Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

exzentrisches umkreiseln
Vor vier Jahren fing die Geschichte an und seitdem habe ich immer mal wieder versucht einigermaßen systematisch an einem Thema zu bleiben. Das ist nie gelungen. Entweder hatte ich dann keine Lust mehr oder ich musste wie ein Verrückter arbeiten und habe es einfach nicht geschafft oder meine Liebste musste wie eine Verrückte arbeiten und ich war damit beschäftigt ihr den Rücken frei zu halten oder aber mir waren die Zusammenhänge auch nicht so klar.

Was wollte ich (und eigentlich will es immer noch) nicht alles einigermaßen systematisch aufdröseln und darstellen:

  • Aufklärung (unter besonderer Berücksichtigung von Wieland und Diderot und Saul Ascher)
  • Das Fremde und das Eigene (wäre auch politisch richtig und wichtig. Nach einigermaßen umfassenden Wühlen in Texten und Aufsätzen dämmerte mir, dass man wohl sechs Monate in einer Bibliothek zubringen müsste, um wenigstens ungefähr Richtiges dazu zu sagen.)
  • Eine kleine Geschichte liberalen Denkens, insbesondere mit dem Nachweis, dass Leute wie Baum mit ihrem Verständnis von Liberalismus reichlich exotisch innerhalb dieser Denktradition sind.
  • Moralphilosophie
  • Da selbst rudimentäre Kenntnisse über Marx und Bourdieu heute eine Seltenheit sind, müsste man eigentlich mal so einige fundamentale Sächelchen dazu aufschreiben.
  • Ach ja und Gramsci (oder Simone de Beauvoir oder …), der hätte es auch verdient.
  • Und ach ja: einen Roman habe ich auch in der Mache.


  • Keine Ahnung, ob auch nur eines dieser Vorhaben je zu Ende geführt wird. Manchmal denke ich mir: wenn ich in vier Jahren mein Berufsleben beende, ja dann, dann wird alles anders.

    Manchmal denke ich mir, dass ich das vielleicht erst gar nicht versuchen sollte. So ein Internettagebuch oder wie man das heute nennt, ist schließlich kein Buch und kein Aufsatz. Man schreibt ja eigentlich nur hinein, was einem gerade so durch den Kopf geht. Man umkreiselt ein Thema und am nächsten Tag umschwirrt man das nächste und am übernächsten Tag erfreut man sich eines Ergusses von irgendjemand anders.

    Manchmal denke ich mir auch: es muss doch langweilig und ermüdend sein, immer beim Gleichen zu verweilen. Wie schön ist es doch sich von einem Gedankengang über das aktuell zu Verhandelnde hinaustreiben zu lassen in die unendlichen Weiten des Universums zu Welten, die noch nie ein Mensch gesehen hat. Man siedelt auf fremden Sternen, der Meeresboden ist als Wohnraumer schlossen usw. Folgen wir also usw. am Rande der Unendlichkeit. Statt Schloss umkreiseln Wandervögel schachmatt den Fichtenberg, lasst uns abgelegene Gegenden, in der die Walachen oder Römer wohnen, aufsuchen. (Es ist übrigens ein Irrtum, lieber Tschick, dass es die Pampa nicht gäbe.)

    Ach, na ja.

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    jean stubenzweig, Dienstag, 4. September 2012, 17:03
    In vier Jahren?
    Ist die Schreibe von Frührente?

    Nach dem normalen Fälligkeitsdatum hatte der Mann in der Regel dann noch in etwa zehn Jahre bis zur Seligkeit. Aber heutzutage geht er nach diesen zehn Jahren nochmals zur Universität. Nur wird das, gemessen an der alten, nicht mehr sonderlich viel bringen. Ich muß dabei an diesen Restmarxisten denken, der als altgedienter Gewerkschafter zu Fortbildungskursen auf ebendieser zum Lernen entsandt wurde, und gezwungen war, die Lehrer einiges zu lehren.

    g., Mittwoch, 5. September 2012, 06:26
    Ach na ja, nochmals an die Uni? Im letzten Februar war ich nach über 30 Jahren noch einmal in einem Hörsaal, um mir einen Vortrag aus der Reihe rethinking gender anzutun. Die Professorin argumentierte ja durchaus interessant, dem Publikum war es aber zu anstrengend, sich mit Sachverhalten und Argumenten auseinander zu setzen. Ich glaube da bin ich falsch. Da sterbe ich vor Langeweile.

    g., Mittwoch, 5. September 2012, 06:55
    Martin Jander scheint ein kluger und vor allem bedächtiger Kopf zu sein.

    jean stubenzweig, Mittwoch, 5. September 2012, 11:35
    Ich weiß gar nicht,
    ob die innerhalb dieses verschulten Betriebs überhaupt noch Zeit haben zum Debattieren oder am Ende gar zu müde sind. Ich bin mir seit langer Zeit darüber im klaren, daß ich unter solchen Bedingungen nicht mehr nichts anständiges werden wollte. Bereits in den neunziger Jahren, also einige Zeit vor den Bologna-Bechlüssen, habe ich diese, nenne ich sie mal so, studentische Zurückhaltung an den Hochschulen wahrgenommen.

    Jander: Das hätte er durchaus gesagt haben können. Historiker war er auch, und hin und wieder war er auch journalistisch tätig. Ein Wiedergänger? Ohne seinen marxschen Rauschbart habe ich ihn allerdings noch nie gesehen. Aus dem wäre auch herausgekommen: «humanistische Ideale». An etwas anderes dachte er bei «links» ohnehin nie.

    Was mich verblüfft, daß Beiträge wie dieser von 12. Oktober 2011 noch erreichbar sind. Wollte man mit dem «neuen Linksterrorismus» von der Motorradfabrikation NSU ablenken? Ab und an scheint noch etwas Erhellendes durchzuschlupfen. Anscheinend gibt es Löcher in der Medienblockade gegen öffentlich-rechtlichen Journalismus, so eine Art klammheimliche Luftbrücke. Ich werde das auf jeden Fall für mich festhalten, es gut sichtbar in meinem Archiv ablegen.

    Aber nochmal: normaler Lauf des Lebens oder früher in den Ruhestand? Es ist nichts als Neugierde, weil ich wissen möchte, ob wir alterstechnisch tatsächlich nicht so weit auseinander sind, wie ich zwischendrin ohnehin hin und wieder zu vermuten gezwungen war.

    g., Donnerstag, 6. September 2012, 06:52
    Vorruhestand. Ich gehe stramm auf die 60 zu, ein paar Jahre sind wir wohl schon auseinander.

    damals, Freitag, 28. September 2012, 12:46
    Ich würde ja für den Roman votieren.

    g., Mittwoch, 17. Oktober 2012, 07:54
    So circa 80 Seiten sind im Rohentwurf fertig. Das kann also noch dauern.