Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Mein Kartoffelhändler ist kein Digital Native
Ich lege auch keinen Wert darauf. Von Kartoffeln versteht er etwas, das ist mir wichtiger. Er ist ein freundlicher Mensch, hat gute Kartoffeln und eine große Auswahl. Zudem beschäftigt er zwei Looser, die ein wenig Zeit und Geduld beim Kartoffelkauf beanspruchen. Jeden Samstag nimmt er einen der Beiden mit auf den Markt, obwohl es ohne ihre Hilfe schneller gehen würde. Ich mag das. Wenn es zu lange dauert, mit dem Finden der gewünschten Sorte und dem Abwiegen der Menge, greift er schon mal ein und plaudert mit seinen Kunden. Schließlich will man die Zeit am Stand angenehm verbringen.

Nun, wir standen also in der Schlange und vor uns tipperte ein junger Mann schrecklich aufgeregt auf seinem Taschentelefon herum. Als er an der Reihe war, schien er mit seinen Eilnachrichten noch nicht zu Stuhle gekommen zu sein und konnte auf die Frage:
„Was darf’s denn sein?“
keine rechte Antwort geben. Er gab etwas von sich, das wie „Rumpf“ klang. Der sehbehinderte Assistent des Kartoffelhändlers konnte damit nichts anfangen und versuchte es mit einem erneuten:
„Was darf’s denn sein?“
„Äh, also ...“ und quälte sein Telefonino weiter.
Der Kartoffelhändler griff in das Geschehen ein:
„Vielleicht eine festkochende Sorte? Wollen Sie Salat machen?“
Da sich in der Schlange Unruhe breit machte, beschloss er die Welt etwas später zu benachrichtigen und drückte eine Taste:
„Scheiße, jetzt muss ich alles noch einmal machen?“
„Wenn man auf ‚abbrechen’ drückt, dann wird das nichts.“ Gab ihm mein Kartoffelhändler zu verstehen. Der Kartoffelkauf ging dann doch noch einigermaßen zügig über die Bühne, obgleich der junge Mann nicht angeben konnte, ob er fest oder mehlig Kochende haben wollte. Wahrscheinlich waren die Anweisungen zum Kartoffelkauf nicht detailliert genug oder das Manual dazu war ene maschinelle Übersetzung aus dem Chinesischen.
Meine Liebste meinte dann zum Abschluss:

„Simsen kann er nicht und Kartoffeln koofen auch nicht!“

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jean stubenzweig, Mittwoch, 26. Januar 2011, 11:56
Vielleicht hat er ja versucht, mit Monsanto Kontakt aufzunehmen, um von dort zu erfahren, welche Sorte er nehmen soll. Aber der Züchter soll ja nicht so auskunftsfreudig sein.

g., Donnerstag, 27. Januar 2011, 05:44
Sie meinen, es war keine intellektuelle Überforderung? Hm?! Aus böswilligen Kreisen hört man ja auch, dass der Teil der Menschheit, der eine überflüssige Rippe zur Verfügung hat, zwei Aufgaben nicht zur gleichen Zeit bewältigen könne. Es gibt ja so viele Geheimnisse.