm egal. Er setzte sich einfach auf den Rasen vor der Schule und wartete bis der Unterricht zu Ende war. Dann ging er wie jeden Tag nach Hause.
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Ich werde alt
g. | Donnerstag, 17. März 2011, 05:37 | Themenbereich: 'Begegnungen'
Letztens in der Kantine plaudern wir über Fukushima. Ein Kollege sagt:
„Jetzt geht die Scheiße schon wieder los. Ich erinnere mich noch genau, als Tschernobyl hochging, durften wir nicht mehr in der Buddelkiste spielen.“
Ich sah ihn mit großen Augen an. Und murmelte vor mich hin:
„1986? Da habe ich Examen gemacht.“
„Jetzt geht die Scheiße schon wieder los. Ich erinnere mich noch genau, als Tschernobyl hochging, durften wir nicht mehr in der Buddelkiste spielen.“
Ich sah ihn mit großen Augen an. Und murmelte vor mich hin:
„1986? Da habe ich Examen gemacht.“
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