Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Freitag, 24. Oktober 2008
Karl Marx „Das Kapital“
Im gestrigen Tagesspiegel wurde gemeldet, dass der Karl Dietz Verlag die Bände 23 bis 26 der MEW-Ausgabe nachdrucken muss, weil die Nachfrage durch die Bankenkrise deutlich gestiegen sei.
Es wäre zu wünschen, dass die nachwievor einzige, kritische Analyse kapitalistisch produzierender Gesellschaften nicht nur Käufer, sondern insbesondere Leser findet.
In besonderem Maße wäre das Ostdeutschen, die Karl Marx häufig nur in der verquasten, bis zur Unkenntlichkeit entstellten Deutung des Marxismus-Leninismus (ML) kennen gelernt haben, zu gönnen.

Ach ja, und die Grundrisse müsste man auch mal wieder lesen, vielleicht erhellt sich dann die ägyptische Finsternis ein wenig:
„Persönliche Abhängigkeitsverhältnisse (zuerst ganz naturwüchsig) sind die ersten Gesellschaftsformen, in denen sich die menschliche Produktivität nur in geringem Umfang und auf isolierten Punkten entwickelt. Persönliche Unabhängigkeit auf sachlicher Abhängigkeit gegründet ist die zweite große Form, worin sich erst ein System des allgemeinen gesellschaftlichen Stoffwechsels, der universalen Beziehungen, allseitiger Bedürfnisse, und universeller Vermögen bildet. Freie Individualität, gegründet auf die universelle Entwicklung der Individuen und die Unterordnung ihrer gemeinschaftlichen, gesellschaftlichen Produktivität, als ihres gesellschaftlichen Vermögens, ist die dritte Stufe.“

( Grundrisse S. 75)
Nicht fürs Gemüt, sondern um die Möglichkeit einer begründeten Utopie herrschaftsarmer oder gar herrschaftsfreier Verhältnisse überhaupt wieder denken zu können.
Nach der Fron, Aspekt für Aspekt von Produktion und Zirkulation zur Kenntnis zu nehmen, die „Grundrisse“, um zu verstehen für was die Mühen notwendig sind: ›to have the egg and also the halfpenny that you buy it with‹ wird’s wohl niemals geben, Schade eigentlich.

Fürs Gemüt empfehle ich Friedrich Hölderlin, der 50 Jahre vor Karl Marx, so sagen zumindest einige, sich ähnliche Gedanken über geschichtliche Prozesse gemacht hat:
„Von heute aber nicht, nicht unverkündet ist er;
Und einer, der nicht Flut noch Flamme gescheuet,
Erstaunet, da es stille worden, umsonst nicht, jetzt;
Da Herrschaft nirgend ist zu sehn bei Geistern und Menschen.“
(aus: Die Friedensfeier)

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