Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Mittwoch, 18. Januar 2012
Notiz am Rande
Ich wühle mich ja gerade durch die Aufklärung und lese zurzeit die Mendelsohn-Biografie von Heinz Knobloch.
Dabei ist mir folgende Stelle (S. 56/57) aufgestoßen:
„Der geborene Aufklärer, der Arbeiten jüdischer Dichter ins Deutsche übersetzt, um sie bekannt zu machen, auch wenn das weder im Sinne der Rabbiner noch der Behörden ist, die für die Beschränktheit der Bürger sorgen müssen.
„Das erste Weib

Gott schuf der Weiber Erste
Nicht aus des Mannes Scheitel,
Daß sie nicht eitel würde;
Nicht aus des Mannes Augen,
daß sie nicht lüstern würde;
Nicht aus des Mannes Zunge,
daß sie nicht schwatzhaft würde;
Nicht aus des Mannes Ohren,
Sie horchte sonst nach allem;
nicht aus des Mannes Füßen,
Sie liefe sonst nach allem.
Er schuf sie aus der Rippe,
der unbescholtnen Rippe;
Doch haben ihre Töchter
Von jedes Gliedes Fehler
Ein kleines Teil bekommen.
Moses verliert seine Scheu vor Menschen. Er kann sich besser kleiden ...“
geht es weiter im Text von Heinz Knobloch. Die frauenfeindlichen Anklänge in diesem Gedicht sollen hier nicht interessieren. Ich habe den Text von Knobloch so verstanden, auch wenn es nicht explizit gesagt wird und ich denke anders ist er nicht sinnvoll zu interpretieren, dass das Gedicht von einem jüdischen Dichter bzw. eigentlich von einem Dichter, der in hebräischer Sprache schreibt, stammt und von Moses Mendelssohn übersetzt wurde. Da der Autor nicht genannt wird, packte mich die Neugier und ich habe eine Suchmaschine angeworfen. Vielleicht, dachte ich, sind die Werke von Moses Mendelssohn, einschließlich seiner Übersetzungen digitalisiert und der Autor des o. g. Gedichts auffindbar. Ich bin ja immer bereit etwas Neues zu entdecken. Gesagt, getan, nur war mein Erstaunen groß, als ich feststellte, das Gedicht ist keineswegs von einem jüdischen Dichter, sondern von Johann Jakob Engel, Sohn eines Pastors aus Parchim, der wohl mit Mendelssohn befreundet oder doch zumindest gut bekannt war. Texte von Engel bedürfen selbstredend keiner Übersetzung.
Ist Knobloch da bei der Abfassung des Textes einfach ein Fehler unterlaufen?

Notiz an mich: Seinen Roman mal lesen?

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