Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Reisejournal Sizilien Frühjahr 2012 (9)
Donnerstag, 7. Juni 1. Teil

Ein ruhiges Meer soll ja einen heißen Tag ankündigen. Wir werden sehen. Segesta, der Sage nach von den besiegten Trojanern gegründet, steht auf dem Plan: ein dorischer Tempel und ein Amphitheater aus der Zeit als Segesta mit Athen verbündet war, ist zu besichtigen. Sagt der Reiseführer. Jetzt aber erst noch eine Stunde lesen.

8:05 Abfahrt des Zuges nach Palermo. Jeden Morgen das gleiche Problem mit dem Zug aus Roma Termini. In der Regel ist er mindestens 20 Minuten zu spät, die dann zu Verspätungen aller anderen Züge führen, da die Strecke über große Distanzen eingleisig ist. Lascari, Campofelice, Termini Imerese, Bagheria.
15 Minuten Aufenthalt in Palermo. Langsam kennen wir uns in Palermo Centrale richtig gut aus.
Der Zug nach Trapani über Segesta hat nur einen Wagen. Wir sind schon mit längeren Zügen gefahren.
Im Innenstadtbereich von Palermo fahren wir zunächst unter der Erde, die Bahnhöfe sind ca. einen Kilometer voneinander entfernt, Stadtverkehr, wie in einer U-Bahn. Kein Wunder, dass wir zwei Stunden bis Segesta benötigen werden.
Auf der Nebenbank lesen zwei Mädchen, so 10/11 Jahre alt, zuerst in der Bibel und dann in einem Heiligenroman. Kurze Gebete und kleine Unterhaltungen über habichnichtverstanden wechseln sich ab.
Nach dreißig Minuten verlassen wir das Stadtgebiet von Palermo. Hinter Terrasini wird der Golf von Castelamare sichtbar. Die Gegend scheint ja mit Burgen gepflastert zu sein.



Oliven, Zitrusfrüchte, Wein, nur wenig Gemüseanbau ist zu sehen. Gelegentlich ein schöner Blick auf den Golf.



11:15 Alcamo. Den Wein, der hier angebaut wird, kann man in jedem Restaurant Sizilien trinken. Er ist gar nicht schlecht.
11:30 Segesta. Zehn Minuten Fußweg auf den Berg. Der Tempel ist wohl nie restauriert worden und steht demnach seit 2500 Jahren unverändert auf diesem Hügel.



Wahrscheinlich wurde der Weiterbau (die Cella fehlt) ca. 409 v. Chr. Nach der Eroberung durch die Karthager eingestellt.
Auf dem ganzen Gelände stehen Statuen eines modernen Künstlers.



Nun ja, nicht hässlich, aber etwas unpassend? Schließlich sind wir nicht hierhergekommen, um moderne Kunst zu sehen.
Vor 25 Jahren hat meine Frau im Inneren des Tempels ein Picknick veranstaltet. Mal abgesehen, dass dies heute nicht mehr erlaubt wäre, zeigt es auch die ungeheure Zunahme des Tourismus in den letzten Jahren. Heute ist Segeste Pflichtprogramm für jeden Pauschalreisenden. Sie haben damals im Tempel geschlafen und sind erst am nächsten Tag zurückgefahren.


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gendertroubl, Montag, 23. Juli 2012, 16:39
Beim ersten Bild muss ich ja sagen, dass ich diese Trasse durch die Landschaft wirklich gruselig finde....Kurz entsinne ich mich an Möllemanns wahnwitzige Wahlkampfforderung (NRW/2000) das Ruhrgebiet zehnspurig zu untertunneln. Das Ruhrgebiet hat in meinem dafürbefinden eine Ästhetik die sichtbare Autobahnen verdient. Die hier dargeboten Landschaft stellt für mich das genaue Gegenteil dar. Der Mensch ist schon ein albernes Tier....

g., Dienstag, 24. Juli 2012, 06:37
Autobahnen auf Stelzen durch die Hügellandschaft zu bauen ist gang und gäbe auf der Insel. Ästhetische oder ökologische Erwägungen haben dabei keinerlei Einfluss auf die Streckenführung. Ob diese Bauweise billiger oder teurer ist als eine Bauweise, die Autobahnen unter die Erde verlegt, kann ich nicht beurteilen. Sie werden auf jeden Fall noch viele weitere Beispiele solch brachialer Eingriffe in die Landschaft zu sehen bekommen. Da kennen die nix.