Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Montag, 12. April 2010
Familiengeschichte II
Mein Großvater väterlicherseits war auf Bauern nicht gut zu sprechen. Das lag daran, dass er ein Findelkind war und, da Plätze in Waisenhäusern gegen Ende des 19. Jahrhundert rar waren, schon als Säugling zu einem Bauern verfrachtet wurde, der immer Bedarf an billigen Arbeitskräften hatte. Oftmals musste er im Stall oder bei der Ernte helfen, anstatt zur Schule zu gehen. Mir sind noch Abende in Erinnerung, bei denen meine Großmutter ihm aus der Zeitung vorlas, denn es haperte beim Lesen und Schreiben, Amtsgeschäfte musste grundsätzlich meine Großmutter erledigen.
Wir konnten uns als Kinder so ein Leben gar nicht vorstellen. Zwar gingen wir nicht gerne zur Schule, aber stattdessen Mist zu schaufeln oder Heu zu mähen?

An manchen Tagen wurden die Erzählungen des Großvaters aus seiner Kindheit zu erschreckend und wir flüchteten uns in Phantasien.

Da man über die Herkunft von Findelkindern nichts weiß, könnte der Opa eigentlich auch das Kind eines Auswanderers nach Amerika gewesen sein, der es in späteren Jahren zu Reichtum und Ansehen gebracht hatte? So wäre es nicht unwahrscheinlich, wenn ich doch noch zu Ansehen und Vermögen käme.
Oder der uneheliche Sohn des Prinzen Max von Baden?
Schließlich ist es in dieser Familie schon einmal zu Unregelmäßigkeiten in der Erbfolge gekommen.
Es könnte natürlich auch so gewesen sein, dass ein schmucker Leutnant der Chevaulegers des Königs Wilhelm II. von Württemberg einstens in einem Landstädtchen zu Gast war, eine wunderschöne Bahnwärtersgattin verführte, ihr die Ehe versprach, das Versprechen nicht einhielt und sich dann aus dem Staube machte. So unwahrscheinlich ist das nicht, schließlich hatte der letzte König von Württemberg eine Neigung unter seinem Stand zu heiraten und war ein überaus volknaher Tribun.

Doch, doch, so wird es gewesen sein.

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