Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Dienstag, 5. April 2011
Brentano ist Schuld,
schließlich hat er die unselige Maid auf der Loreley erfunden und seither treibt sie ihr Unwesen. So nimmt es nicht Wunder, dass zuletzt am 13. Januar 2011 ein, mit 2400 Tonnen konzentrierter Schwefelsäure beladenes Tankschiff vor der Lorely kenterte.
Die Folie für seine Sage von der schönen Zauberin, die aus Liebeskummer die Schiffe auf dem Rhein ins Verderben stürzt dürfte der Echo-Mythos sein.
Loreley

Zu Bacharach am Rheine
wohnt' eine Zauberin,
die war so schön und feine
und riß viel Herzen hin.

Und machte viel zuschanden
der Männer rings umher,
aus ihren Liebesbanden
war keine Rettung mehr!

Der Bischof ließ sie laden
vor geistliche Gewalt
und mußte sie begnaden,
so schön war ihr' Gestalt.

Er sprach zu ihr gerühret:
"Du arme Lore Lay!
Wer hat dich denn verführet
zu böser Zauberei?"

"Herr Bischof, laßt mich sterben,
ich bin des Lebens müd,
weil jeder muß verderben,
der meine Augen sieht'

Die Augen sind zwei Flammen,
mein Arm ein Zauberstab -
schickt mich in die Flammen,
o brechet mir den Stab!"

Ich kann dich nicht verdammen,
bis du mir erst bekennt,
warum in deinen Flammen
mein eignes Herz schon brennt!

Den Stab kann ich nicht brechen,
du schöne Lore Lay!
Ich müßte denn zerbrechen
mein eigen Herz entzwei!

"Herr Bischof, mit mir Armen
treibt nicht so bösen Spott
und bittet um Erbarmen
für mich den lieben Gott?

Ich darf nicht länger leben,
ich liebe keinen mehr, -
den Tod sollt Ihr mir geben,
drum kam ich zu Euch her!

Mein Schatz hat mich betrogen,
hat sich von mir gewandt,
ist fort von mir gezogen,
fort in ein fremdes Land.

Die Augen sanft und wilde,
die Wangen rot und weiß,
die Worte still und milde,
das ist mein Zauberkreis.

Ich selbst muß drin verderben,
das Herz tut mir so weh,
vor Schmerzen möcht' ich sterben,
wenn ich mein Bildnis seh'.

Drum laß mein Recht mich finden,
mich sterben wie ein Christ,
denn alles muß verschwinden,
weil es nicht bei mir ist! -

Drei Ritter läßt er holen:
"Bringt sie ins Kloster hin!
Geh, Lore! Gott befohlen
sei dein berückter Sinn!

Du sollst ein Nönnchen werden,
ein Nönnchen schwarz und weiß,
bereite dich auf Erden
zu deines Todes Reis' ! -

Zum Kloster sie nun ritten,
die Ritter alle drei
und traurig in der Mitten
die schöne Lore Lay.

"O Ritter, laßt mich gehen
auf diesen Felsen groß,
ich will noch einmal sehen
nach meines Lieben Schloß.

Ich will noch einmal sehen
wohl in den tiefen Rhein
und dann ins Kloster gehen
und Gottes Jungfrau sein!"

Der Felsen ist so jähe,
so steil ist seine Wand,
doch klimmt sie in die Höhe,
bis daß sie oben stand.

Es binden die drei Reiter
die Rosse unten an
und klettern immer weiter
zum Felsen auch hinan.

Die Jungfrau sprach: "Da gehet
ein Schifflein auf dem Rhein,
der in dem Schifflein stehet,
der soll mein Liebster sein!

Mein Herz wird mir so munter,
er muß mein Liebster sein!"
Da lehnt sie sich hinunter
und stürzet in den Rhein.

Die Ritter mußten sterben,
sie konnten nicht hinab;
sie mußten all' verderben,
ohn' Priester und ohn' Grab!

Wer hat dies Lied gesungen?
Ein Schiffer auf dem Rhein,
und immer hat's geklungen
von dem Dreirittetstein:
Lore Lay!
Lore Lay!
Lore Lay!
Als wären es meiner drei!
(Clemens Brentano 1801)
Der Nächste in der Reihe war Otto von Loeben, der sich meist Isidorus Orientalis nannte:
Der Lurleyfels

Da wo der Mondschein blitzet
Um's höchste Felsgestein,
Das Zauberfräulein sitzet,
Und schauet auf den Rhein.

Es schauet herüber, hinüber,
Es schauet hinab, hinauf,
Die Schifflein ziehn vorüber,
Lieb' Knabe, sieh' nicht auf

Sie singt dir hold zum Ohre,
Sie blickt dich thöricht an,
Sie ist die schöne Lore,
Sie hat dir's angethan.

Sie schaut wohl nach dem Rheine,
Als schaute sie nach dir,
Glaub's nicht daß sie dich meine,
Sieh' nicht, horch nicht nach ihr!

So blickt sie wohl nach allen
Mit ihrer Äuglein Glanz,
Läßt her die Locken wallen
Unter dem Perlenkranz.

Doch wogt in ihrem Blicke
Nur blauer Wellen Spiel,
Drum scheu die Wassertücke,
Denn Flut bleibt falsch und kühl.
(Otto Heinrich Graf von Loeben 1821)
Die Fassung von Heinrich Heine kennt ja jeder:
Loreley

Ich weiß nicht was soll es bedeuten,
Dass ich so traurig bin;
Ein Märchen aus alten Zeiten,
Das kommt mir nicht aus dem Sinn.

Die Luft ist kühl und es dunkelt,
Und ruhig fließt der Rhein;
Der Gipfel des Berges funkelt
Im Abendsonnenschein.

Die schönste Jungfrau sitzet
Dort oben wunderbar;
Ihr goldnes Geschmeide blitzet,
Sie kämmt ihr goldenes Haar.

Sie kämmt es mit goldenem Kamme
Und singt ein Lied dabei;
Das hat eine wundersame,
Gewaltige Melodei.

Den Schiffer im kleinen Schiffe
Ergreift es mit wildem Weh;
Er schaut nicht die Felsenriffe,
Er schaut nur hinauf in die Höh.

Ich glaube, die Wellen verschlingen
Am Ende Schiffer und Kahn;
Und das hat mit ihrem Singen
Die Lore-Ley getan.
(Heinrich Heine: Buch der Lieder 1827)
Heine betörte damit die halbe Welt. Sein Lied wurde mehrfach vertont. Die berühmteste Vertonung ist von Friedrich Silcher 1837, dann schrieb 1841 und in überarbeiteter Fassung 1856 Franz Liszt eine Melodie. 1843 folgte dann Clara Schuhmann. Auch heute noch scheint sich der eine oder andere an einer Vertonung zu versuchen.

Eichendorffs Loreley hatten wir schon.

1932, einhundert Jahre später nahm Erich Kästner den Stoff noch einmal auf:
Der Handstand auf der Loreley
Nach einer wahren Begebenheit

Die Loreley, bekannt als Fee und Felsen,
ist jener Fleck am Rhein, nicht weit von Bingen,
wo früher Schiffer mit verdrehten Hälsen,
von blonden Haaren schwärmend, untergingen.

Wir wandeln uns. Die Schiffer inbegriffen.
Der Rhein ist reguliert und eingedämmt.
Die Zeit vergeht. Man stirbt nicht mehr beim Schiffen,
bloß weil ein blondes Weib sich dauernd kämmt.

Nichtsdestotrotz geschieht auch heutzutage
noch manches, was der Steinzeit ähnlich sieht.
So alt ist keine deutsche Heldensage,
daß sie nicht doch noch Helden nach sich zieht.

Erst neulich machte auf der Loreley
hoch überm Rhein ein Turner einen Handstand!
Von allen Dampfern tönte Angstgeschrei,
als er kopfüber oben auf der Wand stand.

Er stand, als ob er auf dem Barren stünde.
Mit hohlem Kreuz. Und lustbetonten Zügen.
Man frage nicht: Was hatte er für Gründe?
Er war ein Held. Das dürfte wohl genügen.

Er stand, verkehrt, im Abendsonnenscheine.
Da trübte Wehmut seinen Turnerblick.
Er dachte an die Loreley von Heine.
Und stürzte ab. Und brach sich das Genick.

Er starb als Held. Man muß ihn nicht beweinen.
Sein Handstand war vom Schicksal überstrahlt.
Ein Augenblick mit zwei gehobnen Beinen
ist nicht zu teuer mit dem Tod bezahlt!

P.S. Eins wäre allerdings noch nachzutragen:
Der Turner hinterließ uns Frau und Kind.
Hinwiederum, man soll sie nicht beklagen.
Weil im Bezirk der Helden und der Sagen
die Überlebenden nicht wichtig sind.
(Erich Kästner)
Ebenfalls 1932 lobte Kurt Tucholsky die Loreley von Karl Valentin Zwecks Lachung über alle Maßen.
Grüßt Gott, und ich habe die Ehre,
das heißt, ich bin halt so frei,
Sie werden mich alle wohl kennen,
man heißt mich kurz die Loreley.
Valentins Text kann man vollständig hier nachlesen und hier (Nr. 17) hören. Bei der allseits für ihre politische Ausgewogenheit beliebten Welt gibt es eine Klickstrecke, das zweite Bild zeigt Karl Valentin als Loreley.

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