Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Luisa oder Frech kommt weiter
Ein Katzenleben
Ich weiß nicht wie du im Frühjahr 2000 warst, als du geboren wurdest. Als wir kurz vor Weihnachten 2001 im Tierheim waren, um uns Katzen auszusuchen, hobst du nur kurz den Kopf, als wir euer Gelass betraten. Ein kurzer, prüfender Blick und wir wurden als tauglich eingestuft. Deine Schwester hatte wohl das Tierheim ziemlich satt und baggerte uns vehement an. Sie veranstaltete ein riesen Geschrei und rieb ihr Köpfchen an uns, während du nur interessiert, aber müde, das Schauspiel beobachtetest.

Wir packten euch ein und erledigten den Papierkram. Zu Hause wurde sofort das Klo und die Futtervorräte begutachtet und ausprobiert. Schien zu passen. Nach einigen Tagen fingst du mit deinen Erziehungsmaßnahmen an. Wenn du hungrig warst oder einer von uns falsch lag, so dass du dich nicht auf der Brust zusammen rollen konntest, gab es einen kurzen Befehlslaut. Wenn der Fehler dann behoben war, fraßt du mit Appetit oder legtest dich auf die Brust unters Kinn. Man hat halt so seine Vorstellungen und Warten war deine Sache nicht. Wenn du etwas wolltest, verfolgtest du deine Interessen beharrlich und ohne lästige Zurückhaltung.

Nach einigen Tagen hattest du das neue Revier ausgetestet und warst in der Lage im gekonnten Galopp durch die Wohnung zu düsen und knapp unter der Decke auf Bücherregalen oder dem Kühlschrank die Lage zu sondieren. Hauptsache man hat alles unter Kontrolle.

Wenn wir zu Abend gegessen haben, genügte ein Satz auf den Tisch. Das Angebot kurz prüfen und so lange, gegebenenfalls unter Einsatz einer kurzen Unmutsäußerung, auf die Wurst starren, bis sich jemand erweichte und dir den Fettrand des Schinkens abschnitt und hinlegte.

Nach jedem Aufenthalt in der Katzenpension wurdest du zutraulicher. Wenn ich abends nach Hause kam, hast du dich nach dem Fressen erst mal auf den Rücken geworfen und wolltest einige Bauchstreichler abhaben. Wenn ich noch mit Kochen beschäftigt war, zogst du beleidigt ab in unser Schlafzimmer und legtest dich aufs Bett. Wenn ich dann kam, war wieder auf den Rücken schmeißen angesagt und wohliges Schnurren, wenn dann die geforderten Streicheleinheiten endlich verabreicht wurden.

Du warst immer eine schmale Katze, kaum 3,5 Kilo schwer. In der Pension hattest du allerdings keine Schwierigkeiten einen fast dreimal so großen Main-Coon-Kater, der zudem noch Freigänger war, mit einem gezielten Fauchen auf Abstand zu halten. Überhaupt warst du eine mutige kleine Katze, allerdings manchmal auch ziemlich dumm.

Eines Sommers konntest du dich nicht bremsen in deiner Abenteuerlust und bist von unserem Balkon auf den Anbau des Treppenhauses gesprungen. Die Entfernung hast du richtig eingeschätzt und bist sicher gelandet. Was du nicht bedacht hattest, ist: wie komme ich da wieder runter, wenn ringsum ein Abgrund von drei Stockwerken ist? Wir öffneten dann das Fenster im Treppenhaus und haben dich wieder herein geholt. Zitternd am ganzen Körper, trugen wir dich wieder in die Wohnung, in dein vertrautes Revier. Nach dem Schrecken und einigen Streicheleinheiten hast du erst mal deine Schwester angegriffen, um den Stress abzubauen. Sie ist allerdings stärker als du und so hast du eine ordentliche Tracht Prügel abbekommen. So kann es gehen, wenn man sich mit Stärkeren anlegt. Meistens bist du aber damit durchgekommen. Frech kommt eben doch weiter.

Nach sechs Jahren wuchs dir eine riesige Beule auf der Stirn. Die Tierärztin hat das Geschwulst entfernt und es an ein Labor geschickt. Leider war es ein Tumor. Das hat dich aber nicht weiter gestört. Genauso wenig, wie dich die Entfernung deines Auges wiederum ein Jahr später groß gestört hatte. So wurdest du eine Piratenkatze.

Die Wochen vor Weihnachten waren dann aber richtig schlimm. Du hast nicht mehr gefressen und lange war unklar, ob der Tumor damals doch gestreut hatte. Deine Blutwerte waren jedenfalls schrecklich. Eine Woche vor Weihnachten sind wir dann mit dir in die Tierklinik gefahren. Die S-Bahn hatte eine halbe Stunde Verspätung und wir froren beide erbärmlich auf dem Bahnsteig. Ich wusste vor Sorge nicht mehr ein und aus und hoffte dich noch rechtzeitig in die Klinik zu bringen, bevor du an Unterkühlung stirbst. Wir haben es dann geschafft, aber nach dem Röntgen und der Ultraschalluntersuchung war leider klar, dass du dir FIP, eine tödliche Katzenkrankheit, zugezogen hast. Du lässt wohl keine ernste Erkrankung aus?

Am Abend kam meine Frau nach Hause und wir fuhren wieder in die Klinik, um uns zu verabschieden und das Tier einschläfern zu lassen. Zuerst eine kleine Menge Pentobarbital, um sie schlafen zu legen und dann die Überdosis. Ein letztes Zucken, dann hattest du es überstanden.

Was soll man sagen? Die Entscheidung über Leben und Tod ist fürchterlich. Nach fast zehn Jahren bist du uns ans Herz gewachsen. Ich hoffe, du hattest ein schönes Leben bei uns.

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seemuse, Mittwoch, 5. Januar 2011, 17:37
ich fühle, aus traurigem persönlichen anlass, mit Ihnen. und mir stellt sich die frage: ist es besser, wenn man den letzten weg mit ihnen gehen kann oder - wie in meinem fall - wenn man sie von einem tag auf den anderen verliert. und ich finde keine antwort.

g., Donnerstag, 6. Januar 2011, 06:06
Darauf, glaube ich, gibt es wohl keine Antwort. So oder so muss man es einfach aushalten. Es hilft auch nicht (viel), wenn man sich klar macht, dass es um ein Tier und nicht um einen Menschen geht, auch wenn ich vehement auf diesem Unterschied beharre.