Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Schnipsel
  1. „Viele Medien bemühen sich seit Wochen, politische Kontroversen anzutreiben, um der bis dato lethargischen Vorwahlzeit doch noch zu Aufregung und Spannung zu verhelfen.“ Ist das ihre Aufgabe?
  2. Der Satz "Diese Juden von der NPD geh‘n mir auf den Sack!" hätte mich auch verblüfft.
  3. Ich „denke mir mein Teil und freue mich, wenn mich jemand eines Besseren belehrt“ ist ein sehr schöner Satz, der leider nicht von mir, sondern von Enzensberger ist.
  4. Ein Satz fürs Leben: “Diese Neigung zur Theoriearroganz wird von einer großspurig intonierten Rhetorik getragen; diese richtet sich im luftigen Reich des Unbestimmten ein, wo generelle Behauptungen mit weitreichenden Ansprüchen versehen werden, ohne von konkreten Befunden gedeckt zu sein.”
  5. In Österreich lieben alle Keuschi, das niedliche Känguru.
  6. Es gibt anscheinend Verleiher von Sexpuppen? Wer leiht sich eine Sexpuppe?
  7. „Meine Mudda wird Chef. Und Du?“ Ich? Nun, ich danke dem gnädigen Schicksal, dass ich zu alt bin, um noch eine Prenzelberger Mutti vor die Nase gesetzt zu bekommen.
  8. Ab welchem Punkt ist der leibfürchtige Adoleszenzfeminismus nicht mehr von religiösen Keuschheitslehren zu unterscheiden?
  9. Die unterschiedlichen Kasuistiken der Moral. Warum ist das eine schlimmer als das andere? Irgendwo hatte ich doch einen Aufsatz dazu?
  10. Gute Umgangsformen sind zweifellos für das alltägliche Zusammenleben essentiell. Politik ist aber etwas anderes.
  11. Oh du »mein von schicksalsmächtigen Orchestern erbebendes Kinderzimmer!«
  12. Dass man nicht die Wahl hat zwischen Parteien, die einem mehr oder weniger gefallen, habe ich schon vor vielen Jahren akzeptiert. Es fällt mir diese Mal besonders schwer das kleinere Übel herauszufinden.
  13. “Tauschgesellschaft” ist sicher keine gute Zusammenfassung für Kapitalismus. Es ist überhaupt keine Zusammenfassung für Kapitalismus.
  14. „In dem Gestus des kritischen Bewusstseins versteckt sich schon lange jenes kleinbürgerliche Gerede, das außer Allgemeinplätze über die „Politik“ nichts Substantielles beizutragen hat.“ Von Frank Lübberding zwar auf einen völlig anderen Gegenstand gemünzt, aber für viele andere Diskussionen eine ebenso brauchbare Charakterisierung.
  15. Dass Flandern in Opern selten vorkommt ist keinesfalls eine sinnlose Erkenntnis, andernfalls würde man ja vor lauter Bäumen den Teufel im Detail nicht sehen. Es geht schließlich um versierte Versehrte.
  16. „es gibt z.B. feministische Parteien, von denen ich aber nicht weiß, was sie genau machen, ob sie cool sind etc.“ Da kann ich jetze auch nicht weiterhelfen, sind feministische Parteien cool? Wahrscheinlich wollen wir alle miteinander das gar nicht wissen. (Wurde eigentlich Sozialkunde oder Politische Weltkunde oder wie immer das heute heißt an den Schulen abgeschafft? Bzw. darf heute jeder studieren?)
  17. Die meisten Nachrufe auf Wolfgang Herrndorf erwähnen zwar seine Krankheit, konzentrieren sich dann aber auf seine Romane, die nicht hoch genug zu loben sind. In einem der Nachrufe allerdings bezeichnete jemand die Unheilbarkeit (?) der Krankheit als „Skandal“ (griech.: skandalon „Fallstrick, Anstoß, Ärgernis“.). Da war ich dann peinlich berührt. Ich vermute mal, Wolfgang Herrndorf hätte sich auch gegen so eine Wahrnehmung ausgesprochen.
  18. Die Piraten als „losen Zusammenschluss profilierungswütiger Sonderlinge." Oder „als Sammel-Ausstellung menschlicher Abgründe“ ist zwar als Satire gekennzeichnet, aber ist es überzeichnet?
  19. Ein Offenbacher Kollege: „Ist Leben in Frankfurt überhaupt möglich?“
  20. Die einzig wahre Religion ist ‚intelligent falling‘ (IF). Und nun kniet nieder ihr Spacken, sonst gibt es etwas zwischen die Ohren.

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interpret, Donnerstag, 5. September 2013, 14:40
„Meine Mudda wird Chef. Und Du?“
Darauf kann man nur noch antworten: "Hello Kita!"

g., Freitag, 6. September 2013, 07:10
Yep, das ist ein anderer Wahlslogan der Grünen, den ich aber nicht so grauenhaft anbiedernd livestyleig finde wie den von mir geranteten. Den Kitaslogan kann ich noch locker unter zustimmungsfähige politische Einzelforderung ablegen.

vert, Mittwoch, 18. September 2013, 16:15
vielleicht darf ich mir erlauben drauf hinzuweisen, dass die hier rantenden gar nicht die zielgruppe dieser sprüche sind. "deine-mudda"-sprüche haben mit ihrem sparwitzcharakter in gewissen kreisen eine gewisse beliebtheit.
und hello kita... ne, is klar, oder?
so sieht halt jeder, was er so sehen will. (und warum überhaupt "noch eine"? schon versorgt?;-)

g., Donnerstag, 19. September 2013, 07:27
Natürlich dürfen Sie darauf hinweisen, dass die Sprüche auf eine andere Zielgruppe zugeschnitten sind. Eben diese Zielgruppe kann ich ja so schwer in ihrem Selbstvergewisserungs- und Distinktionsdrang ertragen, weil sich diese Zielgruppe von der "deine-mudda"- Zielgruppe (übrigens Cindy aus Marzahn ist die Königin der "deine-mudda"-Sprüche ) nicht wesentlich unterscheidet. Moralisch einwandfrei und Spaß dabei.
Fischer (Bütikofer hatte wenigstens noch ein schlechtes Gewissen, wenn er seinen Sermon abgelassen hat) hat sich mal vor mir aufgebaut, um die Agenda 2010 zu rechtfertigen. Das sind so die Bilder, die mir in den Kopf schießen, wenn ich diese Wahlwerbung sehe. Der Typ, Außenminister der Bundesrepublik, hat sich doch tatsächlich erdreistet, mich zu duzen. Ne, was ich alles einsehen müsste. Globalisierung und so. „Dann ist dein Arbeitsplatz schneller weg als Du ‚Sauerei‘ brüllen kannst.“ Kohl hätte sich wahrscheinlich nicht getraut, Krieg als normales Instrument der Außenpolitik zu etablieren, die neoliberale Agenda zu propagieren und Hegemoniepolitik wieder salonfähig zu machen. Eben weil es damals noch eine Alternative gab.

("noch eine"? schon versorgt?;- Nein, nein, aber wenn ich da an eine Bekannte denke, deren Tochter gerade im Prinzessin-Lillifee-Alter ist … da könnte man dann doch noch zum Herrenrechtler mutieren, über Mario Barth lachen oder Paris-Hilton-Videos gut finden.)


Entschuldigen Sie meinen Ton, aber es ist alles so furchtbar.

g., Freitag, 20. September 2013, 06:51

g., Freitag, 20. September 2013, 07:08
Damit es nicht nur beim ankacken bleibt: Möglicherweise ist Trittins Beschäftigung mit finanz-, wirtschafts- und steuerpolitischen Fragen ein Ausdruck dafür, dass er das Problem erkannt hat, dass Rot-Grün die Vorstellungen von Lambsdorff umsetzte und versucht jetzt umzusteuern.