Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Donnerstag, 11. Juni 2009
Georg Forster: Reise um die Welt 22
(Aufenthalt in Dusky-Bay – Beschreibung derselben – Nachricht von unsern Verrichtungen)
”Als wir weiter heran kamen, entdeckte man, daß es ein Indianer war, der mit einer Keule oder Streit-Axt bewafnet, auf der Felsenspitze stand, und hinter ihm erblickte man in der Ferne, am Eingang des Waldes, zwo Frauenspersonen, deren jede einen Spieß in der Hand hielt. Sobald wir mit dem Boot bis an den Fus des Felsen hingekommen waren, rief man ihm in der Sprache von TAHEITI zu: TAYO HARRE MAÏ, d.i. Freund komm hier! Allein das that er nicht, sondern blieb an seinem Posten, auf seine Keule gelehnt stehen und hielt in dieser Stellung eine lange Rede, die er bey verschiednen Stellen mit großem Nachdruck und Heftigkeit aussprach, und alsdenn zugleich die Keule um den Kopf schwenkte. Da er nicht zu bewegen war näher zu kommen, so gieng Capitain COOK vorn ins Boot, rief ihm freundlich zu und warf ihm sein und andrer Schnupftücher hin, die er jedoch nicht auflangen wollte. Der Capitain nahm also etliche Bogen weiß Papier in die Hand, stieg unbewaffnet auf dem Felsen aus und reichte dem Wilden das Papier zu. Der gute Kerl zitterte nunmehro sichtbarerweise über und über, nahm aber endlich, wiewohl noch immer mit vielen deutlichen Merkmalen von Furcht, das Papier hin. Da er dem Capitain jetzt so nahe war, so ergrif ihn dieser bey der Hand umarmete ihn, indem er des Wilden Nase mit der seinigen berührte, welches ihre Art ist sich untereinander zu begrüßen. Dieses Freundschaftszeichen benahm ihm mit einemmale alle Furcht, denn er rief die beyden Weiber zu sich, die auch ungesäumt herbey kamen, indeß daß von unsrer Seite ebenfalls verschiedne ans Land stiegen, um dem Capitain Gesellschaft zu leisten. Nunmehro erfolgte zwischen uns und den Indianern eine kleine Unterredung, wovon aber keiner etwas rechtes verstand, weil keiner in des andern Sprache hinreichend erfahren war. Herr HODGES zeichnete gleich auf der Stelle einen Umriß von ihrer Gesichtsbildung und aus ihren Minen ließ sich abnehmen, daß sie begriffen was er vor hatte. Sie nannten ihn desfalls TÓA-TÓA, welches Wort vermuthlich eine Beziehung auf die bildenden Künste haben mußte. Der Mann hatte ein ehrliches gefälliges Ansehen, und die eine von den beyden Frauenspersonen, die wir für seine Tochter hielten, sahe gar nicht so unangenehm aus als Man in Neu-Seeland hätte wohl vermuthen sollen, die andre hingegen war ausnehmend häßlich und hatte an der Ober-Lippe ein ungeheures garstiges Gewächs. Abel Tasmans erste Begegnung mit den Ureinwohnern Neu Seelands, 1642Sie waren alle dunkelbraun oder Olivenfarbicht, hatten schwarzes und lockichtes Haar, das mit Öhl und Rothstein eingeschmiert, bey dem Mann oben auf dem Wirbel in einen Schopf zusammen gebunden, bey den Weibern aber kurz abgeschnitten war. Den Obertheil des Cörpers fanden wir wohl gebildet; die Beine hingegen außerordentlich dünne, übel gestaltet und krumm. Ihre Kleidung bestand aus Matten von Neu-Seeländischen Flachs und war mit Federn durchwebt. In den Ohren trugen sie kleine Stücke von Albatros-Haut, mit Röthel oder Ocher gefärbt. Wir boten ihnen einige Fische und Endten an, sie warfen solche aber zurück und gaben uns zu verstehen, daß sie keinen Mangel an Lebensmitteln hätten. Die einbrechende Nacht nöthigte uns von unsern neuen Freunden Abschied zu nehmen, wir versprachen ihnen aber, sie morgen wieder zu besuchen. Der Mann sahe uns bey der Abfahrt in ernsthafter Stille und mit einer Aufmerksamkeit nach, die tiefes Nachdenken anzuzeigen schien; die jüngste Frauensperson hingegen, die während unsrer Anwesenheit in einem fort und mit so geläufiger Zunge geplaudert hatte, als sich keiner von uns je gehört zu haben erinnern konnte, fieng nunmehro an zu tanzen, und fuhr fort eben so laut zu seyn als vorher. Unsre Seeleute erlaubten sich dieses Umstandes halber einige grobe Einfälle auf Kosten des weiblichen Geschlechts, wir aber fanden durch dieses Betragen die Bemerkung bestätigt, daß die Natur dem Manne nicht nur eine Gespielinn gegeben, seine Sorgen und Mühseligkeiten zu erleichtern, sondern daß sie dieser auch, durchgehends, die Begierde eingepflanzt habe, vermittelst eines höheren Grades von Lebhaftigkeit und Gesprächigkeit zu gefallen.“
(Forster S. 147-149)
Die erste Begegnung mit den sterblichen Menschen.

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