Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Fundstücke 04. bis. 08. KW 2011
Hintergründe und Sichtweisen:
  • Noam Chomsky: Unterstellte Zustimmung - Überlegungen zur Theorie und Praxis der Demokratie
  • Der Historiker Stephan Malinowski im Gespräch über die Feudalisierung des Bürgertums, die Krise des deutschen Adels und die Geburt des Führerkults aus dem Geist des Wilhelminismus via metalust
  • Der Wertbegriff bei Karl Marx
  • Michael Tobias Koltan: Die Konzeption der Geschichte in der „Deutschen Ideologie“ von Karl Marx und Friedrich Engels
  • Über den Fortschrittsbegriff der Sozialdemokraten
  • Das Ende der Aufklärung? Safranski gegen Greffrath


  • kluges und interessantes:
  • Dirk Schäfer über Edward L. Bernays, den Vater der Propaganda.
    via exportabel
  • Wenn “antiwestlich”, dann “totalitär” – wenn “prowestlich”, dann bloß “autoritär”
  • Wolfram Schütte über den Arbiter elegantiarum Karl Theodor zu Guttenberg
  • Die Fortsetzung: »Dummheit und Stolz wachsen auf einem Holz.«
  • Hajo Steinert: Wie sich ein Verteidigungsminister verteidigt


  • Rober Misik über den Kommunsimus der Gesine Lötsch
  • Und eine Art Entgegnung von Frau Lötsch


  • Arabische Volksbewegungen & europäische »Volksdemokratien«. Von WOLFRAM SCHÜTTE
  • Filmregisseur Veiel über seinen Berlinale-Beitrag "Wer wenn nicht wir"


  • Neue Wörter:
  • Projektorauge


  • amüsantes:
  • Der traurigste Bär der Welt via Astrid Paprotta
  • Magali Heißler hat einen wunderschönen Verriss über Cora Stephan geschrieben


  • Sonstiges:
  • Falco - no time for Revolution
  • Der Witz der Vorstädte
  • Kommentieren




    jean stubenzweig, Freitag, 25. Februar 2011, 08:33
    «Safranski gegen Greffrath» ist das eigentlich eher nicht, finden da doch einige Übereinstimmungen statt. Anlehnen könnte man das daran, daß die Romantik eben nicht grundsätzlich konträr zur Aufklärung stand, sondern die intellektuelleren Köpfe einen anderen Weg suchten. Ich würde es daher fast nennen wollen: «Safranski mit Greffrath» – auf der Suche.

    Weiter bin ich noch nicht (von Malinowski abgesehen). Aber einmal mehr: Dank! für die Hinweise.

    g., Samstag, 26. Februar 2011, 06:34
    Ich habe es in der Tat eher als Streitgespräch wahrgenommen, in weiten Teilen als Streit sehr unterschiedlicher Haltungen und Weltwahrnehmungen.
    Wobei ich vorausschicken muss, dass ich letzen Sommer Safranskis Romantikbuch gelesen habe. Das fand ich sehr enttäuschend. Wie ja mehrfach hier bei mir im Blog angeklungen ist, beschäftige ich mich zurzeit mit Aufklärung & Romantik und während ich mich durch Textberge lese, dachte ich mir, könnte ein einordnender Überblick nicht schaden. Safranskis hoch gelobtes Romantikbuch sollte diese Funktion erfüllen. Leider sammelt er meiner Wahrnehmung nach nur Belege um die überkommenen Bilder zu perpetuieren und das in weiten Teilen aus der Sekundärliteratur. Eine Auseinandersetzung mit den Ursprungstexten fehlt weitgehend.
    Aber zurück zu der Debatte.

    Safranski vermischelt für meinen Geschmack zu sehr die Niederlagen im Streit mit der Sache selbst. Wenn der aufklärerische Impuls von interessierter Seite bekämpft wird spricht das doch nicht gegen diesen Impuls. Solche Stellen meine ich:
    „nämlich dass Wissenschaft letztlich auch nur ein Teilsystem ist. Welterklärung? Das können wir uns doch abschminken, das ist doch alles mittlerweile sehr industriell pragmatisch verfasst, überall an Interessen gebunden.“ (S.2)
    Greffrath versucht dann dagegen zu halten, indem er Safranskis, böse gesagt, ‚Gewaber’ historisch und begrifflich erdet:
    „Ein Dilemma, das Rousseau schon vorausgesehen hat mit seiner Unterscheidung von volonté générale und volonté de tous. Die Demokratie, wie sie bei uns organisiert ist, ist eben nicht die wie auch immer legitimierte Macht, die der Vernunft und damit dem Allgemeinwohl zur Durchsetzung verhilft (volonté générale) , sondern hat Verfahren entwickelt, den Willen von allen, die Vielzahl an Einzelinteressen (volonté de tous) abzubilden...“
    oder:
    „Wir verstehen unter Aufklärung ja immer ein optimistisches Projekt. Wir denken: Das Licht am Ende des Tunnels, das ist Aufklärung. Da schwingen noch alte Heilsvorstellungen mit. Aber das ist eben nur eine von vielen Möglichkeiten, sich mit dem sonderbaren Vorkommnis Mensch, das man selbst ist, zu beschäftigen. Die andere Betrachtungsweise ist: Du klärst dich auf und wirst mit dem Entsetzen konfrontiert – wie Ödipus, der sich am Ende blendet.“ (S.3)
    Greffrath hält wiederum dagegen:
    „Der Mensch mag ja tatsächlich von Aufklärung und Selbstbestimmung überfordert sein, aber das ist meines Erachtens kein Argument gegen das aufklärerische Projekt. Man kann die Tür zur Erkenntnis doch nicht öffnen und dann die Hand auf dem Drücker halten, denn früher oder später wird jemand kommen und hindurchgehen.“

    jean stubenzweig, Samstag, 26. Februar 2011, 09:20
    Da stimmen wir im wesentlichen überein. Auch ich halte Safranski für überschätzt, im besonderen, was diese Epoche betrifft. Die Gründe haben Sie genannt. Wahrscheinlich war mal wieder dringend ein Buch fällig. Der Begriff Romantik ist schließlich in aller Munde. Kunst und auch sekundäre Literatur sind da weitaus ergiebiger, aber das macht bekanntlich Arbeit. Dennoch: Ich habe dieses Gespräch mehr als Ergänzung für eine Auseinandersetzung gelesen. Man kann ja froh sein, daß das überhaupt noch thematisiert werden.

    g., Sonntag, 27. Februar 2011, 07:04
    Da wiederum kann ich ihnen nur zustimmen (Jessas, beinahe hätte ich ‘voll inhaltlich’ geschrieben).
    Ihr Lob, erneut zu thematisieren, dass das Projekt Aufklärung (Greffrath: „Würde der Gott der Aufklärung ins Internet schauen, so würde er sehen, dass die Partie noch immer unentschieden ist.“) nicht überholt ist, sondern noch eingelöst werden muss, gebührt aber der Zeit.

    damals, Sonntag, 27. Februar 2011, 16:08
    Schöne Diskussion - danke für den Hinweis. Besonders bedenkenswert fand ich ja den Hinweis auf die Endlichkeit, der auf S. 3, fiel: Die - christliche - Religion hat ja dieses Problem, die Angst vor dem Tod, vor dem, was größer ist als wir, durch einen etwas unfairen Denktrick weggezaubert, die aufgeklärte Wissenschaft dagegen hat mit Aufschieben (Medizin) und Verdrängung (Altersheime) reagiert. Auch insofern ist die Partie (die auch wir, lieber Herr G., neulich hier in den Kommentaren noch einmal nachgespielt haben) tatsächlich immer noch unentschieden. Wahrscheinlich müsste das, was der Aufklärung und ihren Töchtern Emanzipation und Individualismus fehlt, gar nicht im landläufigen Sinne Religion sein, sondern die Fähigkeit, das eigene Ich überindividuell, als Teil der Menschheit beispielsweise - oder der auf der Erde befindlichen Lebewesen - zu denken.

    g., Montag, 28. Februar 2011, 05:50
    Die Romantik als Tochter der Aufklärung, das ist ein interessantes und treffendes (und schönes) Bild.