Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Mittwoch, 14. November 2012
Schwere Entscheidung
Gestern bei meinem Zigarettenhändler.

Ich gehe ja lieber in diese Berliner Eckläden, die neben Tabak und Zigaretten auch Bier, Schnaps, Wein und seit einigen Jahren auch so Gesöffe wie Red Dingsbums, also in Sprudel aufgelöste Gummibärchen sowie Zeitschriften und Süßigkeiten und Schulhefte und anderen Krimskrams führen.

Mein Eckladen wird von einer türkischen Familie betrieben, die nebenberuflich auch noch Sozialarbeiterfunktionen für den Kiez ausüben, also alten Leuten beim Briefmarken aufkleben helfen, Touristen zum S-Bahnhof weisen und den Kampftrinkern gelegentlich bedeuten, dass sie jetzt aber auch mal genug hätten.
Es gibt ja noch erstaunlich viele von diesen Läden.

Gestern nun kam ich von der Arbeit und wollte noch schnell die Zigarettenbestände auffüllen. Vor mir stand ein schüchterner junger Mann, dessen Kopf etwa bis zu meiner Gürtelschnalle ging. Hinter dem Tresen stand der ca. 25-jährige Sohn und wartete geduldig, gelegentlich beim Kopfrechnen aushelfend, den der etwa 4-jährige Kunde vor mir schien wild entschlossen sein gesamtes wöchentliches Taschengeld in Süßkram umzusetzen. In einer Papiertüte war schon eine beträchtliche Sammlung von Brausepulver, Schokoriegeln und Gummimäusen versammelt. Der Verkäufer hatte alles eingetippt und wohl auch schon den einen oder anderen Kauf storniert, weil Umentscheidungen nötig geworden waren.

Ich kannte das Problem: Welches ist die beste Mischung aus Comics, Süßigkeiten und Plastikblasrohren bei gegebener Barschaft? Zwei Falkhefte, eine Honigmuschel, drei Bogen Esspapier und ein grünblaubraun marmoriertes Blasrohr nebst Knetmasse als Munition oder Ein Tiborheft, eine Lakritzrolle, damals Bärendreck genannt, x Bögen Esspapier und ein Petzspender mit Goofykopf? Schwer: wie viel kostet jeder einzelne Posten und wie viel Vergnügen spendet jeder Posten bzw. in welcher Kombination winkt das höchste Vergnügen? Alles nicht so einfach.

Nun, der junge Mann vor mir schien den größten Teil dieser komplexen Überlegungen, Berechnungen und Abwägungen schon hinter sich gebracht zu haben. Nur eine Frage stand noch im Raum: er hielt zwei postkartengroße mit Schokolade überzogene Kaugummitafeln in den Händen. Die eine Tafel war mit einem großen Mr. Spock geschmückt, die andere zeigte das Raumschiff Enterprise vor einem Quasar oder wie die Dinger heißen. Welche sollte er wählen?

Der Verkäufer und ich sahen uns an und lächelten uns zu. Ich wog bedenklich mein Haupt: „Schwierige Entscheidung.“ Der Verkäufer nickte und sagte: „Ich würde die Enterprise nehmen.“

Erleichtert nickte der Kleine und der Verkauf war perfekt.

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