Georg Forster: Reise um die Welt 20
(Aufenthalt in Dusky-Bay – Beschreibung derselben – Nachricht von unsern Verrichtungen)
(Aufenthalt in Dusky-Bay – Beschreibung derselben – Nachricht von unsern Verrichtungen)
g. | Donnerstag, 4. Juni 2009, 07:11 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
„Nach einer Fahrt von einhundert und zwei und zwanzig Tagen, auf welcher wir ohngefähr dreitausend fünfhundert Seemeilen in ofner See zurückgelegt hatten, kamen wir endlich am 26sten März zu Mittage in DUSKY-BAY an. Diese Bay, welche an der Nordseite des Cap West liegt, hatte Captain COOK auf seiner vorigen Reise in der ENDEAVOR bereits entdeckt, ihr auch damahls schon einen Nahmen gegeben, ohne sie jedoch selbst zu besuchen. Aus großer Ungedult bald vor Anker zu kommen, wünschten wir, daß solches gleich an der Mündung der Bay thunlich seyn möchte: Allein da das Senkbley dort eine allzu große Tiefe, nemlich von vierzig Faden anzeigte, und etwas weiter hin gar mit sechzig Faden kein Grund mehr zu finden war, so mußten wirs uns gefallen lassen, noch ungleich weiter hinein zu seegeln. Das Wetter war indeßen schön und in Verhältniß zu demjenigen, das wir bisher hatten empfinden müßen recht erquickend warm. Sanft wehende Winde führten uns nach und nach bey vielen felsichten Inseln vorbei, die alle mit Bäumen und Buschwerk überwachsen waren, deren mannigfaltiges, dunkleres Immergrün, (EVERGREEN) mit dem Grün des übrigen Laubes, welches die Herbstzeit verschiedentlich schattirt hatte, malerisch vermischt war und sehr angenehm von einander abstach. Ganze Schaaren von Waßervögeln belebten die felsigten Küsten und das Land ertönte überall vom wilden Gesang der gefiederten Waldbewohner. Je länger wir uns nach Land und frische Gewächsen gesehnt hatten, desto mehr entzückte uns nun dieser Prospect, und die Regungen der innigsten Zufriedenheit, welche der Anblick dieser neuen Scene durchgängig veranlaßte, waren in eines jeglichen Augen deutlich zu lesen.
Um drei Uhr Nachmittags kamen wir endlich unter der Spitze einer Insel vor Anker, woselbst wir einigermaßen gegen die See gedeckt und der Küste so nahe waren, daß man sie mit einem kleinen Taue erreichen konnte. Kaum war das Schif in Sicherheit, als unsre Matrosen ihre Angeln auswarfen, und in wenigen Augenblicken sahe man an allen Seiten des Schifs eine Menge vortreflicher Fische aus dem Wasser ziehen, deren viel versprechender Anblick die Freude über unsre glückliche Ankunft in der Bay ungemein vermehrte. Wir fanden sie von vortreflichen Geschmack und da wir zumahl so lange darauf gefastet hatten, so war es kein Wunder daß uns diese erste Neu-Seeländische Mahlzeit als die herrlichste in unserm ganzen Leben vorkam. Zum Nachtisch ergötze sich das Auge an der vor uns liegenden, wildnißartigen Landschaft, die SALVATOR ROSA* nicht schöner hätte mahlen können. Sie war ganz im Geschmack dieses Künstlers und bestand aus Felsen, mit Wäldern gekrönt, deren Alter in die Zeiten vor der Sündfluth hinauf zu reichen schien, und zwischen welche sich aller Orten Wasserbäche mit schäumenden Ungestüm herabstürzten. Zwar hätte es bey weiten nicht so vieler Schönheiten bedurft um uns zu entzücken, denn nach einer langen Entfernung vom Lande ist es warlich sehr leicht, selbst die ödeste Küste für das herrlichste Land in der Schöpfung anzusehen.“*Salvator Rosa war ein Barockmaler aus Neapel. Das Metropolitan Museum of Art in New York zeigt ein Bild online: Bandits on a Rocky Coast, dass m. E. die Szenerie, wie sie Georg Forster vielleicht vorschwebte, ganz gut illustriert.
(Forster S. 136/7)