Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Berlin 1831
Hans Christian Andersen besuchte im Juni 1831 Berlin und notiert seine Eindrücke in seinem Tagebuch, darunter auch ein Gedicht:

„Schnurgerade Straßen, Palais an Palais,
Füße und Augen tun einem hier weh.
Hübsche Soldaten – der erste schien mir
Mitten durchs Herz zu gehen schier.
»Nie sah ich Schöneres!« rief ich laut,
»Gott, wie ist es doch prächtig gebaut!«


Berlin 1885: Unter den Linden

Unter den Linden ging alle Welt
(Am schönsten als Kupferstich dargestellt).
Schmutzig die Straßen, die Jungen sind,
Ach, dafür wäre man lieber Blind!
Echten Berliner Witz finden man kann,
Und der ist kostbar, insonderheit dann,
Wenn er per Schnellpost reiset fürbaß,
Ist er, weil zu schwer, ein teurer Spaß!
R wird gerollt hier, man sagt: »Mein Jott!«
Sonst aber sind diese Leute sehr gut.
Sieht man die Stadt jedoch kreuz und quer,
Paßt ihre Größe in Verse nicht mehr.
Moral
Merk dir: Berlin ist mitnichten klein
Und die Moral davon überaus fein.
(Hans Christian Andersen: Tagebücher, S. 43)

Na gut, vielleicht hätte er das Dichten besser unterlassen.

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jean stubenzweig, Freitag, 12. Juni 2009, 23:17
Tatsächlich etwas schwergängig, die Poesie. Aber es könnte ja auch am Übersetzer gelegen haben. Oder hat Andersen sein Tagebuch etwa deutsch geschrieben? Vermutlich eher nicht.

g., Samstag, 13. Juni 2009, 07:27
Die Tagebücher wurden von Gisela Perlet übersetzt. Die Qualität der Übersetzung kann ich nicht beurteilen, nur, wenn man sich die Verse vor Augen führt, holpern sie ja nicht nur, sie wirken richtiggehend albern: "Sieht man die Stadt jedoch kreuz und quer, /Paßt ihre Größe in Verse nicht mehr." Dafür kann die Übersetzerin nichts.