Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Mittwoch, 1. Dezember 2010
Ludwig Tieck: Die beiden merkwürdigsten Tage aus Siegmunds Leben XXII
Zwei Herzen, die ungerecht behandelt wurden, finden sich.
Siegmund erinnerte sich nun, was ihm der Wirt am Morgen von diesem Mädchen gesagt hatte, und er fand sich jetzt schon aufgelegt, ihm kein Wort zu glauben.

»Man hat gewiß von mir nachteilig zu Ihnen gesprochen«, fuhr die unbekannte Schöne fort, »aber ich versichere Sie, es ist Verleumdung gewesen.«

Siegmund bestätigte alles, was sie sagte; beide schimpften mit vereinigten Kräften auf die Bosheit der Welt, daß gerade die schlechtesten Menschen am schlechtesten von andern redeten. »Hüten Sie sich besonders vor Ihrem Wirte!« sagte die Schöne sehr eifrig; »er ist der größte Betrüger in der ganzen Stadt, ziehn Sie sobald als möglich von ihm aus, sonst wird er Ihnen eine ungeheure Rechnung machen!«

Siegmund erschrak nicht wenig über diese Nachricht; er glaubte schon die geschriebene Summe zu sehen, die er dem wohlbeleibten Manne auszahlen solle.

Man sprach noch viel über die mannigfaltigen und zusammengesetzten Charaktere der Menschen, über Bosheit und Niederträchtigkeit, Edelsinn und Rechtschaffenheit Siegmund hatte es ganz vergessen, in welchem Hause er sich befand, und moralisierte tapfer darauflos.
Schön auch die kleinen Brechungen.

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