Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Mittwoch, 7. Dezember 2011
Internetgewese
Ich hab mal ein bisschen bei den Internetenthusiasten herum gelesen:
  1. Sollte man von „digitaler Vernetzung“ sprechen, wenn Menschen miteinander reden oder sich schreiben? Das Internet tut ja nix, es ist das Medium, in dem Menschen das tun. Sollte man dabei von „Sphäre“ reden? Wenn auf einem Marktplatz Wurst und Gemüse und billige Klamotten verkauft werden, Kunden und Händler ihre Gespräche führen, Passanten sich über andere Passanten lustig machen, Herr A. Herrn B. etwas über die Erlebnisse der letzten Woche erzählt, sich zwei Leute beschimpfen und ein Dritter versucht mäßigend einzuwirken, sollte man das dann eine „Sphäre“ nennen oder ist das nur metaphysisches Geschwätz?
  2. „Das Internet ist Geburtsort und Lebensraum der Kommunikationsgesellschaft und somit Chiffre für einen Epochenwandel“ Schon wenn ich mir den Geburtsort einer Gesellschaft vorstellen soll, wird’s mir so … da mag ich dann den Lebensraum dieser Gesellschaft schon nicht mehr nachphantasieren. War da noch was? Ach ja die „Chiffre“ (von arabisch sifr „leer, Null“) und der Epochenwandel. Welche Epoche wandelt sich denn da?
  3. „Die Hierarchie zwischen Sender und Empfängern ist im Netz bekanntlich aufgehoben“ las ich kürzlich und dachte spontan: ist das denn so? Warum gehen dann so viele Leute zu SPON ( „Unser täglich SPON gib uns heute“ ) oder Telepolis? Wer eine Vorgabe macht bestimmt in gewissem Umfang den Tenor, da beißt die Maus keinen Faden ab. Wer schreibt sendet und wer liest empfängt.
  4. Und weiter „Jede Meinung verhilft sich zu ihrem Recht, öffentlich oder halböffentlich geäußert zu werden.“ Öffentlichkeit ist der Gegenbegriff zum Privaten (eigentlich umgekehrt, aber das ist andere Debatte) und setzt eine breitere Wahrnehmung, einen Focus auf etwas voraus. Gespräche am Stammtisch wurden in der guten alten Zeit nicht zur Öffentlichkeit gezählt. Am Stammtisch wurden die Absprachen getroffen, die dann später auf der öffentlichen Gemeinderatssitzung nicht mehr diskutiert wurden. Gegenöffentlichkeit war der Versuch dem etwas entgegen zu setzen. Das hat nie wirklich gut funktioniert. „Das Gegen- braucht heute kein Mensch mehr.“ Und zwar weil angeblich jeder ins Internet hineinschreiben kann. Ich weiß ja nicht, ich weiß ja nicht, im Netz konstituiert sich doch keine Öffentlichkeit, zumindest nicht in dem Verständnis wie ich es oben angedeutet habe. Wenn viele reden und alle von etwas anderem und sich keiner wirklich für die Überlegungen der anderen interessiert, ist doch keine Öffentlichkeit hergestellt, sondern bestenfalls eine Stimmung ablesbar. Die Öffentlichkeit 2.0 ist keine. Sie müsste erst hergestellt werden.
  5. Und ob es zu wenig Meinungen in und ausserhalb des Netzes gibt und gab, wäre dann auch noch mal so eine Frage.
  6. dass Technologien per se einen emanzipativen Impetus hätten wäre mir auch neu.
  7. Über das Automatengewese hatten wir uns ja schon in diesem Blog unterhalten.

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