Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Donnerstag, 25. August 2011
Über Sex und Heuschnupfen
Twiggy, wörtlich übersetzt: ein dünner Zweig , wird kaum noch jemand ein Begriff sein, eigentlich ist es auch nicht weiter schade drum. Na wie dem auch sei, Tatsache jedenfalls ist, dass wir als pubertierende Knaben Ende der 60er Jahre all unsere erwachenden Phantasien auf Twiggy konzentrierten. Modern war sie damals, groovy nannten wir das und ihr Minirock trieb uns das Testosteron in die Lenden. Das Wichtigste aber war, dass sie völlig anders als unsere eher spießigen Klassenkameradinnen wirkte, sie verkörperte eine Ahnung wilder & ausschweifender & ungezügelter Sexualität, genauer unserer damaligen Vorstellungen davon. Für 13, 14 oder 15-jährige Jungs ist das auch völlig in Ordnung. Mit Mrs. Robinson hingegen konnten wir nichts anfangen und ob eine der beiden mit Heuschupfen zu kämpfen hatte, weiß ich nicht.

Die Referendarin hingegen, die vertretungsweise einige Wochen bei uns Englisch unterrichtete, sah nicht nur Twiggy ähnlich, genau genommen trug sie lediglich ausnahmslos Miniröcke in diesem heißen Sommer, war schlank aber nicht so schauerlich dürr und trug ihre blonde Haare genauso kurz, sondern litt schrecklich unter Heuschnupfen. Damals gab es wohl noch keine wirksamen Medikamente gegen Heuschnupfen.

Tag für Tag kam sie mit rotgeränderten Augen, schniefend und übernächtigt in den Unterricht, setzte sich auf das Lehrerpult, bat für ihre Rotznase und heisere Stimme um Entschuldigung und erklärte uns, dass sie sich setzen müsse, um nicht vor Schwäche umzufallen.

Die Frauen in unsrer Klasse waren ob ihrer selbstverständlichen Weiblichkeit und deren Wirkung auf die Männerwelt unangenehm berührt, wir Jungs waren sofort verschossen.

Nicht sehr konzentrationsfördernd wirkten sich unsere Blicke unter den Minirock vorne auf der Lehrerbank aus. Natürlich konnte man nicht wirklich etwas sehen, außer einer Strumpfhose, die unter dem Rock verschwand. Für unsere Phantasien war das aber völlig ausreichend.

Für den Direktor unserer Schule war die Vorstellung, was wir uns vorstellten auch völlig ausreichend, die Referendarin war irgendwann nicht mehr da, über die Gründe ließ sich nichts herausfinden.

Warum nun ist mir das nach so vielen Jahren wieder ins Gedächtnis gerutscht? Das kam so: aus Gründen, die mir nicht mehr erinnerlich sind, wollte ich wissen, ob Johannes Agnoli, bei dem ich die eine oder andere Veranstaltung besucht habe, noch lebt und beim suchen ist mir der Gründungaufruf des Republikanischen Clubs vom Mai 1967 auf den Bildschirm gefallen und bei der Gelegenheit dachte ich so bei mir: Wann wurde eigentlich der Club Voltaire in Tübingen gegründet, den wir Anfang der 70er häufiger besuchten? War das um die gleiche Zeit?
Auf einer der Veranstaltungen im Club Voltaire (unter anderem sah/hörte ich da Poesie & Musik zum ersten Mal, ich glaube mit ihrem Heineprogramm) habe ich auf jeden Fall/glaube ich einige Jahre später unsere Englischlehrerin wieder gesehen.

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