Indien kann warten
g. | Montag, 9. August 2010, 07:38 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
Einer der unspektakulärsten Romane, die ich kenne ist Magnus Mills’ „Indien kann warten“. Er beginnt mit einem Dialog:
„Ich dachte, ich erwische Sie besser noch, bevor Sie aufbrechen“, sagte er. „Ich nehme mal an, Sie fahren heute noch ab, oder?“Unser Held hat es nicht eilig.
„Hatte ich nicht vor“, antwortete ich.
„Viele fahren Montag morgen ab.“
„Ach, ich dachte eigentlich, ich hänge noch eine Woche dran. Das Wetter sieht doch ganz gut aus.“
„Also bleiben Sie noch?“
„Wenn Ihnen das recht ist.“
„Natürlich ist es mir recht“, sagte er. „Sie können gerne so lange bleiben, wie Sie möchten.“ (S. 7)
„Sie machen wohl Urlaub hier?“ fragte er.Die Plaudereien mit dem Zeltplatzbesitzer im englischen Lake District haben seltsame Konsequenzen:
„Eigentlich nicht“, sagte ich. „Oder doch, irgendwie.“
Er lächelte wieder. „Also was?“
„Na ja, im Moment hänge ich so dazwischen. Ich habe den ganzen Sommer über gearbeitet, um Geld zu sparen, damit ich im Winter in den Osten fahren kann.“
„Sie meinen an die Ostküste?“
„Oh nein“, sagte ich. „Ich meine Ausland. In die Türkei, nach Persien und dann über den Landweg nach Indien. Sie wissen schon.“
„Das Tor müßte gestrichen werden.“Eigentlich hatte er das Angebot nur aus Langeweile gemacht, dass der Zeltplatzbesitzer ihn gleich einspannen würde, damit hatte er nicht gerechnet. Nach und nach plaudern auch andere Dorfbewohner mit ihm und spannen ihn für kleinere Arbeiten ein...
Ich warf einen Blick auf das geöffnete Tor neben uns. Es bestand aus rotgetrichenen Stahlrohren und war an massiven Betonpfosten befestigt.
„Es ist schon gestrichen“, bemerkte ich.
„Falsche Farbe“, sagte er. „Es muß grün werden.“
„Ach so“, sagte ich. „Ich könnte es Ihnen streichen, wenn Sie möchten.“
„Wieviel würden Sie dafür haben wollen?“
„Die Bezahlung ist mir egal.“
„Aber Sie werden doch nicht umsonst arbeiten wollen?“
„Ich mache Ihnen einen Vorschlag“, sagte ich. „Sie erlassen mir dafür den Rest meiner Platzmiete, und wir sind quitt.“
„Sind Sie sicher?“
„Ja, bestimmt. Dann habe ich wenigstens eine Beschäftigung. Ich mag Anstreichen ganz gerne.“
„Um so besser“, sagte Mr. Parker. „Gut, wenn Sie fertig sind, kommen Sie doch am besten hoch zum Haus und ich suche Ihnen die Farbe und so weiter raus.“
( Magnus Mills: Indien kann warten S. 17)
monnemer,
Donnerstag, 12. August 2010, 17:10
"Sie sah ganz gut aus, und ich hätte wahrscheinlich versucht, mit ihr in Kontakt zu kommen, wenn ich nicht Ende der Woche abfahren würde. Aber wie die Dinge nun einmal standen, mußte ich mich mit den gelegentlichen Blicken zufriedengeben, die sie in meine Richtung warf."
Herrlich. Ihre Vorstellung des Buches hat mir schon richtig Appetit gemacht. Vielen Dank für diesen Tip!
Herrlich. Ihre Vorstellung des Buches hat mir schon richtig Appetit gemacht. Vielen Dank für diesen Tip!
g.,
Freitag, 13. August 2010, 07:02
Das freut mich. Diese feine, leise Geschichte hätte noch ein paar mehr Leser verdient.