Fleisch zwei
g. | Mittwoch, 16. Dezember 2009, 06:36 | Themenbereich: 'Begegnungen'
Über einen der Einkäufe in meiner Lieblingsfleischerei hatten wir uns ja schon unterhalten.
Vor langer, langer Zeit wohnte ich in Zehlendorf im lichten Berliner Süden. Das war zu der Zeit als die Amerikaner noch Schutzmacht in Berlin waren, die GIs am U-Bahnhof Oskar-Helene-Heim soffen, was die Büchse hergab, als man an den Universitäten noch ausreichend Zeit hatte, etwas zu begreifen, als die Frauen schön und die Wohnungen billig waren.
An der großen Kreuzung daselbst (sie sehen, Forster färbt langsam ab) liegt ein großer Lebensmitteldiscounter in dem Sonnabendvormittag ganz Zehlendorf einkauft.
So auch wir.
Zehlendorf ist ja bekanntlich eines der besseren Wohngebiete (Obwohl? Wenn ich an das Café M. in der M.-Straße an einigen Abenden denke? Aber lassen wir das!) und so konnte man in dem Laden auch allerlei Prominente (damals gab es drei Programme und entsprechend weniger Prominente. Weniger Prominente ist übrigens nicht schlimm.) beim Einkaufen treffen. Günther Pfitzmann beispielsweise hat eine Vorliebe für Magerquark, wenn sie das interessieren sollte.
Der Filialleiter schien ein großes Herz zu haben. Er war ein aufgeräumter, dauerfröhlicher Mensch und ich hätte mich gern mal mit ihm unterhalten, also jenseits von ‚Wo finde ich Kefir?’ (Übrigens ein Teufelszeug: schmeckt irgendwie so na ja und vermehrt sich ungeheuer. Aber das ist eine andere Geschichte von weinenden Frauen, verzweifelten Katzen und warum an den Vorurteilen über Sozialarbeiter ein Körnchen Wahrheit ist.) Je nun, den Filialleiter eines Supermarktes kann man am Samstagvormittag nicht in ein Gespräch verwickeln und an anderen Tagen haben wir dort nicht eingekauft.
Leichter ins Gespräch kam man mit dem geistig und körperlich schwerbehinderten Einkaufswagenzusammenschieber (wohl ein in Supermärkten singulärer Beruf). Auch ein sehr netter Mann, aber doch eine ziemliche Plaudertasche, zudem ein arger Stotterer. Dass der Filialleiter ihn beschäftigte, war einer der Gründe warum wir immer gerne in diesen Markt gingen.
Wie gesagt, ein angenehmer Laden. Nur Fleisch und Wurst waren ein Problem, weil der Chef der Fleischwarenabteilung eine Frau war. Sie war nicht zierlich, sondern sah, wie es in diesem Gewerbe durchaus angemessen ist, so aus, als hätte sie vor einigen Minuten einen Ochsen eigenhändig gemeuchelt.
Also, das Problem war nicht das Geschlecht, sondern dass sie nur ein Auge hatte und statt einer Prothese eine Augenklappe trug.
Man mag sich ja für weltgewandt und tolerant halten, aber es ist nicht einfach einer Dame hinter der Fleischtheke auf die Frage: „Was darf’s denn sein?“ ohne auf die Augenklappe zu starren, souverän: „Drei Pfund Gehacktes!“ zu antworten. Völlig unmöglich war es, bei ihr Zungenwurst zu kaufen, die in unserer Wohngemeinschaft nur ‚schlimme Augenwurst’ hieß.
Vor langer, langer Zeit wohnte ich in Zehlendorf im lichten Berliner Süden. Das war zu der Zeit als die Amerikaner noch Schutzmacht in Berlin waren, die GIs am U-Bahnhof Oskar-Helene-Heim soffen, was die Büchse hergab, als man an den Universitäten noch ausreichend Zeit hatte, etwas zu begreifen, als die Frauen schön und die Wohnungen billig waren.
An der großen Kreuzung daselbst (sie sehen, Forster färbt langsam ab) liegt ein großer Lebensmitteldiscounter in dem Sonnabendvormittag ganz Zehlendorf einkauft.
So auch wir.
Zehlendorf ist ja bekanntlich eines der besseren Wohngebiete (Obwohl? Wenn ich an das Café M. in der M.-Straße an einigen Abenden denke? Aber lassen wir das!) und so konnte man in dem Laden auch allerlei Prominente (damals gab es drei Programme und entsprechend weniger Prominente. Weniger Prominente ist übrigens nicht schlimm.) beim Einkaufen treffen. Günther Pfitzmann beispielsweise hat eine Vorliebe für Magerquark, wenn sie das interessieren sollte.
Der Filialleiter schien ein großes Herz zu haben. Er war ein aufgeräumter, dauerfröhlicher Mensch und ich hätte mich gern mal mit ihm unterhalten, also jenseits von ‚Wo finde ich Kefir?’ (Übrigens ein Teufelszeug: schmeckt irgendwie so na ja und vermehrt sich ungeheuer. Aber das ist eine andere Geschichte von weinenden Frauen, verzweifelten Katzen und warum an den Vorurteilen über Sozialarbeiter ein Körnchen Wahrheit ist.) Je nun, den Filialleiter eines Supermarktes kann man am Samstagvormittag nicht in ein Gespräch verwickeln und an anderen Tagen haben wir dort nicht eingekauft.
Leichter ins Gespräch kam man mit dem geistig und körperlich schwerbehinderten Einkaufswagenzusammenschieber (wohl ein in Supermärkten singulärer Beruf). Auch ein sehr netter Mann, aber doch eine ziemliche Plaudertasche, zudem ein arger Stotterer. Dass der Filialleiter ihn beschäftigte, war einer der Gründe warum wir immer gerne in diesen Markt gingen.
Wie gesagt, ein angenehmer Laden. Nur Fleisch und Wurst waren ein Problem, weil der Chef der Fleischwarenabteilung eine Frau war. Sie war nicht zierlich, sondern sah, wie es in diesem Gewerbe durchaus angemessen ist, so aus, als hätte sie vor einigen Minuten einen Ochsen eigenhändig gemeuchelt.
Also, das Problem war nicht das Geschlecht, sondern dass sie nur ein Auge hatte und statt einer Prothese eine Augenklappe trug.
Man mag sich ja für weltgewandt und tolerant halten, aber es ist nicht einfach einer Dame hinter der Fleischtheke auf die Frage: „Was darf’s denn sein?“ ohne auf die Augenklappe zu starren, souverän: „Drei Pfund Gehacktes!“ zu antworten. Völlig unmöglich war es, bei ihr Zungenwurst zu kaufen, die in unserer Wohngemeinschaft nur ‚schlimme Augenwurst’ hieß.
vert,
Mittwoch, 16. Dezember 2009, 06:50
komisch, und ich hatte bisher gedacht, es wäre grundsätzlich unmöglich, zungenwurst zu kaufen.
(pfitzmann! magerquark! sie führen ein leben! erzählen sie uns mehr aus den goldenen zeiten west-berlins!)
(pfitzmann! magerquark! sie führen ein leben! erzählen sie uns mehr aus den goldenen zeiten west-berlins!)
g.,
Donnerstag, 17. Dezember 2009, 05:42
Schlimme Augenwurst war unter hannoverschen Sozialpädagoginnen mit Berufsziel Pferdetherapeutin sehr beliebt. Wenn man nicht zu dieser, eher kleinen Personengruppe gehört, kann man diese Wurst durchaus meiden. Da stimme ich ihnen zu.
Was interessiert sie denn aus der Zeit als die Schaubühne am Halleschen Ufer und der Stuttgarter Platz noch der Stuttgarter Platz war?
Ich hätte ‚Schleimsüppchen oder Szegediner Gulasch’ im Angebot, oder etwas über den Tod des Märchenprinzen und schwule Gartenzwerge. Vielleicht auch über Handgranaten im Gemüsekorb oder Hausbesetzer als Touristenattraktion? Oder möchten sie die Frage geklärt wissen, warum Anette Humpe einmal zu einem jungen Mann sagte: „Verzieh dich, du Arsch!“?
Was interessiert sie denn aus der Zeit als die Schaubühne am Halleschen Ufer und der Stuttgarter Platz noch der Stuttgarter Platz war?
Ich hätte ‚Schleimsüppchen oder Szegediner Gulasch’ im Angebot, oder etwas über den Tod des Märchenprinzen und schwule Gartenzwerge. Vielleicht auch über Handgranaten im Gemüsekorb oder Hausbesetzer als Touristenattraktion? Oder möchten sie die Frage geklärt wissen, warum Anette Humpe einmal zu einem jungen Mann sagte: „Verzieh dich, du Arsch!“?
jean stubenzweig,
Donnerstag, 17. Dezember 2009, 11:54
Au ja! Aber Schleimsüppchen an der Schaubühne am Stutte kriegen auch Sie nicht hin. Doch wer weiß, Sie kamen ja an, als ich schon wieder weg war. Es ging zwar langsamer damals, aber Veränderungen gab es trotzdem.
g.,
Sonntag, 20. Dezember 2009, 05:14
Heterogenes miteinander zu verbinden ist ja seit Monty Pythons 'and now for something completely different' kein Problem mehr?
nnier,
Freitag, 8. Januar 2010, 13:54
"Schlimme Augenwurst" in Ihrer WG - Sie haben mal mit Heinz Strunk zusammengelebt!?
g.,
Samstag, 9. Januar 2010, 06:28
Heinz Strunk
hätte wohl in unserer WG für andauernden Zank und Hader gesorgt. Ich hätte aber wohl meine helle Freude an ihm gehabt - zumindest einige Zeit. Die 'schlimme Augenwurst' wurde von einer Mitbewohnerin irgendwo aus dem Dithmarschen eingeführt. Vielleicht gehört die Bezeichnung bei den Muschelschupsern ja zum allgemeinen Sprachgebrauch?
jean stubenzweig,
Mittwoch, 16. Dezember 2009, 15:52
Aber jetzt
wohnen Sie ja wohl in einer ordentlichen Gegend. Und eine zartere Fleischerin haben Sie auch. Allerdings scheint an der nicht soviel dran zu sein. Gehen Sie dort doch auch mal in die Tiefe. Es muß ja nicht alles Magerquark sein.
g.,
Donnerstag, 17. Dezember 2009, 05:26
Das verruchte Zehlendorf? Ja, da kann man froh sein, in einen ordentlicheren Bezirk umgezogen worden zu sein, natürlich könnte das auch eine Minderheitenmeinung sein.
Im übrigen finde ich eine kräftige Konstitution im Fleischereigewerbe (bei Köchen und Konditoren übrigens auch) völlig in Ordnung. Stellen sie sich doch Jean-Pierre Leaud als Popaul vor?
Im übrigen finde ich eine kräftige Konstitution im Fleischereigewerbe (bei Köchen und Konditoren übrigens auch) völlig in Ordnung. Stellen sie sich doch Jean-Pierre Leaud als Popaul vor?