Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Mittwoch, 29. Oktober 2008
Schöne, neue, alte Wörter, heute: schüttern
Victor Klemperer verzeichnet am 6. Juni 1920:
„Der Zug schütterte, so dass man beim Lesen die Zeile verliert.“


( Victor Klemperer Tagebücher)
Damit ist wohl gemeint: der Wagon ruckte von links nach rechts. Ein schöner, treffender Ausdruck, auch wenn versetzte Gleise heute eher selten anzutreffen sind, weil Eisenbahnschienen inzwischen, selbst auf den Nebenstrecken, miteinander verschweißt werden und der Schotter beim Bau und bei Erneuerungen oder Reinigungen so zu Recht gerüttelt wird, dass Verschiebungen und Absetzungen nicht mehr oder nur noch selten vorkommen.
Man könnte das Verb aber im übertragenen Sinne verwenden und so für unseren Wortschatz erhalten:

„Die Diskussion schütterte“,
im Sinne von: Der Faden ging immer mal wieder verloren. Das versteht dann kaum jemand, aber das ist ja nicht immer so schlimm.

„Sein Gefühl schütterte“:
Mal entbrennt er in Liebe, mal geht sie ihm auf die Nerven. Mit vertauschten Rollen geht es natürlich auch.

„Die Hand schütterte“.
Auf der Boxhagener Strasse lief einmal ein Mann vor mir, der seine rechte Hand, die Handfläche nach hinten geöffnet in unmotivierten Zuckungen bewegte. Eine Krankheit? Die linke Hand schwang, ganz üblich, am Bein.

Das digitale Wörterbuch der deutschen Sprache:
schüttern

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Montag, 27. Oktober 2008
Wortspiele
„Wer Wortspiele anfertigt und in Umlauf bringt oder Wortspiele von Dritten fahrlässig oder in humoristischer oder sonstewie Absicht verbreitet, wird mit Wortspielhölle nicht unter fünf Jahren bestraft. Auch die Beihilfe ist strafbar. In besonders schweren Fällen kann auch eine unbefristete Strafe ausgesprochen werden.“
In der Wortspielhölle sitzen Werbetexter und müssen bis in alle Ewigkeit ihre Verfehlungen büßen, indem sie
”Was die Spitzin für den Spitz, das ist für den Berliner das Blub in Britz.”
aufsagen müssen. Dort gibt es keine Redefreiheit zu einem besonders günstigen Tarif, sondern Redezwang ohn‘ Unterlass. Eine kaugummikauende 16jährige leiert 24 Stunden affige Friseurnamen herunter, als Hintergrundmusik jault „Cherry, cherry lady ...“ als Video in Endlosschleife. Überlebensgroße Poster von Stars aus Vorabendserien zieren die Wände. Zu jeder vollen Stunde muss man neue Klingeltöne herunterladen. Überhaupt: Es wird viel, sehr viel telefoniert in der Wortspielhölle.

Also Vorsicht.

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