„Frauen und Gedöhns“ I
g. | Montag, 22. April 2013, 06:06 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
nannte Gerhard Schröder bekanntlich die Politikbereiche, die Christine Bergmann im Bundeskabinett zu vertreten hatte. Dazu ist zunächst nichts weiter zu sagen, als dass dieses Diktum lediglich Schröders überschießende Arroganz bezüglich Geschlechterpolitik dokumentiert. Darüber hinaus markiert der Satz von Schröder aber auch die Wahrnehmung von genderpolitisch engagierten Frauen gegenüber Einwänden von Männern. Die Debatten über Geschlecht sind sozusagen von ‚beiden’ Seiten als verdoppelte Abwehrhaltung mit diesem Satz charakterisiert. Bliebe das Problem: wie kann über das Geschlechterverhältnis sinnvoll gesprochen werden ohne sich im Unterholz zu verlieren? Wenn man das möchte selbstverständlich.
Was man sich nicht alles antut. Nach 30 Jahren war ich mal wieder in einem Hörsaal. Sie werden natürlich jetzt fragen: warum?
Ich hatte ja vor ein paar Monaten mal in einem Fundstücke spezial versucht zusammen zu tragen, was sich meines Erachtens sinnvollerweise überhaupt über das Thema Sex und Gender sagen lässt. Hintergrund war, dass ich der vollständigen Eliminierung von Körper, Sexualität und Fortpflanzung aus dem Geschlechterdiskurs nichts abgewinnen kann. Die Debatte bei der Mädchenmannschaft, die ich damals verlinkt hatte, scheint mir symptomatisch für eine Verengung der Sichtweise auf gesellschaftliche Konstrukte, die wohl nicht nur der Alltagserfahrung der meisten Menschen widerspricht, sondern auch theoretisch und politisch in die Irre führt. Das ist die eine Seite.
Die andere Seite und deshalb habe ich Schröders pejoratives Diktum in die Überschrift gesetzt, ist nun leider, dass es außerhalb nur noch das nackte Chauvitum zu geben scheint. Anscheinend ist die Debatte, mit wenigen Ausnahmen, mittlerweile zwischen ‚Feminismus’ und erzreaktionärem Maskulinismus abschließend situiert.
Da niemand sich zu den Deppen gesellen will, verbietet sich eine Anflanschung an diese Diskurse der besinnungslosen Abwehr, und da beißt nun mal die Maus keinen Faden ab, an der Abwehr berechtigter Ansprüche von Frauen an umfassender Teilhabe und diskriminierungsfreien Lebensentwürfen und Lebenspraktiken. Zwischen „Hi Welf“ und „Hi Waibling“ will ich mich nun auch nicht entscheiden wollen.
Wie soll man sich aber nun in dieser Gefechtslage orientieren?
Dabei ist mir nun der Aufsatz von Hilge Landweer (vermittelt über ein Blog, das man wohl eher zur Maskulinistenfraktion rechnen muss. Nun das Leben ist hart.) unter gekommen. Um sich von den, zumindest habe ich das so wahrgenommen, peinlichen-triumphiernden Anmerkungen (Ha, seht her ich habe eine Feministin als Gewährsfrau meiner Anschauungen ausgegraben) nicht dauernd nerven zu lassen, habe ich die umfangreichen Zitate in eine extra Datei kopiert und das eingestreute Gewaffel einfach gelöscht. Wenn Sie sich damit auseinander setzen wollen, empfehle ich das gleiche Verfahren.
Der Aufsatz hebt nun zunächst an mit einer Charakterisierung feministischer Debatten.
Weiter in der Charakterisierung:
So weit, so banal, so richtig. No gender without sex.
Schwieriger wird dann ein weiterer möglicher Fortgang der Gedanken. Mit der Feststellung, das Frauen menstruieren und Männer eine Erektion bekommen ist ja zunächst, wie oben ausgeführt nur festgestellt, dass die Kategorie als solche in der ‚Natur’ wurzelt. Was den Unterschied jenseits von Penis und Brüsten ausmachen könnte, ist damit natürlich noch nicht bestimmt. Insbesondere ist damit auch noch nichts ausgesagt über die kulturellen Zuschreibungen (auch nicht über Selbstzuschreibungen) zu den beiden Geschlechtern in verschiedenen Gesellschaften und zu verschiedenen Zeiten.
Auf dieser Ebene könnte man lediglich die Konstruktion von mehr als zwei Geschlechtern als nicht sinnvoll kritisieren und Vorbehalte gegen den ‚Gender_Gap’ mit der Frage, ob es denn um Gender oder Sex gehe, anmelden. (Wenn ich meine ungnädige Phase habe rede ich dann vom Genderloch, durch das auch folgerichtig ‚sex‘, also das biologische Geschlecht, fällt.)
Wir befinden uns ja immer noch auf der grundlegendsten Ebene der Diskussion, wie man Kultur und Natur, um es mal flapsig zu formulieren, sinnvoll unterscheiden kann und welche Kategorien dabei wie zur Verwendung kommen.
Das nächste Problem dräut ja bereits: was ließe sich den über den biologischen Unterscheid über die nackte Tatsache des sichtbaren physischen Unterschiedes und der über die Fortpflanzungsfähigkeit vermittelten Grundkategorien von männlich/weiblich noch sinnvolles sagen?
Auf meinem jetzigen Stand der Recherchen: herzlich wenig. (Richard David Prechts: Liebe Ein unordentliches Gefühl bietet ein paar Hinweise, die vielversprechend klingen. Sein Buch über Moralphilosophie hingegen ist Müll. Na ja, vielleicht ein anderes Mal etwas ausführlicher.)
Einfacher ist es da schon, darüber zu reden, was nicht sinnvoll ist.
Nicht sinnvoll ist es, die Dichotomie aufzulösen und eine Vielzahl von Geschlechtern herbei zu fantasieren, nicht sinnvoll ist es eine Biologisierung von Charaktereigenschaften oder ‚Wesens’zügen von Männern oder Frauen zu unternehmen und nicht sinnvoll ist es psychologische Forschungen und Interventionen auf der Grundlage der Blobologie für obsolet zu erklären. Umgekehrt ist es aber auch nicht sinnvoll, die persönlichen Hoffnungen und Wünsche, die persönlichen Ängste und Defizite zu rationalisieren und immer neue „Edle Wilde“ mit einem aberwitzigen Wahrnehmungsgerüst zu „entdecken“.
Soweit der Problemaufriss.
Morgen früh gibt es die Fortsetzung.
Was man sich nicht alles antut. Nach 30 Jahren war ich mal wieder in einem Hörsaal. Sie werden natürlich jetzt fragen: warum?
Ich hatte ja vor ein paar Monaten mal in einem Fundstücke spezial versucht zusammen zu tragen, was sich meines Erachtens sinnvollerweise überhaupt über das Thema Sex und Gender sagen lässt. Hintergrund war, dass ich der vollständigen Eliminierung von Körper, Sexualität und Fortpflanzung aus dem Geschlechterdiskurs nichts abgewinnen kann. Die Debatte bei der Mädchenmannschaft, die ich damals verlinkt hatte, scheint mir symptomatisch für eine Verengung der Sichtweise auf gesellschaftliche Konstrukte, die wohl nicht nur der Alltagserfahrung der meisten Menschen widerspricht, sondern auch theoretisch und politisch in die Irre führt. Das ist die eine Seite.
Die andere Seite und deshalb habe ich Schröders pejoratives Diktum in die Überschrift gesetzt, ist nun leider, dass es außerhalb nur noch das nackte Chauvitum zu geben scheint. Anscheinend ist die Debatte, mit wenigen Ausnahmen, mittlerweile zwischen ‚Feminismus’ und erzreaktionärem Maskulinismus abschließend situiert.
Da niemand sich zu den Deppen gesellen will, verbietet sich eine Anflanschung an diese Diskurse der besinnungslosen Abwehr, und da beißt nun mal die Maus keinen Faden ab, an der Abwehr berechtigter Ansprüche von Frauen an umfassender Teilhabe und diskriminierungsfreien Lebensentwürfen und Lebenspraktiken. Zwischen „Hi Welf“ und „Hi Waibling“ will ich mich nun auch nicht entscheiden wollen.
Wie soll man sich aber nun in dieser Gefechtslage orientieren?
Dabei ist mir nun der Aufsatz von Hilge Landweer (vermittelt über ein Blog, das man wohl eher zur Maskulinistenfraktion rechnen muss. Nun das Leben ist hart.) unter gekommen. Um sich von den, zumindest habe ich das so wahrgenommen, peinlichen-triumphiernden Anmerkungen (Ha, seht her ich habe eine Feministin als Gewährsfrau meiner Anschauungen ausgegraben) nicht dauernd nerven zu lassen, habe ich die umfangreichen Zitate in eine extra Datei kopiert und das eingestreute Gewaffel einfach gelöscht. Wenn Sie sich damit auseinander setzen wollen, empfehle ich das gleiche Verfahren.
Der Aufsatz hebt nun zunächst an mit einer Charakterisierung feministischer Debatten.
„Jeder Versuch, anthropologische Konstanten auch nur als Grenzwerte für Transformationsprozesse zu bestimmen, jeder Versuch zu reflektieren, was es für Menschen bedeutet, sich ebenso wie Tiere fortpflanzen zu müssen (wenn sie sich denn überhaupt fortpflanzen wollen), und jeder Versuch, die Geschlechterdifferenz philosophisch zu reflektieren, ohne sie vorab als reines Konstrukt zu setzen, kann damit bereits unter Ideologieverdacht gestellt werden.“Da ich mich nicht wirklich umfassend mit den Debatten im wissenschaftlichen Raum beschäftigt habe, kann ich nicht beurteilen, ob diese Kritik und wenn ja, in welchem Umfang, zutreffend ist oder nicht. Sporadisches hineinlesen in einige Aufsätze und auch die Beschreibungen der Lehr- und Forschungsgrundsätze der gender studies an den Hochschulen stützt allerdings diese Einschätzung. In den Kreisen, in denen ich mich so alltäglich bewege, stellt das eher eine Minderheitenmeinung dar. Wenn man sich hingegen in feministischen Blogs bewegt, kann man nicht umhin, dieser Charakterisierung zuzustimmen.
Weiter in der Charakterisierung:
„Neueste feministische Theorieanstrengungen [betonen], daß der „anatomische Unterschied“ nicht einfach aus der Natur zu uns spreche; die Natur mache keine Unterscheidungen, das Chaotisch-Mannigfaltige werde erst durch menschliche Begriffe in eine Ordnung gebracht – als eine Art Kulturnominalismus. Auch die biologischen Geschlechtsbestimmungsmethoden seien kulturelle Praktiken, die die distingierenden Geschlechterkategorien erst erzeugen, ebenso wie die Geschlechtsattribution in alltäglichen Interaktionen nicht etwa auf einer evidenten Sichtbarkeit des sexuellen Dimorphismus beruhen, sondern ihn als selbstverständlich geltend unterstellen.“Und weiter.
„Kritik an solchen Positionen (Ontologisierungen, Naturalisierungen, Mythisierungen, Moralisierungen der Geschlechterdifferenz) ist sicherlich überfällig. Aber muss in solchen Kritikprozessen die Kategorie Geschlecht selbst verabschiedet oder als reine Diskurserfindung behandelt werden?“Ja, dem ist zuzustimmen. Vor lauter „Frauen können nicht zuhören und Männer nicht einparken“ sollte man nicht einfach die schiere Körperlichkeit für völlig unwichtig erklären. Im Folgenden wendet sie sich gegen die theoretischen Annahmen von Judith Butler. Da ich nichts (na gut, einige Interviews, Aufsätze und ihre Adornopreisrede) von Butler gelesen habe, vermag ich das nicht einzuordnen. Es scheint mir aber vor dem Hintergrund der Schlussfolgerungen und Darstellungen von Leuten, die Butler in ihren Reflexionen folgen, gerechtfertigt.
„Meine These ist, daß in jeder Kultur in Zusammenhang mit Mortalität und Natalität die Generativität zu Kategorisierungen von „Geschlecht“ führt.“Geschlecht als Kategorie taucht in jeder Kultur und man kann hinzufügen zu jeder Zeit als grundlegende Kategorie auf.
„Wie die Geschlechtsbegriffe kulturell im einzelnen verfasst sind, ist prinzipiell offen, nicht aber, daß es immer zwei Kern-Kategorien gibt, die Individuen nach ihrem als möglich unterstellten Anteil an der Entstehung neuer Menschen klassifizieren.“Eigentlich banal.
„Daraus folgt zwar keine naturale Determination von Geschlechtscharakteren, wohl aber die Unhintergehbarkeit der Anknüpfung an die generative Zweigliederung auch für die Strukturierung der kulturell variablen Geschlechterbegriffe.“Auch dem kann man nichts entgegensetzen. In einer Schneckengesellschaft, in der alle Zwitter sind, gäbe es keine Geschlechterdiskurse. Menschen sind eine zweigeschlechtliche Art und so unterscheiden wir auch zwei Geschlechter. Das es auch biologische Uneindeutigkeit ( guckstduhier ) gibt, steht auf einem anderen Blatt und es ist damit auch noch nichts über gleich- oder gegengeschlechtliches Begehren ausgesagt.
„Die Frage nach den Grundkategorien von Geschlecht ist weder vom Agieren von Einzelindividuen noch von spezifischen Interessengruppen abhängig. Es ist auch keine Frage der „Macht“ in der Sprache, oder eines ominösen „heterosexistischen Gesetzes““Jeglich menschliche Symboltätigkeit, jede kulturelle Zuschreibung setzt an schlicht physischen Unterschieden und dem Beitrag an der möglicher Fortpflanzung an. (über Heteronormativität muss ich auch noch mal was gesondert zusammenschreiben)
So weit, so banal, so richtig. No gender without sex.
Schwieriger wird dann ein weiterer möglicher Fortgang der Gedanken. Mit der Feststellung, das Frauen menstruieren und Männer eine Erektion bekommen ist ja zunächst, wie oben ausgeführt nur festgestellt, dass die Kategorie als solche in der ‚Natur’ wurzelt. Was den Unterschied jenseits von Penis und Brüsten ausmachen könnte, ist damit natürlich noch nicht bestimmt. Insbesondere ist damit auch noch nichts ausgesagt über die kulturellen Zuschreibungen (auch nicht über Selbstzuschreibungen) zu den beiden Geschlechtern in verschiedenen Gesellschaften und zu verschiedenen Zeiten.
Auf dieser Ebene könnte man lediglich die Konstruktion von mehr als zwei Geschlechtern als nicht sinnvoll kritisieren und Vorbehalte gegen den ‚Gender_Gap’ mit der Frage, ob es denn um Gender oder Sex gehe, anmelden. (Wenn ich meine ungnädige Phase habe rede ich dann vom Genderloch, durch das auch folgerichtig ‚sex‘, also das biologische Geschlecht, fällt.)
Wir befinden uns ja immer noch auf der grundlegendsten Ebene der Diskussion, wie man Kultur und Natur, um es mal flapsig zu formulieren, sinnvoll unterscheiden kann und welche Kategorien dabei wie zur Verwendung kommen.
Das nächste Problem dräut ja bereits: was ließe sich den über den biologischen Unterscheid über die nackte Tatsache des sichtbaren physischen Unterschiedes und der über die Fortpflanzungsfähigkeit vermittelten Grundkategorien von männlich/weiblich noch sinnvolles sagen?
Auf meinem jetzigen Stand der Recherchen: herzlich wenig. (Richard David Prechts: Liebe Ein unordentliches Gefühl bietet ein paar Hinweise, die vielversprechend klingen. Sein Buch über Moralphilosophie hingegen ist Müll. Na ja, vielleicht ein anderes Mal etwas ausführlicher.)
Einfacher ist es da schon, darüber zu reden, was nicht sinnvoll ist.
Nicht sinnvoll ist es, die Dichotomie aufzulösen und eine Vielzahl von Geschlechtern herbei zu fantasieren, nicht sinnvoll ist es eine Biologisierung von Charaktereigenschaften oder ‚Wesens’zügen von Männern oder Frauen zu unternehmen und nicht sinnvoll ist es psychologische Forschungen und Interventionen auf der Grundlage der Blobologie für obsolet zu erklären. Umgekehrt ist es aber auch nicht sinnvoll, die persönlichen Hoffnungen und Wünsche, die persönlichen Ängste und Defizite zu rationalisieren und immer neue „Edle Wilde“ mit einem aberwitzigen Wahrnehmungsgerüst zu „entdecken“.
Soweit der Problemaufriss.
Morgen früh gibt es die Fortsetzung.