„Mein Kalterer See!“
g. | Montag, 15. Februar 2010, 06:00 | Themenbereich: 'Begegnungen'
Als ich etwa einen Meter groß war, fuhren meine Eltern mit dem Brezel-VW mit mir und meinen Brüdern in den großen Ferien nach Österreich oder Südtirol. Meist an einen Badesee.
Brezel-VW sagt ihnen doch sicherlich etwas?
Es handelt sich um den VW Käfer „Export“ mit 1200 ccm Hubraum und geteiltem Heckfenster.
Das schönste an dem Auto war der ausklappbare Richtungsanzeiger an der Seite. Leider brach der Winker irgendwann ab als meine Brüder bei einer Klopperei dagegen kamen und zu reparieren war er nicht mehr, da der damalige Verkehrsminister dann ungerechterweise Blinker für alle PKWs vorschrieb. Wir hatten kein Geld, um einen neuen Käfer zu kaufen, und so wurden die Winker stillgelegt und mit Bohrmaschine und Feile vorne zwei Blinker eingebaut. Bei der Gelegenheit wurde das Fahrzeug dann gründlich modernisiert, das heißt die Brezelscheibe musste einer durchgehend ovalen Rückscheibe weichen und ein Dachgepäckträger wurde installiert. Wir fanden das damals alle toll.
Apropos ‚modern’. Modern war eines der wichtigsten Schlagworte dieser Zeit. Wir kauften damals noch jedes Jahr zwei Apfelbäume und einen Kirschbaum, einen Zwetschgenbaum oder Pfirsiche zum Abernten von der Gemeinde. Die Früchte eines Baumes kosteten 5 DM. Die ganze Familie zog, wenn das Obst reif waren zu unserem Baum. Nach einigen Stunden waren 20 Stiegen gefüllt, die am nächsten Tag zum Entsaften gebracht wurden. Die Früchte wurden gegen Saft getauscht. Aus ein oder zwei Stiegen wurde Kompott und Marmelade gekocht und Obstkuchen satt bestimmte den Speiseplan der nächsten Wochen. Irgendwann erschien das alles zu mühsam und statt Obstsäften wurde TriTop, ein Sirup mit fruchtähnlichem Geschmack (ein Produkt der Bayerforschung?) zum verdünnen beim örtlichen Discounter besorgt. Weil es modern war. Und sehr viel süßer als Fruchtsaft. Aber lassen wir das. Wir wollen ja an den Kalterer See.
Und ab ging es an den Weißensee in Kärnten.
Oder eben an den Kalterer See.
Mir gefiel es da nicht sehr gut, weil mir die Tümelei fremd und seltsam vorkam, mein Vater mochte die Anschläge nicht.
Bald wurde aber Italien („Da ist das Wetter schön.“) zum bevorzugten Ziel der Sommerferien und wir fuhren dann einfach weiter bis Jesolo, genauer zum Lido di Jesolo.
Wir suchten uns einen Zeltplatz aus: „Da Pietro“ wenn ich mich recht erinnere. Pietro war ein kleines, meist aufgeregtes Männlein, seine Frau hingegen eine Matrone, die ich liebte und die mich liebte. Ich liebte sie, weil sie in ihrer kleinen Küche wunderbar duftende Speisen zubereitete und da ich hochblond, sehr dürr und die schärfste Tigerbadehose des ganzen Lidos an hatte, bekam ich meist einen Teller gebratene Sardinen, Soße und Spagetti ab.
Aber zurück zu unserer Geschichte: Auf dem Rückweg von Jesolo machten wir in Kaltern Station und luden zwei bis drei 2-Liter-Flaschen Kalterer See in den Käfer, später dann noch eine kleine Flasche Stroh Rum und ab über die Alpen, an der Iller entlang durchs Allgäu und über die Geislinger Steige ins Neckartal.
Jahre später sah ich diese 2-Liter-Flaschen Kalterer See wieder. Inzwischen schien der Wein zum Preisknüller geworden zu sein. Auf jeden Fall erfreute er sich großer Beliebtheit bei den Berbern, die sich ihren Tag damit versüßten.
Überhaupt: Billigwein!
Es ist nun auch schon einige Jahre her, dass ich mich in meiner alten Heimat mit einem Winzer über den Europäischen Weinmarkt unterhalten habe.
„Früher“ erzählte er mir “Früher ham mer die Trauba unterpflügt, wenns a schlechtes Joahr war ond mer des Zeug net hot saufa könna. Heut du mers ind EU.“
Dabei habe ich mich in jungen Jahren immer gefragt, was das eigentlich für ein Wein ist, dieser „Wein aus Ländern der EWG“. Es ist anscheinend ganz einfach. Aus ganz Europa wird der Wein, den man eigentlich nicht trinken kann, in einen großen Tank gefüllt, mit irgendetwas das ich nicht wissen will versetzt, abgefüllt und mit einem hochtrabenden Etikett versehen in den Handel gebracht, eine Cuvée oder Mariage sozusagen.
Wo waren wir?
Ach ja, beim „Kalterer See“. Genau!
Kennen Sie den U-Bahnhof Thielplatz?
Ist ja eigentlich auch egal, manchen gefällt er und manchen eben nicht. Jedenfalls war ich dort vor ein paar Tagen und vor mir stieg eine junge Frau aus der Bahn. Sie trug einen Dufflecoat und war mit zwei prall gefüllten Einkaufstüten schwer beladen.
Ach, warten Sie! Wir müssen ja erst noch über das Wetter reden!
Das Wetter: Nachdem es eine Zeitlang bitter kalt war und heftiger Schneefall die Stadt wieder mildtätig mit einer weißen Decke zudeckte, begann es zu tauen, dann gefror der angetaute Schnee wieder und schuf eine picklige und spiegelglatte Eisdecke von mehreren Zentimetern. An diesem Tage schneite es wieder und machte die Eisdecke unsichtbar. Ideale Verhältnisse, um auf die Fresse zu fliegen!
Ich weiß natürlich nicht, ob Sie zu den Leuten gehören, die breit und dreckig grinsen, wenn jemand auf die Fresse fällt? So etwas ist ja nicht nett. (Es gab doch mal ein Lied mit dem Refrain: „aber schön ist es doch, wenn jemand auf die Fresse fällt“, Ulrich Roski?) Besonders perfide finde ich ja, wie mir eine Bekannte letztens erzählte, wenn man erst wartet, ob sich der Betreffende nicht doch etwas gebrochen hat. Spontane Heiterkeit ist da doch sehr viel unschuldiger. Na, wie dem auch sei.
Ich folge also der Frau mit den Einkaufstaschen vom Bahnhof in den Landoltweg, dann links in die Hittorfstraße und etwa auf Höhe des Akademischen Auslandsamtes der FU rutschen ihr die Beine nach vorne weg. Es gibt einen sanften Klacks, die Dame ist auf ihrem Hintern gelandet und sitzt mit gestreckten Beinen auf dem Schnee, die beiden Einkaufstüten sind akkurat neben ihren Oberschenkeln auf dem Eis aufgesetzt, ich muss schallend lachen und sie dreht sich mit dem Oberkörper um und brüllt empört:
Und seit dem geht mir dieses Lied nicht mehr aus dem Kopf.
Brezel-VW sagt ihnen doch sicherlich etwas?
Es handelt sich um den VW Käfer „Export“ mit 1200 ccm Hubraum und geteiltem Heckfenster.
Das schönste an dem Auto war der ausklappbare Richtungsanzeiger an der Seite. Leider brach der Winker irgendwann ab als meine Brüder bei einer Klopperei dagegen kamen und zu reparieren war er nicht mehr, da der damalige Verkehrsminister dann ungerechterweise Blinker für alle PKWs vorschrieb. Wir hatten kein Geld, um einen neuen Käfer zu kaufen, und so wurden die Winker stillgelegt und mit Bohrmaschine und Feile vorne zwei Blinker eingebaut. Bei der Gelegenheit wurde das Fahrzeug dann gründlich modernisiert, das heißt die Brezelscheibe musste einer durchgehend ovalen Rückscheibe weichen und ein Dachgepäckträger wurde installiert. Wir fanden das damals alle toll.
Apropos ‚modern’. Modern war eines der wichtigsten Schlagworte dieser Zeit. Wir kauften damals noch jedes Jahr zwei Apfelbäume und einen Kirschbaum, einen Zwetschgenbaum oder Pfirsiche zum Abernten von der Gemeinde. Die Früchte eines Baumes kosteten 5 DM. Die ganze Familie zog, wenn das Obst reif waren zu unserem Baum. Nach einigen Stunden waren 20 Stiegen gefüllt, die am nächsten Tag zum Entsaften gebracht wurden. Die Früchte wurden gegen Saft getauscht. Aus ein oder zwei Stiegen wurde Kompott und Marmelade gekocht und Obstkuchen satt bestimmte den Speiseplan der nächsten Wochen. Irgendwann erschien das alles zu mühsam und statt Obstsäften wurde TriTop, ein Sirup mit fruchtähnlichem Geschmack (ein Produkt der Bayerforschung?) zum verdünnen beim örtlichen Discounter besorgt. Weil es modern war. Und sehr viel süßer als Fruchtsaft. Aber lassen wir das. Wir wollen ja an den Kalterer See.
Und ab ging es an den Weißensee in Kärnten.
Oder eben an den Kalterer See.
Mir gefiel es da nicht sehr gut, weil mir die Tümelei fremd und seltsam vorkam, mein Vater mochte die Anschläge nicht.
Bald wurde aber Italien („Da ist das Wetter schön.“) zum bevorzugten Ziel der Sommerferien und wir fuhren dann einfach weiter bis Jesolo, genauer zum Lido di Jesolo.
Wir suchten uns einen Zeltplatz aus: „Da Pietro“ wenn ich mich recht erinnere. Pietro war ein kleines, meist aufgeregtes Männlein, seine Frau hingegen eine Matrone, die ich liebte und die mich liebte. Ich liebte sie, weil sie in ihrer kleinen Küche wunderbar duftende Speisen zubereitete und da ich hochblond, sehr dürr und die schärfste Tigerbadehose des ganzen Lidos an hatte, bekam ich meist einen Teller gebratene Sardinen, Soße und Spagetti ab.
Aber zurück zu unserer Geschichte: Auf dem Rückweg von Jesolo machten wir in Kaltern Station und luden zwei bis drei 2-Liter-Flaschen Kalterer See in den Käfer, später dann noch eine kleine Flasche Stroh Rum und ab über die Alpen, an der Iller entlang durchs Allgäu und über die Geislinger Steige ins Neckartal.
Jahre später sah ich diese 2-Liter-Flaschen Kalterer See wieder. Inzwischen schien der Wein zum Preisknüller geworden zu sein. Auf jeden Fall erfreute er sich großer Beliebtheit bei den Berbern, die sich ihren Tag damit versüßten.
Überhaupt: Billigwein!
Es ist nun auch schon einige Jahre her, dass ich mich in meiner alten Heimat mit einem Winzer über den Europäischen Weinmarkt unterhalten habe.
„Früher“ erzählte er mir “Früher ham mer die Trauba unterpflügt, wenns a schlechtes Joahr war ond mer des Zeug net hot saufa könna. Heut du mers ind EU.“
Dabei habe ich mich in jungen Jahren immer gefragt, was das eigentlich für ein Wein ist, dieser „Wein aus Ländern der EWG“. Es ist anscheinend ganz einfach. Aus ganz Europa wird der Wein, den man eigentlich nicht trinken kann, in einen großen Tank gefüllt, mit irgendetwas das ich nicht wissen will versetzt, abgefüllt und mit einem hochtrabenden Etikett versehen in den Handel gebracht, eine Cuvée oder Mariage sozusagen.
Wo waren wir?
Ach ja, beim „Kalterer See“. Genau!
Kennen Sie den U-Bahnhof Thielplatz?
Ist ja eigentlich auch egal, manchen gefällt er und manchen eben nicht. Jedenfalls war ich dort vor ein paar Tagen und vor mir stieg eine junge Frau aus der Bahn. Sie trug einen Dufflecoat und war mit zwei prall gefüllten Einkaufstüten schwer beladen.
Ach, warten Sie! Wir müssen ja erst noch über das Wetter reden!
Das Wetter: Nachdem es eine Zeitlang bitter kalt war und heftiger Schneefall die Stadt wieder mildtätig mit einer weißen Decke zudeckte, begann es zu tauen, dann gefror der angetaute Schnee wieder und schuf eine picklige und spiegelglatte Eisdecke von mehreren Zentimetern. An diesem Tage schneite es wieder und machte die Eisdecke unsichtbar. Ideale Verhältnisse, um auf die Fresse zu fliegen!
Ich weiß natürlich nicht, ob Sie zu den Leuten gehören, die breit und dreckig grinsen, wenn jemand auf die Fresse fällt? So etwas ist ja nicht nett. (Es gab doch mal ein Lied mit dem Refrain: „aber schön ist es doch, wenn jemand auf die Fresse fällt“, Ulrich Roski?) Besonders perfide finde ich ja, wie mir eine Bekannte letztens erzählte, wenn man erst wartet, ob sich der Betreffende nicht doch etwas gebrochen hat. Spontane Heiterkeit ist da doch sehr viel unschuldiger. Na, wie dem auch sei.
Ich folge also der Frau mit den Einkaufstaschen vom Bahnhof in den Landoltweg, dann links in die Hittorfstraße und etwa auf Höhe des Akademischen Auslandsamtes der FU rutschen ihr die Beine nach vorne weg. Es gibt einen sanften Klacks, die Dame ist auf ihrem Hintern gelandet und sitzt mit gestreckten Beinen auf dem Schnee, die beiden Einkaufstüten sind akkurat neben ihren Oberschenkeln auf dem Eis aufgesetzt, ich muss schallend lachen und sie dreht sich mit dem Oberkörper um und brüllt empört:
„Mein Kalterer See!“Ich komme näher, helfe ihr auf und unterdrücke mein Grinsen. Tatsächlich: In jeder Tüte eine 2-Liter-Bombe, Unmengen an Tiefkühlpizza und allerlei Knabbergebäck. Der Kalterer See schmiegte sich an die Pappe der Pizza und löste sie langsam auf. Einige Tüten Fischli und Engerlinge aus Mais waren geplatzt und wollten sich ebenfalls mit dem Kalterer See vereinigen.
Und seit dem geht mir dieses Lied nicht mehr aus dem Kopf.
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Ich und der KBW
g. | Montag, 8. Februar 2010, 05:45 | Themenbereich: 'Begegnungen'
Von allen K-Gruppen ist mir der KBW der Liebste. Aber vielleicht sollten man für die jüngeren Zuschauer (oder Zuleser?) erstmal kurz erklären, wer das den ist, der KBW?
Also das war so: Zuerst gab es die sogenannten 68er, die dann von der sogenannten APO etwas verdeppt und dann von der sozial-liberalen Koalition überholt wurden und weil plötzlich, wenn auch nur für wenige Jahre, die Regierung das machte, was man eigentlich selbst bewirken wollte, sagten sich diese etwas verwirrten jungen Leute: okay, wir sind noch radikaler oder so und werden Leninisten und schrecklicher als die judäische Befreiungsfront ist auf jeden Fall die Befreiungsfront von Judäa, alles klar?
Und dann kam Helmuth Schmidt, aber das ist eine andere Geschichte.
Es begab sich also zu dieser Zeit, dass eine Gruppe von zehn jungen Männern ihren Zivildienst ableisteten und zum ersten Mal in ihrem Leben weg von zu Hause waren und das Leben genießen wollten, als ein Mitglied des KBW in die Wohngemeinschaft zog und schon am ersten Abend verkündete:
Einige Tage danach hing ein 2x2 Meter großes Transparent in unserer Küche, das in verschiedenen Farben für die FRELIMO oder die FNL oder eine andere Befreiungsbewegung warb, so genau weiß ich das nicht mehr. Nun war es so, dass wir den Befreiungsbewegungen der dritten Welt durchaus aufgeschlossen gegenüber standen, aber jeden morgen beim Frühstück und in Form von Parolen?
Einige waren dafür, unserem Neuen Prügel anzudrohen. Da ich als besonders ausgeglichen, zurückhaltend und freundlich galt, wurde ich schließlich beauftragt mit ihm zu reden.
Er schien sich gut auszukennen und wusste Interessantes darüber zu erzählen...
Irgendwie lief unser Gespräch ganz gut, nur zum eigentlichen Thema „Agitation und Propaganda“ waren wir noch nicht vorgedrungen.
Also das war so: Zuerst gab es die sogenannten 68er, die dann von der sogenannten APO etwas verdeppt und dann von der sozial-liberalen Koalition überholt wurden und weil plötzlich, wenn auch nur für wenige Jahre, die Regierung das machte, was man eigentlich selbst bewirken wollte, sagten sich diese etwas verwirrten jungen Leute: okay, wir sind noch radikaler oder so und werden Leninisten und schrecklicher als die judäische Befreiungsfront ist auf jeden Fall die Befreiungsfront von Judäa, alles klar?
Und dann kam Helmuth Schmidt, aber das ist eine andere Geschichte.
Es begab sich also zu dieser Zeit, dass eine Gruppe von zehn jungen Männern ihren Zivildienst ableisteten und zum ersten Mal in ihrem Leben weg von zu Hause waren und das Leben genießen wollten, als ein Mitglied des KBW in die Wohngemeinschaft zog und schon am ersten Abend verkündete:
„Wir vom KBW sind der Auffassung, dass man das Waffenhandwerk erlernen sollten. Wir treten aber auch für das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ein!“‚Waffenhandwerk erlernen’ aha, sowieso, genau! dachten wir.
"Apropos Waffenhandwerk. Mein Bruder war in seiner Bundeswehrzeit auf der Schreibstube. Wenn der Russe kommt, verweigert er ihnen einfach die Urlaubsscheine, dann sind sie aufgeschmissen!"wusste ich beizutragen. Ein anderer meinte:
Ist das nicht ein Widerspruch?Nein, wurden wir belehrt, das wäre nämlich so ... und der Redefluss plätscherte über ein oder zwei Stunden auf uns ein und wir bekamen Durst und wollten die Debatte in den Reichsadler, eine damals sehr beliebte Kneipe in Freiburg, verlagern. Unser neuer Mitbewohner war aber von seinem Umzug zu erschöpft und von der Erfolglosigkeit seiner Rede vielleicht auch zu frustriert? Wie dem auch sei, er ging ins Bett und wir in die Kneipe. Es wurde dann etwa später.
Einige Tage danach hing ein 2x2 Meter großes Transparent in unserer Küche, das in verschiedenen Farben für die FRELIMO oder die FNL oder eine andere Befreiungsbewegung warb, so genau weiß ich das nicht mehr. Nun war es so, dass wir den Befreiungsbewegungen der dritten Welt durchaus aufgeschlossen gegenüber standen, aber jeden morgen beim Frühstück und in Form von Parolen?
Einige waren dafür, unserem Neuen Prügel anzudrohen. Da ich als besonders ausgeglichen, zurückhaltend und freundlich galt, wurde ich schließlich beauftragt mit ihm zu reden.
Also, ich muss noch ein ganzes Jahr und wenn ich mir vorstelle ...Die Diskussion ...
“Sag ihm, über politische Themen zu diskutieren ist o.k., aber Agitation und Propaganda am Frühstückstisch geht zu weit!"wogte hin ...
“Genau, wir wollen keine Plakate und Flugblätter in der Wohnung!”und her.
“Klappe, sonst Beule! ist der Kompromiss!”Und so ging ich mit diesen Argumenten ausgestattet ans Werk. Am Abend nahm ich mir den Neuen beiseite und suchte unverfänglich das Gespräch:
“Heh, aus welcher Ecke kommst du eigentlich?“Unverfänglich zu beginnen schien mir eine gute Idee zu sein.
“Aus dem Markgräfler Land.“Ich war elektrisiert, das Markgräfler Land war eine tolle Gegend. Ich hatte schon viel davon gehört.
Er schien sich gut auszukennen und wusste Interessantes darüber zu erzählen...
Irgendwie lief unser Gespräch ganz gut, nur zum eigentlichen Thema „Agitation und Propaganda“ waren wir noch nicht vorgedrungen.
“Was macht eigentlich dein Vater?“Ich versuchte dem Gespräch eine Wendung zu geben.
“Er ist Winzer!“Ich stockte, ein wohliges Gefühl durchströmte mich. Ich war sicher: alles würde gut werden!
“Winzer?“
“Ja. Er baut hauptsächlich Burgunder an. Es ist nur ein kleiner Betrieb, nicht dass du denkst, ...“
“Aber nein, aber nein. Ich will dir doch keinen Vorwurf machen, dass dein Vater kein Proletarier ist. Schließlich kann niemand etwas für seine Eltern und Winzer ist ein schöner, altehrwürdiger Beruf!“Und so kam es zu einem historischen Kompromiss zwischen dem Kommunistischen Bund Westdeutschlands und der gutbürgerlichen Linken: er durfte einmal in der Woche an uns ran agitieren und wir bekamen lecker Stoff.
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In der S-Bahn
g. | Freitag, 5. Februar 2010, 05:54 | Themenbereich: 'Begegnungen'
Ein älteres Schweizer Ehepaar unterhält sich am Telefon mit ihrer Tochter?, Nachbarin?, Sohn?
Der Gesprächspartner wollte wohl wissen, wie es denn so aussieht in Berlin:
* Aus dem Gedächtnis zitiert.
Der Gesprächspartner wollte wohl wissen, wie es denn so aussieht in Berlin:
“Na, nütt! ‚s isch eher flach.”Rainer Maria Rilke sagte über die Schweizer Berge 1919 (?):
„Ein wenig hinderlich erscheinen sie mir. (...) Es sind so entsetzlich viele!“ *Touché!
* Aus dem Gedächtnis zitiert.
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„Ich denke oft an Piroschka“
g. | Montag, 1. Februar 2010, 05:43 | Themenbereich: 'Begegnungen'
war ein Film aus den 50er Jahren mit Liselotte Pulver, einen Film den man nicht unbedingt kennen muss. Bei Lichte besehen ist er eine grauenhafte Schmonzette, aber egal. Lilo Pulver drehte in dieser Zeit eine Fülle an schlechten Filmen, so wie andere Schauspieler auch. Es war wohl die Zeit. Richtig schön, erotisch und von überschießender Komik ist hingegen Eins, Zwei, Drei von Billy Wilder, den damals niemand sehen wollte. Eine wunderschöne Szene ist der tabledance mit Lilo Pulver.
Aber eigentlich denke ich nicht oft an Piroschka. Häufiger denke ich an Sonja, die Gepardin aus Howard Hawks Hatari! (1:11), der man zärtlich den Kopf kraulen kann. Sonja habe ich auch eine meiner Lieblingskätzchen getauft, einen Jaguar mit prachtvoller Zeichnung aus dem Tierpark hier in Berlin. Ans Herz gewachsen ist mir diese Sonja als ich mit meiner Liebsten vor dem Käfig stand und eine junge Familie (Vater, Mutter, ein kleiner Sohn) mit ihrem Collie dem Sohn die Welt der Großkatzen erklärte. Während die Drei in die Erklärung vertieft waren, kam Sonja lautlos an das Gitter getrabt und betrachtete den Collie mit einem Gesichtsausdruck, den man wohl mit
Wenn ich in der Bahn dann einen Trupp Punker mit ihren neurotischen Hunden treffe, die sich eine Beißerei leisten, muss ich immer an Sonja denken und wie schön es wäre, mit Sonja Bahn zu fahren.
Wenn Sonja sich langsam erhebt, gähnt, sich streckt und sanften Schrittes zu den Hunden geht, um ihnen einen ihrer Blicke zuzuwerfen, dann würde ich freundlich gucken und zu den Punkern lächelnd sagen:
Aber eigentlich denke ich nicht oft an Piroschka. Häufiger denke ich an Sonja, die Gepardin aus Howard Hawks Hatari! (1:11), der man zärtlich den Kopf kraulen kann. Sonja habe ich auch eine meiner Lieblingskätzchen getauft, einen Jaguar mit prachtvoller Zeichnung aus dem Tierpark hier in Berlin. Ans Herz gewachsen ist mir diese Sonja als ich mit meiner Liebsten vor dem Käfig stand und eine junge Familie (Vater, Mutter, ein kleiner Sohn) mit ihrem Collie dem Sohn die Welt der Großkatzen erklärte. Während die Drei in die Erklärung vertieft waren, kam Sonja lautlos an das Gitter getrabt und betrachtete den Collie mit einem Gesichtsausdruck, den man wohl mit
Du bist Essen!übersetzen muss. Der Hund verstand den Blick sehr gut. Er kniff den Schwanz ein, senkte den Blick und fing leise an zu fiepen. Die Familie ging dann schnell weiter.
Wenn ich in der Bahn dann einen Trupp Punker mit ihren neurotischen Hunden treffe, die sich eine Beißerei leisten, muss ich immer an Sonja denken und wie schön es wäre, mit Sonja Bahn zu fahren.
Wenn Sonja sich langsam erhebt, gähnt, sich streckt und sanften Schrittes zu den Hunden geht, um ihnen einen ihrer Blicke zuzuwerfen, dann würde ich freundlich gucken und zu den Punkern lächelnd sagen:
Die tut nix, die will bloß spielen!Oder wenn mir auf dem Weg zum Bahnhof, die Nachbarin begegnet, die mit ihrem Dobermann Gassi geht. Nun ja, eigentlich geht der Dobermann mit ihr Gassi. (Warum sollte er sich auch von einem rangniederen Rudelmitglied etwas sagen lassen?) Ich finde dann Trost in der Vorstellung, neben mir würde Sonja traben und mit neugierigen Augen die Welt betrachten. Der Dobermann würde mich dann wohl nicht beschnüffeln (Dobermannrotz am Hosenschlitz fördert die Unternehmenskommunikation: „Hey, habt ihr schon gesehen? Der G. aus der C.-Abteilung hat Dobermannrotz am Hosenlatz ...“) und ich bräuchte mir keine Gedanken darum machen, dass sich die Leute Hunde anschaffen, die sie nicht im Griff haben. Ich könnte zu der Nachbarin, wenn sich die Panik in ihrem Gesicht breit macht, freundlich lächelnd sagen:
Die tut nix, die will bloß spielen!Ja, ich denke öfter an Sonja als an Piroschka!
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DER DRITTE RIESE
ein vorweihnachtliches Mysterienspiel
ein vorweihnachtliches Mysterienspiel
g. | Montag, 4. Januar 2010, 05:12 | Themenbereich: 'Begegnungen'
Zu der Zeit als Dietrich Stobbe regierender Bürgermeister von Berlin und es kurz vor Weihnachten war, kam ich von einer meiner Lieblingsbuchhandlungen zurück. Es war schon spät und es dunkelte bereits, und es trug sich folgende, außerordentlich ungewöhnliche Begebenheit zu:
Am Kiosk vor einem U-Bahneingang in Kreuzberg standen vier Herren und eine Dame und betranken sich. Das wäre noch nicht überraschend gewesen. Jeden Tag stehen einige Herren, nicht immer die gleichen und gelegentlich ist auch einmal eine Dame dabei, vor dem Kiosk und trinken Bier.
Ungewöhnlich war die Kleidung, oder in Anbetracht der Jahreszeit eigentlich auch wieder nicht. Die Herren trugen weite wallende Mäntel, drei davon zusätzlich einen umgeschnallten Bauch - der Bauch des Kleinsten schien natürlichen Ursprungs zu sein - und Zipfelmützen mit Bommel. Die Bärte waren hoch auf die Mütze geschoben und nach hinten geklappt. Die Dame trug ein weißes Kleid mit Flügeln und zwei Aliententakel auf dem Kopf. Vielleicht hatte sich jemand nicht zwischen dem Christkind und der Biene Maja entscheiden können? Ohne ihre Kleidung sahen sie wahrscheinlich alle aus wie Helge Schneider bzw Uschi Glas - also fusselig bzw. adrett, aber so sehen die jungen Leute heutzutage ja alle aus.
Die Dame war eher von durchschnittlicher Größe. Neben dem kleinen Dicken mit dem natürlichen Bauch gab es noch einen kleinen Dürren mit Flaumbärtchen und einen sehr dürren und einen normal dürren Riesen, beide mit ausgemergelten Gesichtern. Wahrscheinlich in der Pubertät zu schnell gewachsen. Denke ich mir mal. Das braucht dann einige Jahre bis die Proportionen wieder zurecht gerückt sind. Bier und reichhaltiges Essen ist hilfreich.
Als ich in Hörweite bin, kommt ein weiterer riesiger Weihnachtsmann aus dem U-Bahnschacht dazu:
“Sagt mal, seid ihr blöde, hier herum zu saufen? Ihr solltet doch schon beim nächsten Kunden sein.”
Der kleine Dürre mit dem Flaum haucht ihn an und klopft ihm auf die Schulter.
“Boah ey, komm trink’n Bier und sei friedlich.”
Missvergnügt mustert der dritte Riese die Horde, schiebt seinen Bart auf die Mütze, klappt ihn beiseite, trinkt dann einen Schluck und sagt zum Kioskbesitzer:
“Mach mir mal n Glühwein.”
Ich trete hinzu und bestelle mir eine Currywurst mit Brötchen.
“Anne Uni hab ich nie so’n Durst.”
“Sag mal isn’ das nich kalt mit dem dünnen Kleid?”
“Ich hab immer wollene Leggins unter der weißen Strumphose. Ich seh dann zwar aus wie ne Presswurst, aber besser als frieren.”
“Noch‘n Glühwein?”
“Ach ja.”
“Ihr auch noch mal ne Runde?”
“Ooch ja!”
“Aber jetzt mal im Ernst, wie wollt ihr denn den nächsten Termin durchhalten?”
“Als ich vonne Flügelfabrik zurückkam hatte ich so was von Durst.”
“Ich hab immer nen Durst.”
“So gesehen haste natürlich recht. Prost!”
Der Oberweihnachtsmann schien die Chancen zu bedenken, seine Angestellten wieder nüchtern zu bekommen. Seufzend trinkt er seinen Becher aus. Der Kioskbesitzer gießt nach.
“Die können mich am Arsch lecken, aber voll!” Nicken in der Runde.
Ich bestelle eine Cola.
Das Christkind spendiert eine Runde Wodka.
“Wenn de nacher ein Pfefferminz lutscht riecht das kein Mensch mehr.”
“Schtimmt!”
“Noch‘n Glühwein?”
“Na gut.”
“Ihr auch noch mal ne Runde?”
“Ooch ja!”
Der Oberweihnachtsmann studiert seine Einsatzliste, wiegt bedenklich sein Haupt. Was mag ihm wohl durch den Kopf gehen?
“Ein EDV-Laden, eine Apotheke, eine private Feier, ...”
“Wer macht denn eine private Feier vor Weihnachten?” fragt das Christkind.
“Ist mir doch Wurst, wenn sie dafür bezahlen, bekommen sie das auch.”
“Hätt mich halt interessiert.” Beleidigt trinkt sie ihr Bier aus.
“Noch‘n Glühwein?”
“Hmm!”
“Ihr auch noch mal ne Runde?”
“Ooch ja!”
Einem der beiden dürren Riesen geht es schlecht. Er rülpst und klopft sich auf die Brust. Sein angeschnallter Bauch wippt leicht nach.
“Mann, ist das alles anstrengend.”
Er sieht den Oberweihnachtsmann an und kotzt ihm dann übergangslos auf den Mantel.
“Du alte Sau, wenn du nichts verträgst, musst du aufhören mit saufen. Verfluchte Sauerei.”
Betroffen und mitleidig sieht die Truppe dem Oberweihnachtsmann beim Reinigen seiner Kleidung zu.
“Noch‘n Glühwein?”
“Ach ja, gut.”
“Ihr auch noch mal ne Runde?”
“Ooch ja!”
Es stank inzwischen unerträglich und ich war froh mit meiner Wurst fertig zu sein.
“Wie wird man eigentlich Oberweihnachtsmann?”
“Vitamin B, was sonst.”
“Man muss einige Jahre dabei sein und...” versucht der Oberweihnachtsmann zu erklären.
“Gibt’s auch Hauptweihnachtsmänner, die die Oberweihnachtsmänner beaufsichtigen?”
Ich ging die Treppe zur U-Bahn hinunter. Weihnachtswebel könnte es auch noch geben, denke ich still bei mir. Nur noch ganz leise höre ich:
“Noch‘n Glühwein?”
“Ach ja.”
“Ihr auch noch mal ne Runde?”
“Ooch ja!”
Am Kiosk vor einem U-Bahneingang in Kreuzberg standen vier Herren und eine Dame und betranken sich. Das wäre noch nicht überraschend gewesen. Jeden Tag stehen einige Herren, nicht immer die gleichen und gelegentlich ist auch einmal eine Dame dabei, vor dem Kiosk und trinken Bier.
Ungewöhnlich war die Kleidung, oder in Anbetracht der Jahreszeit eigentlich auch wieder nicht. Die Herren trugen weite wallende Mäntel, drei davon zusätzlich einen umgeschnallten Bauch - der Bauch des Kleinsten schien natürlichen Ursprungs zu sein - und Zipfelmützen mit Bommel. Die Bärte waren hoch auf die Mütze geschoben und nach hinten geklappt. Die Dame trug ein weißes Kleid mit Flügeln und zwei Aliententakel auf dem Kopf. Vielleicht hatte sich jemand nicht zwischen dem Christkind und der Biene Maja entscheiden können? Ohne ihre Kleidung sahen sie wahrscheinlich alle aus wie Helge Schneider bzw Uschi Glas - also fusselig bzw. adrett, aber so sehen die jungen Leute heutzutage ja alle aus.
Die Dame war eher von durchschnittlicher Größe. Neben dem kleinen Dicken mit dem natürlichen Bauch gab es noch einen kleinen Dürren mit Flaumbärtchen und einen sehr dürren und einen normal dürren Riesen, beide mit ausgemergelten Gesichtern. Wahrscheinlich in der Pubertät zu schnell gewachsen. Denke ich mir mal. Das braucht dann einige Jahre bis die Proportionen wieder zurecht gerückt sind. Bier und reichhaltiges Essen ist hilfreich.
Als ich in Hörweite bin, kommt ein weiterer riesiger Weihnachtsmann aus dem U-Bahnschacht dazu:
“Sagt mal, seid ihr blöde, hier herum zu saufen? Ihr solltet doch schon beim nächsten Kunden sein.”
Der kleine Dürre mit dem Flaum haucht ihn an und klopft ihm auf die Schulter.
“Boah ey, komm trink’n Bier und sei friedlich.”
Missvergnügt mustert der dritte Riese die Horde, schiebt seinen Bart auf die Mütze, klappt ihn beiseite, trinkt dann einen Schluck und sagt zum Kioskbesitzer:
“Mach mir mal n Glühwein.”
Ich trete hinzu und bestelle mir eine Currywurst mit Brötchen.
“Anne Uni hab ich nie so’n Durst.”
“Sag mal isn’ das nich kalt mit dem dünnen Kleid?”
“Ich hab immer wollene Leggins unter der weißen Strumphose. Ich seh dann zwar aus wie ne Presswurst, aber besser als frieren.”
“Noch‘n Glühwein?”
“Ach ja.”
“Ihr auch noch mal ne Runde?”
“Ooch ja!”
“Aber jetzt mal im Ernst, wie wollt ihr denn den nächsten Termin durchhalten?”
“Als ich vonne Flügelfabrik zurückkam hatte ich so was von Durst.”
“Ich hab immer nen Durst.”
“So gesehen haste natürlich recht. Prost!”
Der Oberweihnachtsmann schien die Chancen zu bedenken, seine Angestellten wieder nüchtern zu bekommen. Seufzend trinkt er seinen Becher aus. Der Kioskbesitzer gießt nach.
“Die können mich am Arsch lecken, aber voll!” Nicken in der Runde.
Ich bestelle eine Cola.
Das Christkind spendiert eine Runde Wodka.
“Wenn de nacher ein Pfefferminz lutscht riecht das kein Mensch mehr.”
“Schtimmt!”
“Noch‘n Glühwein?”
“Na gut.”
“Ihr auch noch mal ne Runde?”
“Ooch ja!”
Der Oberweihnachtsmann studiert seine Einsatzliste, wiegt bedenklich sein Haupt. Was mag ihm wohl durch den Kopf gehen?
“Ein EDV-Laden, eine Apotheke, eine private Feier, ...”
“Wer macht denn eine private Feier vor Weihnachten?” fragt das Christkind.
“Ist mir doch Wurst, wenn sie dafür bezahlen, bekommen sie das auch.”
“Hätt mich halt interessiert.” Beleidigt trinkt sie ihr Bier aus.
“Noch‘n Glühwein?”
“Hmm!”
“Ihr auch noch mal ne Runde?”
“Ooch ja!”
Einem der beiden dürren Riesen geht es schlecht. Er rülpst und klopft sich auf die Brust. Sein angeschnallter Bauch wippt leicht nach.
“Mann, ist das alles anstrengend.”
Er sieht den Oberweihnachtsmann an und kotzt ihm dann übergangslos auf den Mantel.
“Du alte Sau, wenn du nichts verträgst, musst du aufhören mit saufen. Verfluchte Sauerei.”
Betroffen und mitleidig sieht die Truppe dem Oberweihnachtsmann beim Reinigen seiner Kleidung zu.
“Noch‘n Glühwein?”
“Ach ja, gut.”
“Ihr auch noch mal ne Runde?”
“Ooch ja!”
Es stank inzwischen unerträglich und ich war froh mit meiner Wurst fertig zu sein.
“Wie wird man eigentlich Oberweihnachtsmann?”
“Vitamin B, was sonst.”
“Man muss einige Jahre dabei sein und...” versucht der Oberweihnachtsmann zu erklären.
“Gibt’s auch Hauptweihnachtsmänner, die die Oberweihnachtsmänner beaufsichtigen?”
Ich ging die Treppe zur U-Bahn hinunter. Weihnachtswebel könnte es auch noch geben, denke ich still bei mir. Nur noch ganz leise höre ich:
“Noch‘n Glühwein?”
“Ach ja.”
“Ihr auch noch mal ne Runde?”
“Ooch ja!”
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Fleisch zwei
g. | Mittwoch, 16. Dezember 2009, 06:36 | Themenbereich: 'Begegnungen'
Über einen der Einkäufe in meiner Lieblingsfleischerei hatten wir uns ja schon unterhalten.
Vor langer, langer Zeit wohnte ich in Zehlendorf im lichten Berliner Süden. Das war zu der Zeit als die Amerikaner noch Schutzmacht in Berlin waren, die GIs am U-Bahnhof Oskar-Helene-Heim soffen, was die Büchse hergab, als man an den Universitäten noch ausreichend Zeit hatte, etwas zu begreifen, als die Frauen schön und die Wohnungen billig waren.
An der großen Kreuzung daselbst (sie sehen, Forster färbt langsam ab) liegt ein großer Lebensmitteldiscounter in dem Sonnabendvormittag ganz Zehlendorf einkauft.
So auch wir.
Zehlendorf ist ja bekanntlich eines der besseren Wohngebiete (Obwohl? Wenn ich an das Café M. in der M.-Straße an einigen Abenden denke? Aber lassen wir das!) und so konnte man in dem Laden auch allerlei Prominente (damals gab es drei Programme und entsprechend weniger Prominente. Weniger Prominente ist übrigens nicht schlimm.) beim Einkaufen treffen. Günther Pfitzmann beispielsweise hat eine Vorliebe für Magerquark, wenn sie das interessieren sollte.
Der Filialleiter schien ein großes Herz zu haben. Er war ein aufgeräumter, dauerfröhlicher Mensch und ich hätte mich gern mal mit ihm unterhalten, also jenseits von ‚Wo finde ich Kefir?’ (Übrigens ein Teufelszeug: schmeckt irgendwie so na ja und vermehrt sich ungeheuer. Aber das ist eine andere Geschichte von weinenden Frauen, verzweifelten Katzen und warum an den Vorurteilen über Sozialarbeiter ein Körnchen Wahrheit ist.) Je nun, den Filialleiter eines Supermarktes kann man am Samstagvormittag nicht in ein Gespräch verwickeln und an anderen Tagen haben wir dort nicht eingekauft.
Leichter ins Gespräch kam man mit dem geistig und körperlich schwerbehinderten Einkaufswagenzusammenschieber (wohl ein in Supermärkten singulärer Beruf). Auch ein sehr netter Mann, aber doch eine ziemliche Plaudertasche, zudem ein arger Stotterer. Dass der Filialleiter ihn beschäftigte, war einer der Gründe warum wir immer gerne in diesen Markt gingen.
Wie gesagt, ein angenehmer Laden. Nur Fleisch und Wurst waren ein Problem, weil der Chef der Fleischwarenabteilung eine Frau war. Sie war nicht zierlich, sondern sah, wie es in diesem Gewerbe durchaus angemessen ist, so aus, als hätte sie vor einigen Minuten einen Ochsen eigenhändig gemeuchelt.
Also, das Problem war nicht das Geschlecht, sondern dass sie nur ein Auge hatte und statt einer Prothese eine Augenklappe trug.
Man mag sich ja für weltgewandt und tolerant halten, aber es ist nicht einfach einer Dame hinter der Fleischtheke auf die Frage: „Was darf’s denn sein?“ ohne auf die Augenklappe zu starren, souverän: „Drei Pfund Gehacktes!“ zu antworten. Völlig unmöglich war es, bei ihr Zungenwurst zu kaufen, die in unserer Wohngemeinschaft nur ‚schlimme Augenwurst’ hieß.
Vor langer, langer Zeit wohnte ich in Zehlendorf im lichten Berliner Süden. Das war zu der Zeit als die Amerikaner noch Schutzmacht in Berlin waren, die GIs am U-Bahnhof Oskar-Helene-Heim soffen, was die Büchse hergab, als man an den Universitäten noch ausreichend Zeit hatte, etwas zu begreifen, als die Frauen schön und die Wohnungen billig waren.
An der großen Kreuzung daselbst (sie sehen, Forster färbt langsam ab) liegt ein großer Lebensmitteldiscounter in dem Sonnabendvormittag ganz Zehlendorf einkauft.
So auch wir.
Zehlendorf ist ja bekanntlich eines der besseren Wohngebiete (Obwohl? Wenn ich an das Café M. in der M.-Straße an einigen Abenden denke? Aber lassen wir das!) und so konnte man in dem Laden auch allerlei Prominente (damals gab es drei Programme und entsprechend weniger Prominente. Weniger Prominente ist übrigens nicht schlimm.) beim Einkaufen treffen. Günther Pfitzmann beispielsweise hat eine Vorliebe für Magerquark, wenn sie das interessieren sollte.
Der Filialleiter schien ein großes Herz zu haben. Er war ein aufgeräumter, dauerfröhlicher Mensch und ich hätte mich gern mal mit ihm unterhalten, also jenseits von ‚Wo finde ich Kefir?’ (Übrigens ein Teufelszeug: schmeckt irgendwie so na ja und vermehrt sich ungeheuer. Aber das ist eine andere Geschichte von weinenden Frauen, verzweifelten Katzen und warum an den Vorurteilen über Sozialarbeiter ein Körnchen Wahrheit ist.) Je nun, den Filialleiter eines Supermarktes kann man am Samstagvormittag nicht in ein Gespräch verwickeln und an anderen Tagen haben wir dort nicht eingekauft.
Leichter ins Gespräch kam man mit dem geistig und körperlich schwerbehinderten Einkaufswagenzusammenschieber (wohl ein in Supermärkten singulärer Beruf). Auch ein sehr netter Mann, aber doch eine ziemliche Plaudertasche, zudem ein arger Stotterer. Dass der Filialleiter ihn beschäftigte, war einer der Gründe warum wir immer gerne in diesen Markt gingen.
Wie gesagt, ein angenehmer Laden. Nur Fleisch und Wurst waren ein Problem, weil der Chef der Fleischwarenabteilung eine Frau war. Sie war nicht zierlich, sondern sah, wie es in diesem Gewerbe durchaus angemessen ist, so aus, als hätte sie vor einigen Minuten einen Ochsen eigenhändig gemeuchelt.
Also, das Problem war nicht das Geschlecht, sondern dass sie nur ein Auge hatte und statt einer Prothese eine Augenklappe trug.
Man mag sich ja für weltgewandt und tolerant halten, aber es ist nicht einfach einer Dame hinter der Fleischtheke auf die Frage: „Was darf’s denn sein?“ ohne auf die Augenklappe zu starren, souverän: „Drei Pfund Gehacktes!“ zu antworten. Völlig unmöglich war es, bei ihr Zungenwurst zu kaufen, die in unserer Wohngemeinschaft nur ‚schlimme Augenwurst’ hieß.
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Hum-bug
g. | Mittwoch, 9. Dezember 2009, 06:46 | Themenbereich: 'Begegnungen'
In der Bahn sitzt mir ein Herr gegenüber, Ende 40, beleibt, weißhaarig, spitzes Gesicht, irgendwann mal ist anscheinend ein Eisbär in die Erblinie geraten. Sein Telefon klingelt (‚O when the saints ...’).
„Hum?“
Hum scheint der schottische Ableger der Familie Pronto aus Italien zu sein.
„Hum, hum!“
Er erregt sich.
„No! Bug! Bug! Bug!“
Die Stirn legt sich in Falten.
„Hum!“
Die Stirn fältelt sich noch intensiver.
„No, bug! I told youh!“
Sein Kopf läuft rot an.
„Bug!“ brüllt er los. „Bug! Youh fockin basterd, bug! Bug! Bug!“
Und jetze allens klar?
„Hum?“
Hum scheint der schottische Ableger der Familie Pronto aus Italien zu sein.
„Hum, hum!“
Er erregt sich.
„No! Bug! Bug! Bug!“
Die Stirn legt sich in Falten.
„Hum!“
Die Stirn fältelt sich noch intensiver.
„No, bug! I told youh!“
Sein Kopf läuft rot an.
„Bug!“ brüllt er los. „Bug! Youh fockin basterd, bug! Bug! Bug!“
Und jetze allens klar?
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Die kaugummikauende Plateausohlenträgerin
g. | Mittwoch, 2. Dezember 2009, 05:26 | Themenbereich: 'Begegnungen'
Sie kennen, meine lieben Freunde, sicher diese Sorte Rotzgören, die ihr mangelndes Selbstbewusstsein dadurch ausgleichen, dass sie aller Welt mit der Haltung ‚Jetzt komm ich!’ auf die Nerven gehen?
Zunächst aber müssen wir ein wenig über Rolltreppen plaudern, denn ich habe noch aus Kindertagen eine nie versiegende Liebe zu diesen Dingern. Wenn ich eine neue Hose oder neue Schuhe brauchte, fuhren wir immer in die Landeshauptstadt in ein großes Warenhaus. Ich liebte diese Ausflüge, denn Ende der 50er Jahre gab es noch sehr selten Rolltreppen und Rolltreppenfahren war ein besonderes Abenteuer. Was passiert, wenn man nicht rechtzeitig vom Laufband springt? Wird man dann in diesen kleinen gezackten Schlitz eingesogen? Die interessanteste Frage aber war: Diese Stufen, die verschwinden doch da unten und was passiert eigentlich, wenn der Keller voll ist? Nun, glücklicherweise sah ich eines Tages, wie zwei Männer in blauer Arbeitskleidung die stählerne Abdeckung entfernten und dann war alles klar. Ist ja auch logisch: Wenn der Keller voll ist, kommen die Männer und holen die Treppenstufen heraus, tragen sie nach oben und die Rolltreppe funktioniert wieder.
An dieser Stelle bietet es sich an, auf die Nr. 9 der kleinen Belehrung über das richtige Verhalten bei der Benutzung von Rolltreppen hinzuweisen.
Zu der Zeit als Gerhard Schröder oberster Anzugträger der Republik war (die Parvenüs sind übrigens die Schlimmsten), es Winter war und kalt, Graupelschauer über den Platz fegten und ich schwere, dicksohlige Winterstiefel trug, nahm ich nach dem Einkaufen in einem Warenhaus am Alexanderplatz schwer beladen die Rolltreppe hoch zur Bahn. Und dann kam diese Kaugummi kauende Plateausohlengöre mit kurzem Rock über rosafarbenen Leggins, mit Rattenschwänzen über dem Lodenmantel (in meiner Jugend galt das als unchic) und kreuzte weniger als 10 Zentimeter vor dem Handlauf der Treppe den Weg, hinter mir standen dicht gedrängt die anderen, werten Reisenden. Keine Chance zum ausweichen.
„Quik!“ Stolpern, straucheln. Sie fällt auf den Bahnsteig.
„Oh, Verzeihung!“
„Kannst du nicht aufpassen?“
„Oh, Oh, da müssen Sie ein Pflaster drauf tun, das blutet.“
„Blöder Arsch, du hast doch gesehen, dass ich komme!“
„Ohoho, sie sind ja sehr empört, aber was sollte ich machen?“
„Wichser, alter Sack, (...) soll ich dir eins aufs Maul hauen?“
„Ohohoo...?“
Zunächst aber müssen wir ein wenig über Rolltreppen plaudern, denn ich habe noch aus Kindertagen eine nie versiegende Liebe zu diesen Dingern. Wenn ich eine neue Hose oder neue Schuhe brauchte, fuhren wir immer in die Landeshauptstadt in ein großes Warenhaus. Ich liebte diese Ausflüge, denn Ende der 50er Jahre gab es noch sehr selten Rolltreppen und Rolltreppenfahren war ein besonderes Abenteuer. Was passiert, wenn man nicht rechtzeitig vom Laufband springt? Wird man dann in diesen kleinen gezackten Schlitz eingesogen? Die interessanteste Frage aber war: Diese Stufen, die verschwinden doch da unten und was passiert eigentlich, wenn der Keller voll ist? Nun, glücklicherweise sah ich eines Tages, wie zwei Männer in blauer Arbeitskleidung die stählerne Abdeckung entfernten und dann war alles klar. Ist ja auch logisch: Wenn der Keller voll ist, kommen die Männer und holen die Treppenstufen heraus, tragen sie nach oben und die Rolltreppe funktioniert wieder.
An dieser Stelle bietet es sich an, auf die Nr. 9 der kleinen Belehrung über das richtige Verhalten bei der Benutzung von Rolltreppen hinzuweisen.
Zu der Zeit als Gerhard Schröder oberster Anzugträger der Republik war (die Parvenüs sind übrigens die Schlimmsten), es Winter war und kalt, Graupelschauer über den Platz fegten und ich schwere, dicksohlige Winterstiefel trug, nahm ich nach dem Einkaufen in einem Warenhaus am Alexanderplatz schwer beladen die Rolltreppe hoch zur Bahn. Und dann kam diese Kaugummi kauende Plateausohlengöre mit kurzem Rock über rosafarbenen Leggins, mit Rattenschwänzen über dem Lodenmantel (in meiner Jugend galt das als unchic) und kreuzte weniger als 10 Zentimeter vor dem Handlauf der Treppe den Weg, hinter mir standen dicht gedrängt die anderen, werten Reisenden. Keine Chance zum ausweichen.
„Quik!“ Stolpern, straucheln. Sie fällt auf den Bahnsteig.
„Oh, Verzeihung!“
„Kannst du nicht aufpassen?“
„Oh, Oh, da müssen Sie ein Pflaster drauf tun, das blutet.“
„Blöder Arsch, du hast doch gesehen, dass ich komme!“
„Ohoho, sie sind ja sehr empört, aber was sollte ich machen?“
„Wichser, alter Sack, (...) soll ich dir eins aufs Maul hauen?“
„Ohohoo...?“
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Rudi-Löhlein-Gedenktage I
g. | Montag, 16. November 2009, 06:26 | Themenbereich: 'Begegnungen'
Manchmal muss man ja in einer Kneipe essen, auf Dienst- oder Geschäftsreisen z. B. Manchmal hat man Glück und das Essen ist erträglich oder sogar gut, manchmal hat man Pech und manchmal trifft man eine junge Frau, die einem Gesellschaft leistet:
„Hallöle*, du isst auch hier?“
„Ja, ich hoffe es wird nicht furchtbar. Setz dich doch, wenn du magst?“
„Na klar, sag mal, wie fandest du denn die Tagung?“
„Na ging so. Ich hab’ schon schlimmere, aber auch bessere erlebt.“
Und so plauderten wir, der Kellner kam, nahm die Bestellung auf. Wir plauderten weiter:
„Gelernt habe ich mal Hotelfachfrau, das ist aber schon lange her.“
„Ich kannte mal eine Frau, die in einem Sporthotel in der Eifel gelernt hatte, die konnte Geschichten erzählen, Jessas, von rheinischen Damenkegelklubs, die übers Wochenende eine Sause auf Land machen. Anscheinend ist es dabei üblich, mindestens das Hotel zu zerstören. Der Hotelchef gab den männlichen Azubis bei solchen Anmeldungen automatisch frei.“
Wir plauderten und plauderten, das Essen kam. Spaghetti vongole für sie, Lammkotelett mit Rosmarinkartoffeln für mich.
„Haben Sie Maggi?“ fragte sie den Kellner, dem für einen Moment die Gesichtszüge entglitten.
„Kommt sofort“, sagte er und rauschte in die Küche. Vielleicht hatten sie dort etwas zu besprechen.
„Was willst du denn mit Maggi?“
„An Nudeln gehört Maggi!“
Ich reiße die Augenbrauen hoch und denke: ‚Ah ja!’
„So kenne ich das von zu Hause!“ sagt sie mit Trotz in der Stimme.
‚Na ja, o.k.’ denke ich, Spaghetti vongole mit Maggi. Das hätte dem Rudi Löhlein** auch geschmeckt, denke ich.
____________
* Wenn ich ‘Hallöle’ höre, steigt meine Körpertemperatur und Visionen von nicht endenden Schmerzen überfluten mich.
** Wer Rudi Löhlein ist, bleibt vorerst geheim
„Hallöle*, du isst auch hier?“
„Ja, ich hoffe es wird nicht furchtbar. Setz dich doch, wenn du magst?“
„Na klar, sag mal, wie fandest du denn die Tagung?“
„Na ging so. Ich hab’ schon schlimmere, aber auch bessere erlebt.“
Und so plauderten wir, der Kellner kam, nahm die Bestellung auf. Wir plauderten weiter:
„Gelernt habe ich mal Hotelfachfrau, das ist aber schon lange her.“
„Ich kannte mal eine Frau, die in einem Sporthotel in der Eifel gelernt hatte, die konnte Geschichten erzählen, Jessas, von rheinischen Damenkegelklubs, die übers Wochenende eine Sause auf Land machen. Anscheinend ist es dabei üblich, mindestens das Hotel zu zerstören. Der Hotelchef gab den männlichen Azubis bei solchen Anmeldungen automatisch frei.“
Wir plauderten und plauderten, das Essen kam. Spaghetti vongole für sie, Lammkotelett mit Rosmarinkartoffeln für mich.
„Haben Sie Maggi?“ fragte sie den Kellner, dem für einen Moment die Gesichtszüge entglitten.
„Kommt sofort“, sagte er und rauschte in die Küche. Vielleicht hatten sie dort etwas zu besprechen.
„Was willst du denn mit Maggi?“
„An Nudeln gehört Maggi!“
Ich reiße die Augenbrauen hoch und denke: ‚Ah ja!’
„So kenne ich das von zu Hause!“ sagt sie mit Trotz in der Stimme.
‚Na ja, o.k.’ denke ich, Spaghetti vongole mit Maggi. Das hätte dem Rudi Löhlein** auch geschmeckt, denke ich.
____________
* Wenn ich ‘Hallöle’ höre, steigt meine Körpertemperatur und Visionen von nicht endenden Schmerzen überfluten mich.
** Wer Rudi Löhlein ist, bleibt vorerst geheim
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Der arme Franzose
g. | Mittwoch, 11. November 2009, 05:56 | Themenbereich: 'Begegnungen'
In der Maaßenstrasse in Schöneberg (verzeihen sie die Werbung) liegt meine Lieblingsfleischerei. Die besten Knacker der Stadt, wunderbare Buletten, ein Fleischsalat, ich sage ihnen, Mhmm, der Fleischsalat! Und dazu riesige Rindfleischlappen für die besten Rouladen der Welt (also meine), Kalbsschnitzel, Lammwürstchen, Leberkäse und ein Kochschinken, wie sie ihn lange nicht mehr gegessen haben.
Um die Mittagszeit versammeln sich die Handwerker der Umgebung (sie glauben nicht, dass es um den Winterfeld- und Nollendorfplatz noch Handwerker gibt? Doch, doch, es gibt auch noch arbeitende Bevölkerung in Schöneberg.), um den Mittagstisch der Fleischerei zu genießen.
Alle paar Wochen habe ich in der Ecke zu tun.
Natürlich muss man das Paradies auch mit dem Publikum teilen, das samstags auf den Winterfeldmarkt geht.
Ich betrete den Laden, verstaue mein Buch, das ich im Feinkostbuchladen gerade gekauft habe, in meiner Mappe.
„Guten Tag!“
„Guten Tag, was möchten Sie denn?“ Die Fleischwarenfachverkäuferin sieht mich freundlich an.
„Hm, ich weiß noch nicht? Der Schweinebraten sieht gut aus!“
„Wie viel darf’s denn sein?“
„Na sagen wir mal: ein gutes Kilo, mit Kruste bitte!“
Die Verkäuferin legt ein ordentliches Bratenstück auf die Waage. Ein Mann um die Fünfzig, graumeliertes Haar, geschmackvoller Anzug und eine Frau, nur wenig älter, Studienrätin, da gehe ich jede Wette ein. Sie unterhalten sich hinter mir auf Französisch.
„Das wären dann 1200, recht so?“
„Ja, das passt gut und dann brauche ich noch Wurst.“
Die Studienrätin klärt den Herrn auf, über Haltungsbedingungen von Rindern, Hühnern, Schweinen.
„Ah, oui?“ höre ich.
Der Herr wirkt gar nicht mal uninteressiert, nur scheinen ihm die Informationen nicht wirklich neu zu sein.
„Ah, oui!“
Die Belehrungen plätschern so vor sich hin.
„C’est vrai!“
Inzwischen habe ich mich in dem kleinen Laden um die beiden herum geschlängelt und stehe vor der Wurst. Der Herr ist mir mit den Augen gefolgt.
„200 Gramm Kochschinken, bitte!“
Der Herr kann seine Augen nicht von der groben Leberwurst lösen. Die Erklärungen gehen weiter. Der Gesichtsausdruck wechselt von höflichem Interesse zu nackter Gier.
„Zwei Buletten, ein Paar Knacker, ein Paar Wiener.“
Dem Herrn läuft das Wasser im Munde zusammen und ich bedaure, dass ich nicht besser Französisch spreche.
"Die Buletten: Schwein oder Geflügel?"
"Ne, richtige! Also Schwein, meine ich."
"Das hatte ich schon verstanden."
‚Oh Gott’ dachte ich, der arme Mensch. Die Erklärungen sind inzwischen bei Cholesteringehalt und magerem bzw. fettem Fleisch angekommen.
Wenn ich jetzt gut Französisch könnte, dachte ich bei mir, würde ich mit ein paar freundlichen Floskeln ein Gespräch beginnen, um dann nach einigen Minuten und einigen geschickten Manövern, ohne eine peinliche Situation herauf zu beschwören, die Verkäuferin bitten, dem Herrn ein Leberwurstbrötchen zu schmieren, mit einer großen Gewürzgurke daneben auf dem Teller.
Ich glaube, er wäre mir dankbar gewesen.
Um die Mittagszeit versammeln sich die Handwerker der Umgebung (sie glauben nicht, dass es um den Winterfeld- und Nollendorfplatz noch Handwerker gibt? Doch, doch, es gibt auch noch arbeitende Bevölkerung in Schöneberg.), um den Mittagstisch der Fleischerei zu genießen.
Alle paar Wochen habe ich in der Ecke zu tun.
Natürlich muss man das Paradies auch mit dem Publikum teilen, das samstags auf den Winterfeldmarkt geht.
Ich betrete den Laden, verstaue mein Buch, das ich im Feinkostbuchladen gerade gekauft habe, in meiner Mappe.
„Guten Tag!“
„Guten Tag, was möchten Sie denn?“ Die Fleischwarenfachverkäuferin sieht mich freundlich an.
„Hm, ich weiß noch nicht? Der Schweinebraten sieht gut aus!“
„Wie viel darf’s denn sein?“
„Na sagen wir mal: ein gutes Kilo, mit Kruste bitte!“
Die Verkäuferin legt ein ordentliches Bratenstück auf die Waage. Ein Mann um die Fünfzig, graumeliertes Haar, geschmackvoller Anzug und eine Frau, nur wenig älter, Studienrätin, da gehe ich jede Wette ein. Sie unterhalten sich hinter mir auf Französisch.
„Das wären dann 1200, recht so?“
„Ja, das passt gut und dann brauche ich noch Wurst.“
Die Studienrätin klärt den Herrn auf, über Haltungsbedingungen von Rindern, Hühnern, Schweinen.
„Ah, oui?“ höre ich.
Der Herr wirkt gar nicht mal uninteressiert, nur scheinen ihm die Informationen nicht wirklich neu zu sein.
„Ah, oui!“
Die Belehrungen plätschern so vor sich hin.
„C’est vrai!“
Inzwischen habe ich mich in dem kleinen Laden um die beiden herum geschlängelt und stehe vor der Wurst. Der Herr ist mir mit den Augen gefolgt.
„200 Gramm Kochschinken, bitte!“
Der Herr kann seine Augen nicht von der groben Leberwurst lösen. Die Erklärungen gehen weiter. Der Gesichtsausdruck wechselt von höflichem Interesse zu nackter Gier.
„Zwei Buletten, ein Paar Knacker, ein Paar Wiener.“
Dem Herrn läuft das Wasser im Munde zusammen und ich bedaure, dass ich nicht besser Französisch spreche.
"Die Buletten: Schwein oder Geflügel?"
"Ne, richtige! Also Schwein, meine ich."
"Das hatte ich schon verstanden."
‚Oh Gott’ dachte ich, der arme Mensch. Die Erklärungen sind inzwischen bei Cholesteringehalt und magerem bzw. fettem Fleisch angekommen.
Wenn ich jetzt gut Französisch könnte, dachte ich bei mir, würde ich mit ein paar freundlichen Floskeln ein Gespräch beginnen, um dann nach einigen Minuten und einigen geschickten Manövern, ohne eine peinliche Situation herauf zu beschwören, die Verkäuferin bitten, dem Herrn ein Leberwurstbrötchen zu schmieren, mit einer großen Gewürzgurke daneben auf dem Teller.
Ich glaube, er wäre mir dankbar gewesen.
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