Schnipsel
g. | Donnerstag, 25. Oktober 2012, 06:44 | Themenbereich: 'so dies und das'
Manchmal lese ich irgendwo etwas und was mir dazu einfällt, schreibe ich dann auf:
- „Alle Heten sind natürlich negativ auf Schwule bezogen, was denn sonst? Das meint doch Heteronormativität.“ Da kann man doch gleich auch „Aufklärung ist totalitär“ für zustimmungsfähig halten.
- Wenn man die Bedeutung von Wörtern verändert, muss man sich darüber im Klaren sein, dass man falsch verstanden wird. „Rassist“ z. B. bezeichnet üblicherweise ein bestimmtes Verhalten oder eine Grundeinstellung, zudem ist es eine Beleidigung. Wenn man die Bedeutung hin zu einem gesellschaftlichen Verhältnis verändert, kann ein Satz wie „Du bist ein Rassist“ nur falsch verstanden werden. Das ist dann eben keine Zuspitzung, sondern eine Provokation.
- Das für alle Beteiligten Angenehme an dieser Art von Kritik ist ja, dass sich die Einen gut fühlen und die Anderen es mühelos zurückweisen können.
- Ach ja, und: bei Bourdieu existiert der Habitus, er gibt nicht vor.
- Die Lust an der Scham.
- Privileg bedeutet übrigens Vorrecht und nicht, dass man es leichter hat im Leben.
- Oh heilige Judith der Unschärfe
- “Alle Männer sind Vergewaltiger” ist auch so ein Satz aus dieser Reihe. Das ist auch keine Zuspitzung.
- Ich muss mal aufschreiben, wer mir in den letzten Jahrzehnten so alles halbgare Theoriebröckchen als supertolle neue Weisheiten um die Ohren gehauen hat. Und da soll man nich zum Adultisten werden.
- Das ganze Drama der Pubertät als “Ich bin doch nicht schwul!”. Wow, so was wird ernsthaft geglaubt? Hört sich ja eher nach dem Penisneid der Mädels an, den es früher gegeben haben soll.
- Erst bastelt man sich eine gesellschaftliche Struktur so zusammen, wie sie einem passt, und dann redet man über das Einüben derselben.
- Wenn man sich nur mit Charaktermasken unterhält und vornehmlich solche sieht, läuft etwas richtig schief im Universum.
- Ich beschwöre herbei, du beschwörst herbei, wir beschwören herbei, …
- Eine Falafel ist auch nur eine beleidigte Currywurst
- eine weitgehend ins Moralisch-Symbolische verschobene Politik ist eigentlich keine Politik mehr, wenn das Persönliche nicht mehr vom Politischen unterschieden wird, wird es schnell belanglos.
- „Und so essen sie korrekt und erziehen sie korrekt und fördern sie korrekt und fahren sie korrekt; und ich, das Bürgerkind, dessen Eltern am Küchentisch noch geraucht haben, sehe das“ (Stefan Gärtner)
- Gefühliges Haltungsturnen
- Für Silvester vornehmen? Auf verbale Angriffe nur noch mit "Gott liebt auch dich" reagieren.
- „daß die Scham nur noch im Zusammenhang mit dem Zustand sexueller Verklemmung gedacht wird“ (Silvia Bovenschen) Stimmt. Über die Berechtigung oder sogar Notwendigkeit von Scham (in welchen Bereichen?) müsste man auch mal nachdenken.
- „Man müsse, so Ankersmit, die sinnlich wahrgenommenen Widersprüche unserer Lebenswelt in die Auffassung von Wirklichkeit integrieren.“ Zum Nachdenken.
- „Die Nase hoch, die Reihen fest geschlossen“ ein vielfach verwendbarer Satz. Schön.
- Die Verzweiflung ist augenfällig.
- „Ich bin ganz bei Ihnen“ Ich glaube so einen Scheiß habe ich auch schon mal gesagt.
- über „die jeweiligen anti-istischen Bewegungen“ habe ich jedoch noch nie geredet.
- „, die die indifferenten verletzenden Schlag-Worte in die Macht des Populismus gestreut haben“ Weia, was schreiben die Leute bloß so in dieses Internet hinein?>
- "Leute, die ihre Konflikte nicht lösen können, tragen diese in unbearbeiteter Form weiter mit sich herum, als eine Art metaphysische Bestürzung." (Wilhelm Genazino: Das Glück in glücksfernen Zeiten)
damals,
Donnerstag, 25. Oktober 2012, 16:03
Ihre Anmerkungen lassen ja eine Lektüre vermuten, die man sich lieber nicht antut.
...
Zu Nr. 7: "Unschärfe"? Ja und nochmals Ja: Mehr Unschärfe, das ist es, was die Welt braucht! Aber das werden die Biedermänner und -frauen vom SPIEGEL nie kapieren - und die feministischen Scharfmacher erst recht nicht, die sich immer wieder lächerlich machen, indem sie bewusst ins Spielerische, Unscharfe und Weiche aufgelöstes Denken wieder in tagespolitische Messerschärfe ummünzen wollen.
...
Zu Nr. 7: "Unschärfe"? Ja und nochmals Ja: Mehr Unschärfe, das ist es, was die Welt braucht! Aber das werden die Biedermänner und -frauen vom SPIEGEL nie kapieren - und die feministischen Scharfmacher erst recht nicht, die sich immer wieder lächerlich machen, indem sie bewusst ins Spielerische, Unscharfe und Weiche aufgelöstes Denken wieder in tagespolitische Messerschärfe ummünzen wollen.
g.,
Freitag, 26. Oktober 2012, 07:24
Ja, stimmt, die Lektüre war wenig angenehm, aber erhellend. So nach und nach verstehe ich wie bestimmte Leute ticken, sei es nun eine bestimmte Fraktion identitätsphilosophisch geprägter Feministinnen oder Anhänger von ‚critical whiteness‘ oder … oder ... Schwierig finde ich ja immer, in diesem ganzen Gerede und Gepöbel die zugrunde liegenden Anliegen, die ich ja schlicht für berechtigt halte, nicht aus den Augen zu verlieren, auch wenn sie unter dem Schlamm fast unsichtbar werden. Und die Deutungen des Hobbypsychologen in mir behalte ich tunlichst für mich.
____
Und zu ihrer zweiten Anmerkung: Ich bin ja immer dafür das Spielerische vom Unscharfen zu trennen. Soweit man das hinkriegt. Einen Gedanken mal probeweise zu äußern, auszuprobieren, sozusagen spielerisch in ein Gespräch einzubringen, halte ich nicht nur für legitim, sondern auch für notwendig. Wie will man denn im Denken weiterkommen, wenn man nix ausprobiert und die Gegenreden (auch polemische) aufnimmt und verarbeitet. Schludrige Wortwahl, halbgare Thesen und ein assoziatives Denken, das dann nur noch so eine irgendwie kritische Haltung transportiert und die nur deshalb Zustimmung einfordert. Ach nö. (beim Handeln muss man da vorsichtiger sein. Die Auswirkungen sind ja sehr viel einschneidender als beim Reden)
Wenn Sie mit ihrer Bemerkung – wie ich vermute - aber eher auf einen freundlicheren Umgang (gnädigeren?) miteinander hinauswollen. Ja, die Härte und Rau- und Rohheit, mit der eigenen Standpunkten Geltung verschafft werden soll, ist gruselig, auch wenn die Verzweiflung (bei manchen) immer noch spürbar ist. Nicht jede dieser Leibesübungen ist Lifestylegequatsche oder ein Adoleszenzsproblem.
Die „feministischen Scharfmacher“, wie Sie das nennen, scheinen Sie ja richtig gefressen zu haben?
(ach und: generell halte ich ja auch nix vom Spiegel und seinem pseudoironischen Gewese, der Artikel von Elke Schmitter, die meines Wissens Philosophie studiert hat, bringt m. E. das Elend des Butlerschen Denkens aber ganz gut auf den Punkt.)
____
Und zu ihrer zweiten Anmerkung: Ich bin ja immer dafür das Spielerische vom Unscharfen zu trennen. Soweit man das hinkriegt. Einen Gedanken mal probeweise zu äußern, auszuprobieren, sozusagen spielerisch in ein Gespräch einzubringen, halte ich nicht nur für legitim, sondern auch für notwendig. Wie will man denn im Denken weiterkommen, wenn man nix ausprobiert und die Gegenreden (auch polemische) aufnimmt und verarbeitet. Schludrige Wortwahl, halbgare Thesen und ein assoziatives Denken, das dann nur noch so eine irgendwie kritische Haltung transportiert und die nur deshalb Zustimmung einfordert. Ach nö. (beim Handeln muss man da vorsichtiger sein. Die Auswirkungen sind ja sehr viel einschneidender als beim Reden)
Wenn Sie mit ihrer Bemerkung – wie ich vermute - aber eher auf einen freundlicheren Umgang (gnädigeren?) miteinander hinauswollen. Ja, die Härte und Rau- und Rohheit, mit der eigenen Standpunkten Geltung verschafft werden soll, ist gruselig, auch wenn die Verzweiflung (bei manchen) immer noch spürbar ist. Nicht jede dieser Leibesübungen ist Lifestylegequatsche oder ein Adoleszenzsproblem.
Die „feministischen Scharfmacher“, wie Sie das nennen, scheinen Sie ja richtig gefressen zu haben?
(ach und: generell halte ich ja auch nix vom Spiegel und seinem pseudoironischen Gewese, der Artikel von Elke Schmitter, die meines Wissens Philosophie studiert hat, bringt m. E. das Elend des Butlerschen Denkens aber ganz gut auf den Punkt.)
damals,
Sonntag, 28. Oktober 2012, 15:03
Ehrlich gesagt, hatte ich mehr aus dem Bauch heraus und schnell kommentiert, weil mir Elke Schmitters Artikel irgendwie missfiel, obwohl ich schon während des Schreibens dachte: Na ja, Recht hat sie irgendwie schon, wenn sie Butler vorwirft, schwer lesbar und ein Modephänomen zu sein. Ich jedenfalls hatte immer eine irgendwie vage Sympathie für Judith Butler, war aber zu faul, irgendwas von ihr zu lesen - und hatte und habe ein schlechtes Gewissen deshalb.
Jetzt hab ich den Schmitter-Artikel nochmal in Ruhe nachgelesen und die zwei Punkte gefunden, die meinen Unmut hervorriefen: Erstens das mit den "alten politischen Formen des Handelns" und der Behauptung, die Leute würden aus purem "Hedonismus" keine Lust mehr haben, sich in politischen Gremien aufzureiben. Das ist meines Erachtens ein aus protetestantischer Lustfeindlichkeit geborenes Vorurteil. Denn man muss doch immerhin anerkennen, dass die parlamentarischen Institutionen (deren Wichtigkeit ich gar nicht in Abrede stelle) in vielen Staaten schon so in die die Jahre gekommen und verknöchert geworden sind, dass eben größere Veränderungen über sie schwerer und schwerer erreichbar werden.
Zweitens: die (bewusst?) falsche Lesart der Formulierung "Art und Weise, wie wir auf der Straße zusammenkommen, singen oder auch Stille bewahren" und der Nazi-Totschlagvergleich. Es geht doch Butler offenkundig nicht darum, das Singen und Gemeinschaftlich-Sein an sich zu heiligen gegenüber den "spröden" konventionellen Politikformen, sondern um die ja fast banale Erkenntnis, dass die Art und Weise mehr über die Politik einer Gruppe aussagt als die Fahnen. Mit anderen Worten: Eine Esoterik-Veranstaltung kann faschistoid sein oder aber ein Ort gelebter Demokratie (beides schon erlebt) - es kommt eben drauf an. Und das Schlimme an den Nazis sind nicht die verbotenenen Symbole, sondern eben ihre Art zu singen und zu marschieren, die Art, wie sie mit anderen und auch ihresgleichen umgehen.
Deshalb bin ich so schlecht zu sprechen auf feministische Scharfmacher: Ideologische Betonköpfe in SPD- oder CDU-Zentralen, von denen man eh nicht viel erwartet, regen mich kaum noch auf - aber derselbe Starrsinn bei Vertretern einer Ideologie, die noch jung und frisch genug ist, dass man etwas von ihr erhoffen könnte, das schmerzt.
Jetzt hab ich den Schmitter-Artikel nochmal in Ruhe nachgelesen und die zwei Punkte gefunden, die meinen Unmut hervorriefen: Erstens das mit den "alten politischen Formen des Handelns" und der Behauptung, die Leute würden aus purem "Hedonismus" keine Lust mehr haben, sich in politischen Gremien aufzureiben. Das ist meines Erachtens ein aus protetestantischer Lustfeindlichkeit geborenes Vorurteil. Denn man muss doch immerhin anerkennen, dass die parlamentarischen Institutionen (deren Wichtigkeit ich gar nicht in Abrede stelle) in vielen Staaten schon so in die die Jahre gekommen und verknöchert geworden sind, dass eben größere Veränderungen über sie schwerer und schwerer erreichbar werden.
Zweitens: die (bewusst?) falsche Lesart der Formulierung "Art und Weise, wie wir auf der Straße zusammenkommen, singen oder auch Stille bewahren" und der Nazi-Totschlagvergleich. Es geht doch Butler offenkundig nicht darum, das Singen und Gemeinschaftlich-Sein an sich zu heiligen gegenüber den "spröden" konventionellen Politikformen, sondern um die ja fast banale Erkenntnis, dass die Art und Weise mehr über die Politik einer Gruppe aussagt als die Fahnen. Mit anderen Worten: Eine Esoterik-Veranstaltung kann faschistoid sein oder aber ein Ort gelebter Demokratie (beides schon erlebt) - es kommt eben drauf an. Und das Schlimme an den Nazis sind nicht die verbotenenen Symbole, sondern eben ihre Art zu singen und zu marschieren, die Art, wie sie mit anderen und auch ihresgleichen umgehen.
Deshalb bin ich so schlecht zu sprechen auf feministische Scharfmacher: Ideologische Betonköpfe in SPD- oder CDU-Zentralen, von denen man eh nicht viel erwartet, regen mich kaum noch auf - aber derselbe Starrsinn bei Vertretern einer Ideologie, die noch jung und frisch genug ist, dass man etwas von ihr erhoffen könnte, das schmerzt.
g.,
Sonntag, 28. Oktober 2012, 16:07
Dann bin ich wohl zu ernsthaft auf Ihren Kommentar eingestiegen. Never mind.
g.,
Montag, 29. Oktober 2012, 06:23
Ich habe zwar noch keinen Satz von Judith Butler gelesen oder gehört, den ich richtig finde, sympathisch finde ich sie aber auch. Hm?
damals,
Montag, 29. Oktober 2012, 16:29
Man weiß eben doch ein bisschen ...
... wo man hingehört und wohin nicht. Die Sympathie kann einfach der philosphischen Ecke geschuldet sein, weil man selbst zu dieser Ecke größere Neigungen hat als zu anderen Ecken. Sprich: Allein zu wissen, dass es Butler um die Künstlichkeit von Geschlechternormen geht, rührt mich an. Dass sie dies mit Kritik gesellschaftlicher Normen verknüpft, umso mehr. Denn auch mich nerven diese Normen, auch ich ziehe direkt gelebte Menschlichkeit normierter Menschlichkeit vor. Das ist sicher oberflächlich gedacht und vielleicht würde mich die Lektüre von Butler-Schriften enttäuschen - obwohl ichs für unwahrscheinlich halte.
Wahrscheinlich hat Elke Schmitter Recht, dass es sich bei Butler eher um de-Beauvoir- und Foucault-Epigonentum handelt. Aber egal, ob epigonal oder aus erster Hand: Ich mag halt diese Haltung.
Mir ging es auch weniger um Butler selbst als um die Idee des "Performativen", des fairen und freien Miteinander. Danach sehne ich mich, es ist mir letztendlich wichtiger als kluges Denken.
... oder war ich diesmal zu ernsthaft? (Ich finde solche Gespräche sehr schriftlich sehr schwer.)
Wahrscheinlich hat Elke Schmitter Recht, dass es sich bei Butler eher um de-Beauvoir- und Foucault-Epigonentum handelt. Aber egal, ob epigonal oder aus erster Hand: Ich mag halt diese Haltung.
Mir ging es auch weniger um Butler selbst als um die Idee des "Performativen", des fairen und freien Miteinander. Danach sehne ich mich, es ist mir letztendlich wichtiger als kluges Denken.
... oder war ich diesmal zu ernsthaft? (Ich finde solche Gespräche sehr schriftlich sehr schwer.)