Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Mittwoch, 12. Oktober 2011
Lob der Frauen 4
Schon im Alten Testament wird ein Loblied auf die Frauen gesungen:

„1 Dies sind die Worte des Königs Lamuel, die Lehre, die ihn seine Mutter lehrete:
2 Ach, mein Auserwählter, ach, du Sohn meines Leibes, ach, mein gewünschter Sohn,
3 laß nicht den Weibern dein Vermögen und gehe die Wege nicht, darin sich die Könige verderben!
4 O, nicht den Königen, Lamuel, gib den Königen nicht Wein zu trinken noch den Fürsten stark Getränke.
5 Sie möchten trinken und der Rechte vergessen und verändern die Sache irgend der elenden Leute.
6 Gebet stark Getränke denen, die umkommen sollen, und den Wein den betrübten Seelen,
7 daß sie trinken und ihres Elendes vergessen und ihres Unglücks nicht mehr gedenken.
8 Tu deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind.
9 Tu deinen Mund auf und richte recht und räche den Elenden und Armen.
10 Wem ein tugendsam Weib bescheret ist, die ist viel edler denn die köstlichsten Perlen.
11 Ihres Mannes Herz darf sich auf sie verlassen, und Nahrung wird ihm nicht mangeln.
12 Sie tut ihm Liebes und kein Leides sein Leben lang.
13 Sie gehet mit Wolle und Flachs um und arbeitet gerne mit ihren Händen.
14 Sie ist wie ein Kaufmannsschiff, das seine Nahrung von ferne bringt.
15 Sie stehet des Nachts auf und gibt Futter ihrem Hause und Essen ihren Dirnen.
16 Sie denkt nach einem Acker und kauft ihn und pflanzt einen Weinberg von den Früchten ihrer Hände.
17 Sie gürtet ihre Lenden fest und stärkt ihre Arme.
18 Sie merkt, wie ihr Handel Frommen bringt; ihre Leuchte verlöscht des Nachts nicht.
19 Sie streckt ihre Hand nach dem Rocken, und ihre Finger fassen die Spindel.
20 Sie breitet ihre Hände aus zu dem Armen und reichet ihre Hand dem Dürftigen.
21 Sie fürchtet ihres Hauses nicht vor dem Schnee, denn ihr ganzes Haus hat zwiefache Kleider.
22 Sie macht ihr selbst Decken; weiße Seide und Purpur ist ihr Kleid.
23 Ihr Mann ist berühmt in den Toren, wenn er sitzt bei den Ältesten des Landes.
24 Sie macht einen Rock und verkauft ihn; einen Gürtel gibt sie dem Krämer.
25 Ihr Schmuck ist, daß sie reinlich und fleißig ist; und wird hernach lachen.
26 Sie tut ihren Mund auf mit Weisheit, und auf ihrer Zunge ist holdselige Lehre.
27 Sie schauet, wie es in ihrem Hause zugehet, und isset ihr Brot nicht mit Faulheit.
28 Ihre Söhne kommen auf und preisen sie selig; ihr Mann lobt sie.
29 Viele Töchter bringen Reichtum; du aber übertriffst sie alle.
30 Lieblich und schön sein ist nichts; ein Weib, das den Herrn fürchtet, soll man loben.
31 Sie wird gerühmt werden von den Früchten ihrer Hände; und ihre Werke werden sie loben in den Toren.“
(Sprüche 31 nach der Luther-Übersetzung)
Da hab ich mich mein ganzen Leben dran gehalten und keinem Weib mein Vermögen gegeben. Dies fiel mir auch deshalb besonders leicht, da ich kein Vermögen hatte. Erst seit ich a klein’s Vermögen hab, denk ich anders drüber. (Als Nicht-König falle ich ja eh nicht unter das Sauf-Verbot, also auch da: klar eingehalten. Wobei die Rechtsvorschrift nicht betrunken Recht zu sprechen unmittelbar einleuchtend ist. Und so Elend, dass ich mir aus diesem Grunde einen auf die Glocke gießen müsste, habe ich mich auch noch nicht gefühlt.) Vielleicht bin ich ja doch ein gottesfürchtiger Mann.

Hach, das Alte Testament hat immer so etwas Lebenspraktisches.

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Dienstag, 11. Oktober 2011
Nachtrag zu Ruge I: „Kuldur und Obdimismus“
Der antikommunistische Impetus ist an sich nicht überraschend, die Gleichsetzung des Sächsischen mit dem Ost-Slang hätte ich, trotz Ulbricht, angesichts der zahlreichen Flüchtlinge aus Sachsen, nicht erwartet.



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Montag, 10. Oktober 2011
Eugen Ruge: In Zeiten des abnehmenden Lichts
Vorab: der Roman ist schön geschrieben und beschönigt nichts. Ich kann ihn eigentlich nur uneingeschränkt empfehlen. Dass er dann nur sehr am Rande meine Frageinteressen berührt, dafür kann er natürlich nichts.

Was ich mir erhofft hatte, gerade vor dem Hintergrund des Titels, war eine Auseinandersetzung mit der DDR als gescheitertem Versuch der Vollendung des Projektes der Aufklärung. Darum geht es leider so gut wie gar nicht. Mein zweites Frageinteresse war eine differenziertere Auseinandersetzung mit der Entwicklung der DDR in ideologischer Sicht, sprich in welchen Phasen war aus welchen Gründen die ‚stalinistische’ Politikform herrschend bzw. vorherrschend. Dies wird für meinen Geschmack nur unzureichend reflektiert und dargestellt.
Kurz zum Inhalt:
Erzählt wird die Familiengeschichte der Umnitzers. Eine Zusammenfassung der Handlung können Sie in einer der Rezensionen nachlesen. Tsp., ndr und wenn Sie Frau Radisch aushalten? Eine Leseprobe finden Sie hier und hier liest Eugen Ruge selbst.

Und nun einige verstreute Gedanken zu zwei Figuren:

Zu Wilhelm
„Wilhelm überlegte. Natürlich wusste er, dass er 1919 in die Partei eingetreten war. Er hatte es in Dutzenden Lebensläufen geschrieben. Er hatte es Hunderte Male erzählt: den Genossen, den Arbeitern vom Karl-Marx-Werk, den Jungen Pionieren, aber wenn er zurückdachte, wenn er wirklich versuchte, sich an den Tag zu erinnern, dann erinnerte er sich eigentlich nur noch daran, wie Karl Liebknecht zu ihm gesagt hatte:
- Junge, putz dir doch mal die Nase!
Oder war es gar nicht Liebknecht gewesen? Oder war das gar nicht beim Eintritt in die Partei?“ (S. 190)
Die Figur ist für meinen Geschmack etwas zu plakativ gezeichnet, zu stereotyp stalinistisch, ein Hauch sympathischer, verständnisvoller wäre angebracht gewesen. Seine Erfahrungen im Nationalsozialismus klingen nur entfernt an und der Deutungshorizont dieser Erfahrungen für die DDR-Politik wird genau so eingeschränkt thematisiert wie das Verheizen durch Stalin für nationalistische Großmachtpolitik während der NS-Zeit.
Ich fand es schon in den 70ern und finde es auch heute noch unanständig, dass der Antifaschismus der KPDer bzw. der SED-Altkader (oder wie soll man sie nennen?) nicht anerkannt wird. Die Ablehnung des Stalinismus ist für diese Missachtung nur der unwesentlichste Grund. Überhaupt kam mir die DDR 1989/90/91 (vorher hatte ich mich nur am Rande mit ihr auseinandergesetzt) sehr traditionsverhaftet (nicht nur in dieser Beziehung), unmodern?, rückwärtsbezogen, sowohl bei den Befürwortern wie Gegnern, vor. Ich denke noch mit Grausen und Faszination an die Geschichtskabinette, die mir damals aller Orten begegneten. (Die Ausstellung zur Köpenicker Blutwoche ist eines der wenigen Überbleibsel, die man noch sehen kann.) Inzwischen sind die meisten Kabinette entsorgt. Das Hochhalten des antifaschistischen Widerstandes war ja nicht nur Staffage, es war auch Zentrum des Selbstverständnisses der staatstragenden Gruppen der DDR. In der Bundesrepublik war es bekanntlich weitgehend entgegengesetzt.
Obwohl aus dieser Generation kaum noch jemand lebt, werden politische Auseinandersetzungen in Deutschland auch nach 1990 davon immer noch geprägt.
Dazu kann ich ihnen als weiterführende Lektüre den allseits klugen und gebildeten Daniel Rapoport empfehlen. (Und falls sie den Aufsatz von Rapoport gelesen haben: Saul Ascher könnte man anlässlich des Europatümelns der Rechten auch mal wieder ausgraben.)

Zu Kurt
Kurt ist für meinen Geschmack die interessanteste Figur.
„Lubjanka, Moskau 1941.
Jetzt sah er ihn vor sich. Frappierende Ähnlichkeit: die schmalen Augen, der Bürstenhaarschnitt und sogar die Art, wie er den Aktenordner aufgeschlagen, wie er darin geblättert hatte, ohne hineinzuschauen:
- Sie haben Kritik an der Außenpolitik des genossen Stalin geäußert.
Der Sachverhalt: Anlässlich des „Freundschaftsvertrags“ zwischen Stalin und Hitler hatte Kurt damals an Bruder Werner geschrieben, die Zukunft werde erweisen, ob es vorteilhaft sei, mit einem Verbrecher Freundschaft zu schließen.
Zehn Jahre Lagerhaft.
Wegen antisowjetischer Propaganda und Bildung einer konspirativen Organisation. Die Organisation waren: er und sein Bruder.“ (S. 182)
Kurt steht trotz seiner zehn Jahre Haft und anschließenden Verbannung treu zur DDR. Er arbeitet als Historiker der Arbeiterbewegung und produziert Aufsatz um Aufsatz, Buch um Buch am DDR-Geschichtsbild. Leider wird nicht deutlich warum, unklar bleibt auch – zumindest mir – wie sich dieses Bild von der unmittelbaren Nachkriegszeit über die Ulbricht-Ära hin zu Honecker ändert.

Ein Freund von mir, gelernter DDR-Bürger und Historiker erzählte mir, wie er seine Dissertation auf Geheiß der SED so lange umschreiben musste, bis er sie selbst nicht mehr erkannte und die Thesen der Arbeit nicht mehr mit den Quellen in Einklang gebracht werden konnten. Ich kann mich noch sehr gut an diesen Abend erinnern, als wir trinkend und diskutierend, versuchten einander zu verstehen. Was mir nicht in den Kopf wollte, warum er sich das gefallen ließ (das hatte ich nach einer Stunde kapiert) und warum er nach dieser Erfahrung trotzdem in der SED blieb (es hatte nichts mit Karrieregesichtspunkten zu tun) bzw. warum er sich innerlich nicht davon lösen konnte. Diese Treue will mir immer noch nicht in den Kopf.
Jetzt, zwanzig Jahre später, denkt er an einem System der ökonomischen Planung herum, das moderne Rechentechnik für die Feinplanung nutzbar machen will. Auf mein Argument, dass man doch zumindest Eines von der DDR lernen könne, nämlich dass sich Mikroökonomie nicht vernünftig planen lasse, auch mit bester Rechentechnik nicht, sah er mich bedröppelt an.
Ja das sind so die Sachen, die mich beschäftigen.

Apropos Ökonomie: Anfang der 90er quatschte ich lange mit einem Agrarökonomen der DDR über die 50er, 60er und 70er Jahre. Er erzählte mir, dass das Lebensgefühl in den 50er und 60er Jahren in der DDR sehr unterschiedlich war. Während in der Anfangszeit Fortschritte beim Aufbau des Landes („immer ein bischen weniger als im Westen, aber immerhin“) spürbar waren, sei dies später verloren gegangen und der alltäglichen Erfahrung von Verschleiß, von Rückgang habe Platz machen müssen („Weißt du, wenn du jeden Tag zur Arbeit gehst und das Gefühl hast, es wird immer weniger, dann kannst du eigentlich auch zu Hause bleiben“). Das hat mir sehr zu denken gegeben. Ich bin ja immer noch auf der Suche nach einem Text, der dieses so beschriebene Lebensgefühl bestätigt oder widerlegt. Darüber hinaus scheint es mit den Phasen der Lockerung und Verhärtung auf der ideologischen Ebene in der DDR zu korrespondieren.

Ergänzung 11.10.2011:
Ein Interview mit Ruge im Tagesspiegel

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Montag, 5. September 2011
Lob der Frauen 3
Lob der Frauen

Nun will ich mit dem reinsten Klang
Mein Saitenspiel wohl rühren,
Nun soll sich meines Liedes Sang
Die höchste Wette küren,
Dass Aller Augen auf mich schau'n,
Wenn ich die Kunst erprobe,
Euch holden Mädchen, schönen Frau'n
Zu Liebe und zu Lobe.
Gegrüßet seid mit allem Preis,
Ihr Zarten, Süßen, Losen,
Ihr stolzen, schlanken Lilien weiß
Und ihr, ihr roten Rosen!
Ihr aller Schuld ein Schirm und Dach,
Ein Schild vor allem Leide,
Voll milder Güte ein klarer Bach,
Eine schimmernde Augenweide.
Ihr seid ein edler Würzewein,
Der Liebe Ingesiegel,
Voll süßer Lust ein goldner Schrein,
Der Treue starker Riegel.
Wenn ihr euch lieb und hold mir neigt
Mit eurem Gruß und Segen,
Mir's inniglich zu Herzen steigt
Wie duftiger Maienregen.
Und lächelt mir euer roter Mund,
So bin ich schon eu'r eigen,
Und was mir blüht auf Herzensgrund,
Das kann ich nicht verschweigen.
Minniglich will ich sel'ger Mann
Euch in die Augen schauen,
So lang' ich singen und sagen kann,
Will ich lieben und loben die Frauen.
(Julius Wolff)


Julius Wolff gilt als Butzenscheibendichter. Da könnte etwas dran sein.

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Donnerstag, 1. September 2011
Lob der Frauen 2
Die Entgegnung von A. W. Schlegel nur wenige:
Schillers Lob der Frauen
Ehret die Frauen! Sie stricken die Strümpfe,
Wollig und warm, zu durchwaten die Sümpfe,
Flicken zerrißene Pantalons aus;
Kochen dem Manne die kräftigen Suppen,
Putzen den Kindern die niedlichen Puppen,
Halten mit mäßigem Wochengeld Haus.

Doch der Mann, der tölpelhafte
Find't am Zarten nicht Geschmack.
Zum gegohrnen Gerstensafte
Raucht er immerfort Taback;
Brummt, wie Bären an der Kette,
Knufft die Kinder spat und fruh;
Und dem Weibchen, nachts im Bette,
Kehrt er gleich den Rücken zu. u.s.w.

Erwiederung der Jungfrauen und Junggesellen.
Die Jungfrauen.

Du schiltst die Männer, um die Frau'n zu loben.
Wie ungeschickt, o Schiller! wie verschroben!
Wir können nicht den Bräutigam entbehren:
Nun willst du uns, ihn zu verabscheu'n, lehren?
Nein, geh zu Rath bei'm Wiener Schikaneder!
Der giebt das Seine Jedem so wie Jeder.

»Bei Männern, welche Liebe fühlen,
Fehlt auch ein gutes Herze nicht.
Die sanften Triebe mitzufühlen
Ist dann der Weiber erste Pflicht.
Mann und Weib und Weib und Mann
Reichen an die Gottheit an.«

Die Junggesellen.

Pereat Schiller!
Wir fragen: Was will er?
Der moralische Phantast
Macht uns Männer den Frauen verhaßt.
Wären wir beide so, wie er sagt,
So wären wir mit einander geplagt.

Unser Schikaneder lebe!
Laßt uns seine weisen Lehren
Eifrig durch die That bewähren!
Jeder edle Jüngling strebe
So wie jedes holde Weib,
Daß im Bund von Seel' und Leib
Nach dem heil'gen Schwur der Treue
Alles sich des Lebens freue,
Und die junge Welt erneue.

(August Wilhelm Schlegel)
Der Verweis auf den Wiener Theaterdirektor Emanuel Schikaneder, der das Libretto zu Mozarts Zauberflöte verfasst hat, zielt wohl auf den Schluss der Oper: Tamino und Pamina versprechen sich ewige Liebe, Treue und wollen einen Haufen Kinder:
Es ist das höchste der Gefühle,
Wenn viele, viele, viele, viele,
Pa, pa, pa, pa, pa, pa, geno
Pa, pa, pa, pa, pa, pa, gena
Der Segen froher Eltern seyn;
Wenn dann die kleinen um sie spielen,
Die Eltern gleiche Freude fühlen,
Sich ihres Ebenbildes freun.
O welch ein Glück kann grösser seyn?

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Dienstag, 30. August 2011
Lob der Frauen 1
Schillers Eloge auf die Frauen kennt ja fast jeder:

Würde der Frauen

Ehret die Frauen! sie flechten und weben
Himmlische Rosen ins irdische Leben,
Flechten der Liebe beglückendes Band,
Und in der Grazie züchtigem Schleier
Nähren sie wachsam das ewige Feuer
Schöner Gefühle mit heiliger Hand.

Ewig aus der Wahrheit Schranken
Schweift des Mannes wilde Kraft;
Unstät treiben die Gedanken
Auf dem Meer der Leidenschaft;
Gierig greift er in die Ferne,
Nimmer wird sein Herz gestillt;
Rastlos durch entlegne Sterne
Jagt er seines Traumes Bild.

Aber mit zauberisch fesselndem Blicke
Winken die Frauen den Flüchtling zurücke,
Warnend zurück in der Gegenwart Spur.
In der Mutter bescheidener Hütte
Sind sie geblieben mit schamhafter Sitte,
Treue Töchter der frommen Natur.

Feindlich ist des Mannes Streben,
Mit zermalmender Gewalt
Geht der wilde durch das Leben,
Ohne Rast und Aufenthalt.
Was er schuf, zerstört er wieder,
Nimmer ruht der Wünsche Streit,
Nimmer, wie das Haupt der Hyder
Ewig fällt und sich erneut.

Aber, zufrieden mit stillerem Ruhme,
Brechen die Frauen des Augenblicks Blume,
Nähren sie sorgsam mit liebendem Fleiß,
Freier in ihrem gebundenen Wirken,
Reicher, als er, in des Wissens Bezirken
Und in der Dichtung unendlichem Kreis.

Streng und stolz, sich selbst genügend,
Kennt des Mannes kalte Brust,
Herzlich an ein Herz sich schmiegend,
Nicht der Liebe Götterlust,
Kennet nicht den Tausch der Seelen,
Nicht in Thränen schmilzt er hin;
Selbst des Lebens Kämpfe stählen
Härter seinen harten Sinn.

Aber, wie leise vom Zephyr erschüttert,
Schnell die äolische Harfe erzittert,
Also die fühlende Seele der Fraun.
Zärtlich geängstet vom Bilde der Qualen,
Wallet der liebende Busen, es strahlen
Perlend die Augen von himmlischem Thau.

In der Männer Herrschgebiete
Gilt der Stärke trotzig Recht;
Mit dem Schwert beweist der Scythe,
Und der Perser wird zum Knecht.
Es befehden sich im Grimme
Die Begierden wild und roh,
Und der Eris rauhe Stimme
Waltet, wo die Charis floh.

Aber mit sanft überredender Bitte
Führen die Frauen den Scepter der Sitte,
Löschen die Zwietracht, die tobend entglüht,
Lehren die Kräfte, die feindlich sich hassen,
Sich in der lieblichen Form zu umfassen,
Und vereinen, was ewig sich flieht.
(Friedrich Schiller)
Ach ja, des Schillers Frauen, die unter züchtigem Schleier ihren liebenden Fleiß aller Welt vorstellen. Ich gehöre ja noch einer Generation an, die solche Gedichte auswendig lernen mussten. (nichts gegen das Auswendig lernen von Gedichten, by the way.)

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Montag, 15. August 2011
E.T.A. Hoffmann: Die Automate XXXVI
Jacques Callot, The Seven Deadly Sins - Envy
Vierzehn Tage vergingen, aber Ferdinand kehrte nicht wieder, endlich nach zwei Monaten erhielt Ludwig einen Brief aus B. des Inhalts:
»Lies und erstaune, aber erfahre nur das, was Du vielleicht ahntest, nachdem Du dem Professor, wie ich hoffe, näher getreten. Im Dorfe P. werden Pferde gewechselt, ich stehe und schaue recht gedankenlos in die Gegend hinein.
Da fährt ein Wagen vorbei und hält vor der nahen offnen Kirche; ein einfach gekleidetes Frauenzimmer steigt aus, ihr folgt ein junger schöner Mann in russischer Jägeruniform, mit Orden geschmückt; zwei Männer steigen aus einem zweiten Wagen. Der Posthalter sagt: ›Das ist das fremde Paar, das unser Herr Pastor heut traut.‹ Mechanisch gehe ich in die Kirche und trete ein, als der Geistliche gerade mit dem Segen die Zeremonie endigt. Ich schaue hin, die Braut ist die Sängerin, sie erblickt mich, sie erblaßt, sie sinkt, der hinter ihr stehende Mann fängt sie auf in seine Arme, es ist der Professor X. – Was weiter vorgegangen, weiß ich nicht mehr, auch nicht, wie ich hieher gekommen, Du wirst es wohl vom Professor X. erfahren. Jetzt ist eine nie gefühlte Ruhe und Heiterkeit in meine Seele gekommen. Der verhängnisvolle Spruch des Türken war eine verdammte Lüge, erzeugt vom blinden Hintappen mit ungeschickten Fühlhörnern. Habe ich sie denn verloren? ist sie nicht im innern glühenden Leben ewig mein? Du wirst lange nicht von mir hören, denn ich gehe nach K., vielleicht auch in den tiefen Norden nach P.«
Ludwig ersah aus seines Freundes Worten nur zu deutlich seinen zerrütteten Seelenzustand, und um so rätselhafter wurde ihm das Ganze, als er erfuhr, daß der Professor X. durchaus die Stadt nicht verlassen habe. »Wie«, dachte er, »wenn es nur die Resultate des Konflikts wunderbarer psychischer Beziehungen, die vielleicht unter mehreren Personen stattfanden, wären, die in das Leben traten, und selbst äußere von ihnen unabhängige Begebenheiten so in ihren Kreis zogen, daß sie der getäuschte innere Sinn für eine aus ihm unbedingt hervorgehende Erscheinung hielt und daran glaubte? – Doch vielleicht tritt künftig die frohe Ahnung ins Leben, die ich in meinem Innern trage, und die meinen Freund trösten soll! Der verhängnisvolle Spruch des Türken ist erfüllt und vielleicht gerade durch diese Erfüllung der vernichtende Stoß abgewendet, der meinem Freunde drohte.«
Der etwas brachiale Schluss des Fragmentes.

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Freitag, 12. August 2011
E.T.A. Hoffmann: Die Automate XXXV
»War denn nicht die gehässige Ironie, womit uns der Professor in seinem Hause empfing, nur der Ausdruck des feindlichen Prinzips, und hat er uns mit seinen Automaten nicht nur abfertigen wollen, um alle nähere Beziehung mit mir im extensiven Leben von der Hand zu weisen?« – »Du kannst wohl recht haben,« erwiderte Ludwig, »denn auch ich ahne es deutlich, daß auf irgendeine Weise, die uns nun freilich wenigstens jetzt ein unauflösliches Rätsel bleibt, der Professor in dein Leben oder besser gesagt, in das geheimnisvolle psychische Verhältnis, in dem du mit jenem unbekannten weiblichen Wesen stehst, eingreift. Vielleicht verstärkt er selbst wider seinen Willen, als feindliches Prinzip darin verflochten und dagegen ankämpfend, den Rapport, dessen Kraft eben im Kampfe wächst, und es wäre denkbar, daß ihm dein Nähertreten schon deshalb verhaßt sein müßte, weil dein geistiges Prinzip dann wider seinen Willen, oder vielmehr einer konventionellen Absicht entgegen, alle die Anklänge jenes psychischen Rapports weckt und in neuen lebhafteren Schwung setzt.« – Die Freunde beschlossen nun, kein Mittel unversucht zu lassen, dem Professor X. näher zu treten und vielleicht endlich das Rätsel zu lösen, das so tief auf Ferdinands Leben wirkte; schon am folgenden Morgen sollte ein zweiter Besuch bei dem Professor das Fernere einleiten, ein Brief, den Ferdinand unvermutet von seinem Vater erhielt, rief ihn aber nach B., er durfte sich nicht den mindesten Aufschub verstatten, und in wenigen Stunden eilte er schon mit Postpferden von dannen, indem er seinem Freunde versicherte, daß ihn nichts abhalten würde, spätestens in vierzehn Tagen wieder in J. zu sein. Merkwürdig war es Ludwigen im höchsten Grade, daß er bald nach Ferdinands Abreise von demselben ältlichen Mann, der zuerst von des Professors X. Einwirkung auf den Türken gesprochen, nun erfuhr, wie des Professors mechanische Kunstwerke nur aus einer untergeordneten Liebhaberei hervorgegangen, und daß tiefes Forschen, tiefes Eindringen in alle Teile der Naturwissenschaft eigentlich der unausgesetzte Zweck alles seines Strebens sei. Vorzüglich rühmte der Mann die Erfindungen des Professors in der Musik, die er aber bis jetzt niemanden mitteile. Sein geheimnisvolles Laboratorium sei ein schöner Garten bei der Stadt, und oft hätten schon Vorübergehende seltsame Klänge und Melodien ertönen gehört, als sei der Garten von Feen und Geistern bewohnt.
Wieder kann das Rätsel nicht gelöst werden.

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Mittwoch, 10. August 2011
E.T.A. Hoffmann: Die Automate XXXIV
Plötzlich wehte ein seltsamer Klang durch die Luft, der im stärkern Anschwellen dem Ton einer Harmonika ähnlich wurde. Die Freunde blieben, von innerm Schauer ergriffen, wie an den Boden festgebannt, stehen; da wurde der Ton zur tiefklagenden Melodie einer weiblichen Stimme. Ferdinand ergriff des Freundes Hand und drückte sie krampfhaft an seine Brust, aber leise und bebend sprach Ludwig: »Mio ben ricordati s' avvien ch' io mora.« Sie befanden sich außerhalb der Stadt vor dem Eingange eines mit hohen Hecken und Bäumen umschlossenen Gartens; dicht vor ihnen hatte unbemerkt ein kleines niedliches Mädchen, im Grase sitzend, gespielt, das sprang nun schnell auf und sprach: »Ach, wie schön singt Schwesterchen wieder, ich muß ihr nur eine Blume bringen, denn ich weiß schon, wenn sie die bunten Nelken sieht, dann singt sie noch schöner und länger.« Und damit hüpfte sie, einen großen Blumenstrauß in der Hand, in den Garten, dessen Türe offen stehen blieb, so daß die Freunde hineinschauen konnten. Aber welch ein Erstaunen, ja welch ein inneres Grausen durchdrang sie, als sie den Professor X. erblickten, der mitten im Garten unter einer hohen Esche stand. Statt des zurückschreckenden ironischen Lächelns, mit dem er die Freunde in seinem Hause empfing, ruhte ein tiefer melancholischer Ernst auf seinem Gesicht, und sein himmelwärts gerichteter Blick schien wie in seliger Verklärung das geahnete Jenseits zu schauen, was hinter den Wolken verborgen und von dem die wunderbaren Klänge Kunde gaben, welche wie ein Hauch des Windes durch die Luft bebten. Er schritt langsam und abgemessen den Mittelgang auf und nieder, aber in seiner Bewegung wurde alles um ihn her rege und lebendig, und überall flimmerten kristallne Klänge aus den dunklen Büschen und Bäumen empor und strömten, vereinigt im wundervollen Konzert, wie Feuerflammen durch die Luft, ins Innerste des Gemüts eindringend und es zur höchsten Wonne himmlischer Ahndungen entzündend. Die Dämmerung war eingebrochen, der Professor verschwand in den Hecken, und die Töne erstarben im Pianissimo. Endlich gingen die Freunde im tiefen Schweigen nach der Stadt zurück; aber als Ludwig sich nun von dem Freunde trennen wollte, da drückte ihn Ferdinand fest an sich und sprach: »Sei mir treu! – sei mir treu! – ach, ich fühle es ja, daß eine fremde Macht in mein Inneres gedrungen und alle die im Verborgenen liegenden Saiten ergriffen hat, die nun nach ihrer Willkür erklingen müssen, und sollte ich darüber zugrunde gehen! –«
Das Geheimnis kann nicht gelüftet werden.

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Montag, 8. August 2011
E.T.A. Hoffmann: Die Automate XXXIII
»Kann denn«, erwiderte Ludwig, »die Musik, die in unserm Innern wohnt, eine andere sein als die, welche in der Natur wie ein tiefes, nur dem höhern Sinn erforschliches Geheimnis verborgen, und die durch das Organ der Instrumente nur wie im Zwange eines mächtigen Zaubers, dessen wir Herr worden, ertönt? Aber im rein psychischen Wirken des Geistes, im Traume ist der Bann gelöst, und wir hören selbst im Konzert bekannter Instrumente jene Naturlaute, wie sie wunderbar, in der Luft erzeugt, auf uns niederschweben, anschwellen und verhallen.« »Ich denke an die Äolsharfe,« unterbrach Ferdinand den Freund; »was hältst du von dieser sinnigen Erfindung?« »Die Versuche,« erwiderte Ludwig, »der Natur Töne zu entlocken, sind allerdings herrlich und höchst beachtenswert, nur scheint es mir, daß man ihr bis jetzt nur ein kleinliches Spielzeug darbot, das sie mehrenteils wie in gerechtem Unmute zerbrach. Viel größer in der Idee als alle die Äolsharfen, die nur als musikalische Ableiter der Zugluft zum kindischen Spielwerk geworden, ist die Wetterharfe, von der ich einmal gelesen. Dicke, in beträchtlicher Weite im Freien ausgespannte Drähte wurden von der Luft in Vibration gesetzt und ertönten in mächtigem Klange.
Überhaupt bleibt hier dem sinnigen, von höherem Geiste beseelten Physiker und Mechaniker noch ein weites Feld offen, und ich glaube, daß bei dem Schwunge, den die Naturwissenschaft erhalten, auch tieferes Forschen in das heilige Geheimnis der Natur eindringen und manches, was nur noch geahnet, in das rege Leben sichtlich und vernehmbar bringen wird.« –
Äolsharfe

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