Georg Forster: Reise um die Welt 87
(Nachricht von unserm Aufenthalt zu Tanna, und Abreise von den neuen Hebridischen-Inseln)
(Nachricht von unserm Aufenthalt zu Tanna, und Abreise von den neuen Hebridischen-Inseln)
g. | Donnerstag, 1. April 2010, 06:59 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
„Die Männer bezeigten, wie es schien, nicht die mindeste Achtung gegen die Weiber, indeß diese auf den kleinsten Wink gehorchten, und, der Aussage unserer Matrosen zufolge, oft den niedrigen Dienst von Lastthieren versehen mußten. Dergleichen schwere Arbeit mag vielmals ihre Kräfte übersteigen, und kann auf solche Art wohl mit Schuld daran seyn, daß sie von so kleinlicher und schwächlicher Statur sind. Indeß pflegen ALLE ungesittete Völker den Weibern die allgemeinen Rechte der Menschheit zu versagen, und sie als Geschöpfe von niederer Art zu behandeln; denn der Gedanke, Glück und Freude im Schoos einer Gefährtin zu suchen, entsteht erst bey einem höheren Grad von Cultur. So lange nemlich der Mensch noch unabläßig mit der Sorge für seine Erhaltung beschäftigt ist, so lange können nur wenig verfeinerte Empfindungen im Umgange zwischen beyden Geschlechtern statt haben, vielmehr muß dieser sich blos auf thierischen Genuß einschränken. Auch siehet der Wilde die Schwäche und das sanfte duldende Wesen der Weiber nicht für Aufmunterung und Schutz bedürfende Eigenschaften, sondern vielmehr als einen Freyheitsbrief zur Unterdrückung und Mishandlung an, weil die Liebe zur Herrschsucht dem Menschen angeboren, und so mächtig ist, daß er ihr, zumal im Stande der Natur, selbst auf Kosten des Wehrlosen fröhnet. Erst mit dem Anwachs der Bevölkerung, wenn die Nahrungs-Sorgen nicht mehr jedem einzelnen Mitglied unmittelbar zur Last fallen, sondern gleichsam auf die ganze Gesellschaft vertheilt sind; erst alsdann nimmt das Maas der Sittlichkeit zu, Überfluß tritt an die Stelle des Mangels, und das nunmehr sorgenfreyere Gemüth fängt an die sanfteren Freuden des Lebens zu genießen, dem Verlangen nach Erholung und Fröhlichkeit Gehör zu geben, und die liebenswürdigen Eigenschaften des anderen Geschlechts kennen und schätzen zu lernen. Bey alledem ist aber auch der roheste Wilde einer gewissen Zärtlichkeit und Zuneigung ganz wohl fähig. Dies äußert sich augenscheinlich, so lange er noch als Knabe, gedankenlos und sorgenfrey herumläuft; sobald er aber bey zunehmenden Jahren anfangen muß, selbst für seine Bedürfnisse zu sorgen, dann wird freylich, durch den Trieb diese zu befriedigen, jede weniger dringende Empfindung bald überwogen und geschwächt.“Betrachtungen über das Verhältnis der Geschlechter.
(Forster S. 779/80)
(Die Männer bezeigten nicht die mindeste Achtung gegen die Weiber, von kleinlicher und schwächlicher Statur, Glück und Freude im Schoß einer Gefährtin, das sanfte duldende Wesen der Weiber, die sanfteren Freuden des Lebens, das Verlangen nach Erholung und Fröhlichkeit, der roheste Wilde, jede weniger dringende Empfindung)